Guten Tag! Ich habe vor der Schwangerschaft ab und zu Zwischenblutungen gehabt, meine Frauenärztin verschrieb mir ohne weitere Untersuchungen Famenita 200mg 2 mal am Tag. Dadurch wurde es besser, ich habe diese dann erst in der 13 SSW abgesetzt.
Nun habe ich von der dänischen Studie gelesen dass die Einnahme bei den Kindern ein erhöhtes Krebsrisiko aufweist. Sie schrieben hier im Forum ja auch schon des öfteren von dieser Studie.
Ich mache mir sehr große Sorgen, gerade weil ich sehr wahrscheinlich gar kein Protesteronmangel hatte und es auch ohne gegangen wäre.
Eine Freundin von mir, die auf einer Säuglingsstation arbeitet, sagte jetzt zu mir, diese Studie geht um synthetisches Progesteron (Ich glaube sie sagte 17α-Hydroxyprogesteron), welches schon Jahre nicht mehr gegeben wird. Famenita wäre bioidentische und somit etwas anderes und ungefährliches. Simmt das so was meine Freundin sagt?
2.Und ist es so, dass in der Studie gerade die Mütter ein hohes Risiko haben, welche kein Progesteronmagel haben, so wie ich? Bei einer künstlichen Befruchtung wäre das Risiko nicht erhöht, da das Progesteron nicht selbstgebildet wird und somit nicht erhöht ist?
von
Berlindreamer87
am 23.09.2022, 16:10
Antwort auf:
Progesteron
Leider stiften diverse Fall-Kontroll-Studien häufig Verwirrung. Ausgangspunkt einer Untersuchung (Hargreave et al 2015) waren Fälle von Kindern mit Tumorentwicklung. Betrachtet man in dieser Studie die 48 dokumentierten Kinder mit Leukämie, so hatten in 18 Fällen (37,5%) die Mütter im Rahmen der Kinderwunschbehandlung Progesteron erhalten, während bei einer Vergleichsgruppe von 1.289 gesunden Kindern 222 Mütter (17,2%) Progesteron erhalten hatten. Hier wird also aus dem Blickwinkel der erkrankten Kinder die Vorgeschichte durchforstet.
In der zitierten Studie (Hargreave M, Jensen A, Nielsen TS, Colov EP, Andersen KK, Pinborg A, Kjaer SK. Maternal use of fertility drugs and risk of cancer in children--a nationwide population-based cohort study in Denmark. Int J Cancer. 2015 Apr 15;136(8):1931-9) handelt es sich um die Anwendung von Progesteron, nicht um synthetische Gestagene.
Für den Alltag wäre es jedoch interessant zu erfahren, wie viele Mütter unter Progesteron-Therapie Nachkommen mit Tumoren erwarten müssen. Das lässt sich jedoch aus diesen rückblickenden Fall-Kontroll-Studien leider nicht ableiten.
Außerdem kann man aus diesen Fall-Kontroll-Studien keinesfalls einen klaren Zusammenhang von Ursache (z. B. Progesteron) und Wirkung (z. B. kindlicher Tumor) herstellen. Natürlich sind in Deutschland die Geburtenzahlen und die Zahl der Störche in den letzten 50 Jahren deutlich gesunken. Doch ist der Storch nicht unbedingt für die niedrige Geburtenrate verantwortlich.
Eine Klärung ließe sich nur durch prospektive Kohortenstudien erreichen, d. h. einen Vergleich von zwei Gruppen von Müttern mit Kinderwunschtherapie: Wenn die Gruppe unter Progesteron-Behandlung signifikant häufiger Nachkommen mit Tumoren zu beklagen hätte gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Progesteron-Therapie, dann wäre die Sachlage einfacher zu interpretieren.
In der Schwangerschaft ist die Plazenta die hauptsächliche Produktionsstätte von Progesteron. Die zusätzliche Einnahme unterstützt im Prinzip die Plazentafunktion.
Nicht alles, was auf natürlichem Weg biologisch entsteht, muss automatisch gesund sein. Auch Alkohol entsteht durch Gärung von Früchten ganz natürlich und ist z. B. auch in geringen Mengen in jedem Apfelsaft enthalten. Aber es ist in größeren Mengen leider nicht gesund.
Ich würde mir an Ihrer Stelle keinerlei Sorgen machen, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Progesteronspiegel in der Schwangerschaft und den kindlichen Tumoren keinesfalls nachgewiesen ist.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 23.09.2022