Schreien lassen, um Säugling auch mal hinzulegen zu können?

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Schreien lassen, um Säugling auch mal hinzulegen zu können?

Mein Sohn ist 8 Wochen alt und lässt sich tags so gut wie nie ablegen. Wenn er auf dem Arm eingeschlafen ist und ich dann versuche ihn sanft schlafend hinzulegen, merkt er dies sofort und weint. Auch den Kinderwagen mag er nicht. Nachts kann ich ihn schlafend in seine Wiege legen und er schläft dort für ca. 3 Stunden. Danach wacht er allerdings alle 45 Minuten auf, so dass ich ihn dann auf meinem Bauch weiterschlafen lassen. Sowohl Kinderarzt als auch Hebamme raten zum „Schreien lassen“, was mir widerstrebt und mir in der Seele weh tut. Ich soll ihn 1 Minute schreien lassen, dann hingehen und beruhigen und dann wieder 1 Minute schreien lassen, etc. Dieses Vorgehen wäre im Sinne meines Babys, da es nur so ein zufriedenes Baby werden könnte, so der der Kinderarzt. Die Hebamme ist der Ansicht, dass ich sonst meinen Sohn noch 5 Jahre auf dem Bauch liegen haben würde und er mich jetzt schon "im Griff" hätte. Ich bin mittlerweile total verwirrt. Kann es den auch von alleine "besser" werden?

von babypinguin am 30.09.2013, 08:13



Antwort auf: Schreien lassen, um Säugling auch mal hinzulegen zu können?

Hallo, die Ansichten Ihres KiAs und Ihrer Hebamme, wobei ich mich bei der Hebamme über ihr Einstellung wundere, entsprechen eigentlich längst überkommenen Vorstellungen von der frühkindlichen Entwicklung. Der KiA wird sich auf das Reglationstörungskonzpt berufen, das zu seiner Ehrenrettung solche Maßnahmen aber auch erst nach dem 1. Lebenhalbjahr empfielt. Das Regulationsstörungskonzept (s. auch hier gezielter Suchlauf) ist eine Entwicklung der neunziger Jahre von dem Psychiaterehepaar Papousek in München. Es deckt sich leider nicht mit der Bindungstheorie und kommt deswegen zu anderen Ergebnissen. Aber nach dieser Methode arbeiten inzwischen die meisten Schreiambulanzen, was viele Mütter beklagen. Der "Charme" dieses Konzeptes liegt in der Entlastung der Mütter bei Belastung des Kindes. Um dem Vorwurf des Schreienlassens als unethischem Akt dem Kind gegenüber zu entgehen, werden nun solche Zeitintervalle aufgestellt, in denen die Eltern zum schreienden Kind zurückkehren dürfen, um es dann aber unberuhigt wieder zu verlassen. In dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen" wird ein solches Konzept für schlecht einschlafende Kinder empfohlen. Streng genommen sind das alles Konditionierungsmethoden auf der Basis negativer Reize. Die moderne Stressforschung steht diesem Vorgehen diametral entgegen und warnt vor solchen Maßnahmen. In der Bindungstheorie dürfen Mütter ihre Säuglinge so oft wie nötig und so viel wie möglich zu sich nehmen.und sich anschmiegen lassen. Auch das vorübergehende Schlafen auf dem Bauch der Mutter ist gestattet. Allerdings sollte man diese Praktik aus Gründen aufkommender Gewohnheit beim Kind, die dann lästig und schwierig wird, nach einiger Zeit gegen andere bindungsintensive Praktiken wieder abändern. Aber schreien lassen kommt nicht infrage. Der Säuglingmuss nur soviel schreien, wie er braucht um erhört zu werden, um seine Bedürfnisse befriedigt zu sehen. Das ist maximal 1/2 bis 1 Stunde am Tag, häufig noch weniger. Jede Regel darüber hinaus ist falsch und missachtet, dass ein Säugling auch krank sein kann oder Schmerzen hat, abgesehen von der Mutter- (oder Vater-)entbehrung (z.B. Dreierregel nach Wessel). Am besten, Sie stecken Ihren Sohn möglichst oft am Tag in ein Tragesäckchen und nehmen ihn einfach mit sich, egal was Sie tun. Da fühlt er sich dan sehr schnell absolut wohl und sie sind nicht oder nur wenig in Ihren Tätigkeiten blockiert. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 02.10.2013



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