Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Kind (2,5 jahre) spuckt, leckt Gegenstände und Mitmenschen; frage zur Bindung.

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Kind (2,5 jahre) spuckt, leckt Gegenstände und Mitmenschen; frage zur Bindung.

Sinem92

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Guten Tag Frau Henkes, ich habe insgesamt 2 Anliegen. Vielleicht können Sie mir mit ihren Ratschlägen weiterhelfen. Bitte entschuldigen Sie meinen langen Text - ich habe es so detailliert wie möglich geschrieben, damit Sie die Situation einschätzen können   1. Anliegen: Kind spuckt / leckt:  seit ca. 1 Mo.  hat mein Kind angefangen zu spucken und seine Mitmenschen und/ oder Gegenstände zu lecken. In letzter Zeit hat er auch ständig seine Hände im Mund. Wenn er seine Mitmenschen (bspw. mich, sein Vater, seine Oma, seine Tante, Cousine) legt bspw. an der Hose, Hand Gesicht oder im Gesicht fühlen wir uns natürlich nicht wohl dabei es gefällt keinem von uns. Mein Ehemann und ich wissen nicht was wir dagegen tun können. „Mach das nicht.“ „hör auf damit / zu lecken/ zu spucken“ „ich möchte nicht dass du mich / meine Hose leckst / deine Spucke auf mir schmierst“ „du kannst davon Bauchweh bekommen, da sind kleine Tiere (Bakterien)“ etc. hilft einfach nicht. Auf meine Frage „warum tust du das?“ mit „weil es dreckig ist“ geantwortet. Ich weiß nicht, ob er seinen  Mund damit meint.  Ich weiß nicht, was sein Verhalten ausgelöst hat. Vielleicht liegt es.. - daran, dass er in einem Schub sein könnte? 🤔 - Und er noch gleichzeitig eine radikale Veränderung durchläuft: wir sind am 28.9.22 aus Deutschland nach London gezogen.  Wir wohnen nicht mehr in einer Wohnung sondern in einem Haus. Er hat ein neues Zimmer mit neuen Möbeln, seine Spielzeuge sind in einem separaten Spielzimmer und nicht wie vorher in seinem Zimmer. In London sind weder seine  Verwandte und noch seine Freunde aus Deutschland da.  Während der Umzugsphase  haben wir uns in Deutschland 2-3 Tage nicht oft gesehen. Ich habe ihn versucht so gut es geht auf den Umzug vorzubereiten in dem wir uns das Buch „Connie zieht um" angeschaut und durchgelesen haben, währenddessen habe ich versucht den Umzug  aus dem Buch auf uns zu beziehen, z. B.  wir werden auch deine Spielzeuge in Kartons packen und sie in deinem Spielzimmer auspacken. Ich habe das Gefühl,  dass das Buch ihm sehr viel  geholfen hat & dass er sich in dem neuen Haus wohl fühlt.  - Leider habe ich mich mit meinem Ehemann während des Umzugs oft vor ihm gestritten - ein fetaler Fehler!! Ich bin die Person, die meistens ruhig bleibt während mein Mann sein Wut „auskotzt“ aber leider lagen meine Nerven auch platt, dass ich nicht mehr ruhig blieb, unser  Kind versucht hab aus dem Raum wegzunehmen bzw. Mit ihm rauszugehen, sondern neben ihm meinem Mann zurück geantwortet   habe. 😟 mein großes Schuldgefühl!!  - Zudem kommt hinzu,  dass ich schwanger bin und ich nicht mehr wie vorher die Kraft hab bspw um ihn auf dem Arm sehr lange  zu tragen. (2. Radikale Veränderung)  - daran, dass ich, wenn er seine Zähne nicht putzt möchte, auch mal leider gesagt habe (was ich nicht mehr tue) dass im Mund noch dreck ist, damit meinte ich aber nicht wirklich dreck - ich weiß, dass mein Wortwahl falsch war. Ich meinte die Ablagen vom essen. Ich hatte ihm auch erklärt, dass es wichtig ist die Zähne zu putzen, da wir zb Schokolade gegessen haben und dies unseren Zähnen schadet: „wir müssen unsere Zähne putzen, da wir heute Schokolade gegessen haben, und wenn wir sie nicht putzen, kann die restliche Schokolade unseren Zähnen weh tun.  