JC03
Guten Tag Frau Henkes, uns bereitet das Verhalten unseres Sohnes (27 Monate) Sorgen. Er ist sehr sensibel – sowohl in Bezug auf Sinneswahrnehmungen als auch im zwischenmenschlichen Bereich. Es beschäftigt ihn oft stark und lange, wenn er andere Kinder weinen sieht. Früher hat er schnell die Gefühle übernommen und in so einem Fall mitgeweint, nun stört es ihn einfach, wenn ein Kind in seiner Gegenwart weint. Zugleich ist der Besuch seiner Krippe eine große Herausforderung für ihn. Einerseits ist er sehr neugierig und beim Abholen oft fröhlich, andererseits machen ihm Konflikte mit anderen Kindern und Zurechtweisungen durch Erzieherinnen zu schaffen – auch, wenn Erzieherinnen andere Kinder schimpfen, beschäftigt ihn dies. Eine Sache, über die wir zuletzt immer wieder gesprochen haben, ist, dass er natürlich unabhängig von seinem Alter jederzeit weinen darf, wenn ihm danach ist. Als er kürzlich zu Hause weinte, sagte er plötzlich zu sich selbst: „Hör auf zu weinen, große Jungen weinen nicht!“ Dieses Mindset ist absolut konträr zu dem, was mein Mann und ich denken und ihm vermitteln wollen. Es kam heraus, dass ihm dieser Satz in der Krippe gesagt wurde. Wir haben ihm erklärt, dass alle – Kinder, Erwachsene, auch Mama und Papa – manchmal weinen und das natürlich auch dürfen. Er war spürbar erleichtert, das zu hören. Kürzlich hat er auch mich weinen gesehen, da habe ich ihn auch darauf hingewiesen: „Schau, ich weine auch manchmal und danach geht es mir besser.“ Das Thema Weinen, aber auch Gefühle, die zu Weinen führen, wie Traurigkeit, Wut, Angst beschäftigen ihn also sehr. Nun zu meiner eigentlichen Frage: Er sagt beim Spielen oft, er mache dies und jenes, dann seien alle Kinder/Stofftiere traurig und weinen. Zum Beispiel: „Ich mache mit dem Bagger den ganzen Sand weg, dann weinen alle Kinder.“ oder „Der Tom (Stofftier) hat Hunger.“ – „Fütterst du ihn?“ – „Nein. Dann ist er traurig und muss weinen.“ Meinem Mann und mir bereiten solche Aussagen Sorge, weil unser Sohn sie zurzeit sehr häufig tätigt. Auch findet er es wahnsinnig lustig, wenn er Stofftiere am Schwanz zieht. Anfangs habe ich ein Spiel daraus gemacht, dass das Tier weglief und „aua“ sagte. Die Frage, ob er das Tier trösten wolle, verneinte er – „Soll traurig sein. / Soll Angst haben.“ Mittlerweile zieht er sie so häufig am Schwanz in Erwartung einer Reaktion, dass ich gar nicht mehr darauf einsteigen möchte. Wenn wir ihn fragen, warum denn ein Kind oder Stofftier traurig sein/Angst haben/weinen soll, hat er nicht so recht eine Antwort. Je stärker er merkt, dass wir das Verhalten nicht richtig bzw. einfach irritierend finden, umso mehr zeigt er es, habe ich das Gefühl. Dazu haben wir zwei Fragen: 1. Uns ist bewusst, dass unser Sohn in seinem Alter noch keine echte Empathie entwickelt haben kann, aber kann sein jetziges Verhalten auf einen späteren Mangel an Empathiefähigkeit hindeuten? 2. Sind seine Spiele und Aussagen vielleicht eine Verarbeitungsstrategie für Erlebtes bzw. seine eigenen Ängste und Unsicherheiten? Wir sprechen viel mit ihm über seine Erlebnisse in der Kita und was ihn sonst beschäftigt. Er äußert auch vieles von sich aus und es tut ihm gut, mit uns darüber zu sprechen. Vielen Dank und beste Grüße
Guten Tag, das Verhalten Ihres Sohnes ist kein Indiz für spätere unzureichende Empathiefähigkeit. Er zeigt dieses Verhalten ja nur im Spiel und nicht in der Realität. Ihr Sohn ist in einer Entwicklungsphase, in der er sich damit beschäftigt, seine Handlungsmächtigkeit zu erproben und seine aggressiven Impulse zu entdecken und auszuagieren. Er verleiht sich im Spiel Macht und Dominanz, die er in der Realität kaum hat. Diese Möglichkeiten dürfen in der Fantasie aber gelebt werden, da sie zum Menschsein gehören. Sie können auf dieses Spiel eingehen, indem Sie Ihren Sohn fragen "Das würdest du schaffen, dass alle Kinder weinen? Dann wärst du bestimmt der Chef." Für Ihren Sohn ist es wichtig, dass Sie seine Großartigkeit erkennen und anerkennen. Daher lässt er sich auch nicht darauf ein, dass Sie sein Verhalten nicht richtig finden. Das ist eine moralische Kategorie, um die es ihm mit seinem Verhalten nicht geht (und altersbedingt auch noch nicht gehen kann). Bewundern Sie Ihren Sohn dafür, dass sogar ein Tiger vor ihm Angst hat. "Wenn du so stark bist, dass der Tiger Angst vor Dir hat, dann kann ich ja mit dir in den Dschungel gehen. Da würdest du gut auf mich aufpassen." Ihr Sohn ahnt schon sehr gut, dass er ein kleiner Junge ist, der sehr auf Ihren Schutz angewiesen ist. Aber es hilft ihm, in der Fantasie das Gegenteil durchzuspielen. Ihr Sohn verarbeitet in seinen Spielen vermutlich nicht Erlebtes, sondern er wandelt eigene Ängste und Unsicherheit in für ihn positive Möglichkeiten um. Die altersgerechte Entwicklung zu mehr Autonomie und Loslösung von den Eltern eröffnet einem Kind neue Möglichkeiten, sich in der Welt zu orientieren. Sie macht jedoch zugleich Angst, in der Welt nicht ohne die - nun entfernteren Eltern - überleben zu können. Mit solchen Fantasien wandeln Kinder ihre Angst positiv um. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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