Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Wut

Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth
Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

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Frage: Wut

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Lieber Dr. Posth, meine Tochter Emily ist gestern 11 Monate alt geworden. Sie ist sehr aufgeweckt, neugierig und freundlich zu jedermann. Letzte Woche bekam sie die dritte 5fach-Impfauffrischung, außerdem zahnt sie gerade sehr heftig. Sie krabbelt, will alles haben und überall hin. Was mich nun etwas irritiert sind ihre sehr heftigen Wutausbrüche, wenn sie etwas nicht bekommt oder wenn ich sie an einem bestimmten Tun hindere (das mache ich natürlich auch nicht ständig, nur da, wo es wirklich angebracht ist). Sie fängt dann sofort an zu schreien, wirft sich nach hinten (oh Gott, der Kopf!) und macht sich steif. Außerdem greift sie sich in ihre Haare und reißt daran... Das ist alles neu für mich und verwundert mich wegen der Heftigkeit. Ist so ein Verhalten in dem Alter denn "normal" (ich weiß, doofe Formulierung)? Ein paar beruhigende Worte Ihrerseits würden Wunder auf mich wirken ;o) Vielen Dank, Silke Birkner (& Emily Josephine, *19.09.01)


Liebe Silke, Sie müssen sich vorstellen, daß ein Fast-Kleinkind seinen Willen in sich als einen unbedingten Drang verspürt, das Gewollte zur Ausführung zu bringen. Vom Erfolg hängt für das Kleinkind, anders als bei uns Erwachsenen, ein ganz wesentlicher emotionaler Gewinn ab. Denn auf den erfolgreich umgesetzen Willen baut sich das Ich-bewußtsein auf, das bis dato nur ein starkes Körper-Gefühl gewesen ist und nicht ein eigenes Persönlichkeitszentrum. Daher sind Kinder so hartnäckig in ihren Willensäußerungen. Daher die ausgeprägte Wut, wenn es einmal nicht "nach ihrem Willen" geht. Sowohl die natürlich Macht, als auch die autoritative sind die "Gegenspieler" in der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung eines Menschen. In gewisser Weise bleibt das so ein Leben lang. Die korrigierenden Elemente des eigenen Willens mit der Ausrichtung an der sozialen Gemeinschaft, mit Verzicht und Rücksichtnahme und mit Respektierung anderer Ansichten, sind "Errungenschaften" des Verstandes, der Vernunft nennt, und sind Auswirkungen des Gewissens. All das muß sich bein Kleinkind aber erst einmal im Zusammenleben mit den Erwachsenen und den anderen Kindern herausbilden. Quintessenz: die Wut des Kindes verstehen, was nicht heißt, das alles akzeptiert und toleriert werden muß. Jetzt fängt ganz vorsichtig das an, was man Erziehung nennt. Die motorischen Ausgleichshandlungen beim Trotz wie an den Haaren reißen oder sich auf den Boden werfen (Kopf!), sind nie wirklich schädlich und zeugen von einem heftigen Temperament. Beruhigen Sie ihre Tochter, trösten Sie sie (ja trösten und nicht schimpfen)und lenken Sie ihre Aufmerksamkeit auf irgendetwas Interessantes in der Nähe. Viele Grüße


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