mamana
Sehr verehrter Herr Dr. Posth - Es wird gesagt, dass man das Kind nicht verwöhnen kann in diesem Alter (6 WO), weil die kognitiven Voraussetzungen dafür fehlen. Dennoch gibt es ja das Prinzip der Klassischen Konditionierung: Weinen < => Tragen, wäre in dem Sinn kein "daran gewöhnen" ohne kognitiven Voraussetzungen denkbar? - Ausserdem wird bezüglich dem Schreien-Lassen geschrieben, dass man keine 3 Sekunden zuwarten soll/darf. Nun näme mich mal wunder, wie dass denn gehen soll: nur schon wenn ich den Schoppen machen muss, ist es zwangsläufig so, dass die Kleine für ein paar Minuten "alleine" ist und schreit. Oder wenn ich sie anziehe, dann schreit sie ebenso, hatte letztes mal 2 Stunden, wenn ich den Rat befolge, nicht schreien zu lassen, weil ich immer wieder Tragen musste, bis sie sich beruhigt hatte. Das kann ja auch nicht sein, oder? Danke!
Hallo, das klassische Konditionieren setzt prinzipiell keine Leistung des Verstandes voraus, anders als beim operanten Konditionieren. Die Natur benutzt diese Prinzipien als eine Formen simplen Lernens. Was sich in der Natur als Konditionierung darstellt, findet gesellschaftlich seinen Ausdruck im Gewöhnen (s. mein 1. Buch). Der soziale Auftrag des Menschen lautet aber: Gewöhnen ist nur gut, wenn sein Ergebnis gut für das Individuum ist (das ist ein Frage von Moral und Ethik). Beim Säugling muss die Gewöhnung so gestaltet werden, dass eine sichere Bindung entstehen kann und Angst (Urangst) in Vertrauen (Urvertrauen) gewandelt wird. Soweit E. Erikson, der Urangst als Misstrauen definierte. In meiner Auffassung geht das aber noch weiter, denn im Gehirn selbst passiert dabei etwas. Angst ist neurophysiologisch (neg.) Dis-Stress und aktiviert das Bestrafungssystem. Die Wandlung in Vertrauen aktiviert dagegen das Belohnungssystem ("emotionale Integration"). Letzteres trägt uns Menschen gut durchs Leben, ersteres verursacht negative Gefühle und auf Dauer seelische Störungen. Das ist der Grund, warum wir einen Säuglings nach Möglichkeit nicht längern schreien lassen dürfen. Denn alles, was wir dadurch erreichen, ist erkauft auf der Aktivierung des Bestrafungsystems. Die Bindung leidet bis zur Unsicherheit (oder gar Desorganisation), und die Prognose für spätere Angststörungen, Aggressionen und Depressionen wächst. 2, 3, oder 10 Sekunden Schreien, wie Sie schreiben, ist in diesem Zusammenhnag irrelevant, es geht ums dosierte Schreien-lassen (und das werden automatisch Stunden sein). Wenn der Säugling Hunger hat, Schmerzen, Angst oder Verlassenheitsgefühle, er schreit nach seiner Bindungsperson. Nur die kann ihm effektiv helfen. Tut sie es, ist es gut, unterlässt sich es, entsteht das, was ich eben mit Aktivierung des Bestrafungssystem gemeint habe. Aber am Ende des 1. Lebensjahres steht immer ein "Netto"-ergebnis. Soundsoviel Schrei- und Angststündchen gegen soundsoviel Beruhigungs- und Glücksgefühle. Je günstiger das Plus-Ergebnis, desto besser für die Bindung. Zu positiv ist in diesem Stadium praktisch noch nicht möglich. Das ändert sich einmal, aber jetzt ist die Gewohnheit des Guten eine gute Basis für eine glückliche Kindheit. Viele Grüße
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