_Rosula
Sehr geehrte Frau Henkes, bitte entschuldigen Sie die Länge des Textes, aber ich habe versucht möglichst ausführlich zu sein, um eine genaue Vorstellung erzeugen zu können. Unsere Situation: mein Sohn wird in ein paar Tagen 1 Jahr und 5 Monate alt. Er war schon immer sehr nähe- und sicherheitsbedürftig - er ließ sich als Neugeborenes nicht ablegen, weder im Bett, noch im Kinderwagen- also kam er immer in die Trage und schlief die ersten 8 Wochen auf meinem Bauch, anschließend neben mir im Familienbett. In den ersten 3 Monaten schrie er jeden Abend 2 Stunden lang. Wir mussten auch die ersten 3 Monate mit ihm in die Wanne bis er so weit war ohne zu weinen "alleine" zu baden. Das Autofahren war auch eine Katastrophe usw. Anfang August hatten wir mit der Krippen-Eingewöhnung begonnen, die wir inzwischen unterbrochen haben, da sich sein Verhalten innerhalb und außerhalb der Kita zu meiner Besorgnis verändert hat: vor drei Monaten noch war er immer froh, wenn wir Besuch bekamen und spielte mit ihnen, da war ich regelrecht abgemeldet. Im Juli jedoch veränderte sich sein Verhalten- er wurde plötzlich wieder anhänglicher und wollte mehr gestillt werden bzw. häufig an die Brust, wir waren zu der Zeit auch im Urlaub. In den ersten Tagen der Eingewöhnung brauchte er zwar 20 Minuten um anzukommen, kam dann aber ins explorieren und spielen. Leider hatte ich meine Vorstellungen in der Kita nicht gut genug kommuniziert - ich dachte immer eine Trennung erfolgt erst wenn er eine Beziehung zur Erzieherin aufgebaut hat, aber sie gewöhnen nach Berliner Modell ein, weil sie nicht wollen, dass die Kinder sich an die Anwesenheit der Eltern gewöhnen. Am dritten Tag ist dann die erste Trennung erfolgt (mit Verabschiedung) und er ließ sich nicht trösten. An den anderen Tagen wollten es die Erzieherinnen daher ohne Verabschiedung versuchen. Das war leider ein Fehler, denn seitdem verhält er sich wie ein unsicher-ambivalent gebundenes Kind- er zeigte kein Explorationsverhalten mehr, fühlt sich auch außerhalb der Kita in der Nähe von Kindern unwohl und ist sehr anhänglich geworden. Selbst die Omas können ihn nicht mehr auf den Arm nehmen ohne dass er weint. Sobald wir Besuch haben weicht er nicht von meiner Seite. Zudem hat er einen Nachtschreck entwickelt. Wir waren in der Kita zunächst nochmal einen Schritt zurück gegangen und ich blieb wieder mit da. Als er jedoch nicht von mir wich, versuchten wir es erneut eine Woche mit Trennungen für 10 Minuten- in der Zeit reagierte er eher wütend - mit aufstampfen bzw. Strampeln und weinen. Da zog ich die Reißleine und habe die Eingewöhnung unterbrochen. Wir wollen jedoch in einem Monat erneut starten, diesmal nach Münchener Modell mit Zeit für Beziehungsaufbau. Dafür konnte ich mir 3,5 Monate Zeit einplanen. Er ist seitdem zuhause auch sehr auf den Papa fokussiert- sobald er den Raum verlässt will er hinterher und weint. Papa muss nun auch immer überall mit dabei sein, sonst weint er, ist sauer und untröstlich. Nun meine Fragen: Das Verhalten zum Papa- kann es sein, dass er seine Nähe sucht, weil er mir nicht mehr vertraut bzw. bei ihm mehr Sicherheit sucht oder könnte es die Wiederannäherungskrise/ Loslösung sein? Und ist ein erneuter Eingewöhnungsversuch überhaupt sinnvoll wenn er sich selbst bei Besuch zuhause unwohl fühlt? Obwohl er die Erzieherinnen dann ja jeden Tag sehen würde und nicht nur so vereinzelt wie Besucher. Ich bin leider etwas ambivalent, weil die Verlängerung der Elternzeit für 4 Monate bereits zu Problemen an meinem Arbeitsplatz geführt hat, ich möchte jedoch auch nicht die Bindung zu meinem Kind noch weiter gefährden. Gibt es sonst etwas das ich tun kann um die Bindung wieder zu sichern? Ich versuche aktuell immer mal wieder Situationen zu erzeugen in denen ich mich beweisen kann