Du darfst zu erst deine Zähne putzen, dann putze ich nach“ -  an uns: wenn wir verreisen dann sagen wir ihm oft zb am Flughafen oder im Hôtelzimmer, dass er nicht überall anfassen und seine Hände dann in den Mund stecken soll. Manchmal gab ich nach, weil er es immer wieder tat - ich denke nicht dass er uns ärgern wollte, er hat es bestimmt vergessen - denn manchmal hat er drauf geachtet bspw beim Aufstehen hatte er versucht den Boden mit den Händen nicht zu berühren. Das tat mir dann auch in dem Moment leid. ☹️ - an Allem!!  Ich möchte ihn verstehen und wissen warum er das tut. Und ich möchte gern wissen wie ich ihm helfen kann. Bin wirklich sehr verzweifelt  2. Anliegen: Bindung: Ein weiteres Anliegen ist: wie schwer wird das Vertrauen meines Kindes ggü. mir verletzt, bzw unsere Bindung verletzt, wenn ich mich manchmal falsch verhalte wenn mein Kind trotz, z. B.  Wir sind unterwegs, er wirft sich mitten auf der Straße auf dem Boden - weil ( ich vermute ) sein Bewegungsdrang plötzlich von seinem Vater eingeschränkt wurde, da er ein Verkehrskegel in einem indoor Center umgeworfen hat -   ich gehe zu ihm sage ihm mehrmals dass die Menschen ihn in der Masse nicht sehen könnten und über ihn stolpern könnten oder auf ihn versehentlich treten könnten. Deswegen soll er bitte aufstehen und weiterlaufen oder wenn er nicht mehr kann (weil er zu müde ist), dann könnten wir an der Straßenseite eine kurze Pause machen. Nach einer Zeit steh ich auf und sage ihm dass ich langsam schon vorgehe (ich werde wütend!!!) er schreit hinter mir her „mama komm hier her“ ich: „nein komm du ich war schon bei dir“ dann stellte ich mich zur Seite und wartete auf ihn, er hat mich aus den Augen verloren und schreite „mama wo bist du?“ ich „ich bin hier an der Seite“ er hat mich erst nicht gehört, bekam Angst und weinte und ich schreite lauter und dann kam er zu mir wir umarmten uns ich erklärte ihm dass diese Situation nicht schön war für uns beide "ich weiß du hattest jetzt Angst weil du mich nicht gesehen und gehört hast. Ich würde dich niemals zurücklassen. Aber ich habe auch Angst dich zu verlieren deswegen bleib bitte in meiner Nähe oder im Blickkontakt mit mir".  Meine Reflexion im Nachhinein: Ich habe mich selber wie ein trotzendes Kind verhalten. Ich hätte geduldiger sein sollen und mein Kind versuchen zu überreden an die seit zu gehen oder ihn wie er es sich gewünscht hat ihn tragen sollen. Aber nur kurz. Nun hab ich ein weiteres Schlechtesgewissen, dass ich sein Vertrauen verletzt haben könnte.  Ich liebe mein Kind. Ich versuche mit ihm soviel Zeit wie es geht zu verbringen: wir spielen zusammen, kochen& backen  zusammen, putzen zusammen fahren zusammen Fahrrad, lesen zusammen etc.  Ich höre auf audible verschiedene Bücher hinsichtlich kindesverhalten bze. Erziehung wie „ich will aber nicht“ von S. Mierau, um das Verhalten meines Kindes zu verstehen, wenig Fehler wie möglich zu machen, Tipps für bestimmte Situationen zu bekommen etc. damit mein Kind zu einem selbstbewussten und sich selbst liebenden Menschen wird.  Bitte entschuldigen Sie meine lange Nachricht. Ich hoffe Sie lesen sie trotzdem und nehmen sich die Zeit fürs Antworten.   Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche. Vielen Dank im Voraus für Ihre Zeit und Mühe. Schöne Grüße, eine liebevolle aber manchmal auch verzweifelte Mutter, Sinem