z.b. Besuch einladen und aber stets seine Nähe- und Aufmerksamkeitsbedürfnisse zu erfüllen - oder sind solche Sachen eher kontraproduktiv? Sollten wir lieber erstmal "reizärmer" leben? Und in ähnlichen Beiträgen erwähnten Sie öfter die Objektkonstanz- wenn ich die Eingewöhnung nun in der Wiederannäherungsphase durchführe und dies führt bei ihm zu viel Wut, kann dann am Ende, trotzdem das Bild der guten Mutter überwiegen? Mir scheint die aktuelle Lebensphase als denkbar ungünstigste Phase für die Trennung und Eingewöhnung zu sein. Haben wir trotzdem eine Chance, dass diese gelingt ohne dass mein Sohn dabei einen emotionalen oder seelischen Schaden erleidet? Ich habe viele Freunde und Bekannte mit Kindern, doch niemand schien solche Probleme zu haben oder die Kinder "mussten einfach da durch" und "hätten irgendwann aufgehört zu weinen". Dadurch finde ich wenig Verständnis und Rat. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit des Lesens des Textes und würde mich über eine Antwort freuen. Viele Grüße Rosula
Guten Tag, nach Ihren Beschreibungen vermute ich, dass Ihr Sohn sich mit neuen Umgebungen und Situationen noch schwer tut und diese nicht gut tolerieren kann. Das ist mit anderthalb Jahren nicht ungewöhnlich. Die Angst vor Unbekanntem löst sein Bedürfnis nach Nähe aus und erschwert ihm die Trennung von Ihnen. Ihr Sohn denkt nicht, dass er Ihnen nicht mehr vertrauen kann, weil Sie ihn in die Krippe bringen. Soweit ist sein logisches Denkvermögen noch nicht entwickelt. Er zeigt durch sein Verhalten, dass er mit der Situation überfordert ist und deshalb Ihre Nähe braucht. Er scheint auch noch nicht in der Loslösungsphase zu sein. Vermutlich haben die aktuellen Verunsicherungen bei ihm dazu geführt, dass er zur Zeit seine beiden wichtigsten Bezugspersonen um sich haben will. Das lässt sich sicher manchmal einrichten. Ansonsten kann man diese Situationen gut nutzen, um ihm zu zeigen, dass der jeweilige Elternteil wiederkommt und ihn nicht dauerhaft verlässt. Aus der Distanz lässt sich die Frage nach der erneuten Eingewöhnung nicht angemessen beantworten. Es ist fraglich, ob die psychische Entwicklung in einem Monat soweit fortschreitet, dass Ihr Sohn sich der Trennung von Ihnen und der Eingewöhnung in eine neue Umgebung leichter stellen kann. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die Bindung Ihres Sohnes wieder sichern müssen. Er bleibt gut gebunden, ist aber durch äußere Einflüsse irritiert. Daher braucht er Sie, da Sie für ihn Sicherheit bedeuten. Sie müssen auch Ihr Leben nicht umstellen und keinen Besuch mehr empfangen. Kinder lernen am besten in den üblichen Alltagssituationen mit neuen Herausforderungen umzugehen. Ihr Sohn darf dabei ruhig verstärkt Ihre Nähe suchen, bis er sich an solche Besuche wieder gewöhnt hat. Ihr Sohn wird auch bei einer erneuten Eingewöhnung in einer anderen Entwicklungsphase nicht auf Sie wütend werden oder das Bild der guten Mutter verlieren. Er wird höchstens seinen Protest über eine Situation, die ihm nicht behagt äußern. Ihre Frage geht vom Erwachsenendenken aus, dass Kinder wütend auf die Eltern werden, weil sie in die Krippe müssen. So können Kinder diesen Alters aber nicht denken. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, dass nur Ihr Sohn Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung hat. Das geht vielen Anderthalbjährigen so. In diesem Alter geht es auch noch nicht darum, dass ein Kind die Krippe braucht oder will. Kinder sind mit der Betreuung durch die Eltern vollauf zufrieden. In der Regel geht es darum, dass die Eltern den Betreuungsplatz brauchen, um wieder in den Beruf zurückkehren zu können. Daher müssen Kinder oft "einfach da durch". Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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