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

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Guten Tag, selbstverständlich lese ich auch lange Nachrichten und beantworte Sie gerne. Sie haben als Familie große Veränderungen hinter (und vor) sich. Das ist oft mit Belastungen, Stress und auch blanken Nerven verbunden. Da reagieren Eltern schon mal unangemessen. Das können Kinder in der Regel gut aushalten, wenn die Beziehung insgesamt gut ist. Es ist für Kinder eine wichtige Grundlage, um nicht so günstiges Elternverhalten, das aber selten vorkommt, auszuhalten und zu verarbeiten. Nach Ihrer Beschreibung haben Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Sohn, den Sie sehr lieben. Machen Sie sich nicht so viele Vorwürfe wegen Ihres Verhaltens Ihrem Sohn gegenüber. Planen Sie lieber ein, dass Sie gerade sehr belastet sind und konzentrieren Sie sich darauf, möglichst gelassen mit Ihrem Sohn umzugehen. Manchmal erweist es sich auch als hilfreich, in solch anstrengenden Zeiten mal "fünfe gerade sein zu lassen". Das Ablecken von Gegenständen ist nicht selten bei Kleinkindern. Das kann verschiedene Gründe haben, die aus der Distanz schwer einzuschätzen sind. Zum einen kann es sich bei Ihrem Sohn um einen zeitweiligen Rückzug in die sogenannte orale Phase handeln. In dieser ersten Phase erforschen Kinder ihre Umwelt vorwiegend mit dem Mund, wie z.B. beim Stillen. Angesichts der vielen Veränderungen für Ihren Sohn könnte dieser Rückzug in eine frühere Entwicklungsphase ihm zu mehr Sicherheit verhelfen. Vorstellbar ist auch der altersgerechte Beginn der Trotzphase bei Ihrem Sohn. In dieser Phase erproben Kinder erstmals intensiv ihren Willen und wollen ihn durchsetzen. Das Auf-den Boden-werfen kommt in dieser Phase häufig vor. Auch diese Phase ist für die Entwicklung unverzichtbar. Kinder stellen jetzt fest, dass sie mit ihren Willensbekundungen etwas erreichen können und wollen sich durchsetzen. Das sollte ihnen auch manchmal gelingen. Sie müssen aber auch lernen, dass letztlich die Eltern bestimmen. Das gibt ihnen die nötige Sicherheit, weil sie sich nur so von den Eltern gut geschützt fühlen. Viele Erklärungen helfen bei Kindern im Alter Ihres Sohnes noch nicht so gut, weil Kinder sie nicht verstehen, vor allem nicht, wenn sie wütend sind. Hilfreicher ist es dann oft, wenn Eltern eingreifen. Heben Sie (oder der Vater) Ihren Sohn hoch und entfernen Sie ihn aus der Gefahrenzone. Zeigen Sie ihm, dass Sie seine Gefühle verstehen. Vermitteln Sie aber auch deutlich, dass man auf der Straße nicht liegen kann. Die vielen Begründungen braucht Ihr Sohn noch gar nicht. Für ihn ist es wichtig, dass Sie ihn trösten, weil er seinen Willen nicht bekommen konnte und dies jetzt aushalten muss. Ihr Sohn spürt beim Ablecken, dass er Sie damit ärgern kann. Für Kleinkinder ist das eine großartige Erfahrung, weil sie plötzlich merken, dass sie bei den Erwachsenen (mit einfachen Mitteln) etwas auslösen können. Versuchen Sie also, dem Thema nicht zu große Bedeutung zu geben. Damit wird das Lecken gleich weniger interessant. Hindern Sie Ihren Sohn ruhig aber bestimmt daran, Sie oder Ihre Kleidung zu belecken. Sagen Sie ihm, dass Sie das nicht möchten, erwarten Sie aber keine Erklärungen für sein Verhalten von ihm. Die kann er noch nicht geben. Seien Sie großzügig, wenn er Spielsachen oder harmlose Gegenstände beleckt. Das können Sie ihm ruhig lassen, bis er das ablecken aufgeben kann. Ich wünsche Ihnen alles Gute und ein gutes Einleben in die neue Umgebung. Ingrid Henkes


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