Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Progesteron Leukämie beim Kind

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Progesteron Leukämie beim Kind

Jessica_Night

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Guten Tag Dr. Paulus,  aufgrund einer Zervixinsuffizienz und einem Spätabort in der 23.SSW wurde mir bei meiner letzten Schwangerschaft und bei meiner aktuellen Schwangerschaft Progesteron 200 mg vaginal verordnet. Ich nehme es seit der 10.SSW durchgängig und bin jetzt in der 30.SSW. Erst jetzt habe ich zufällig die Studien über den Einfluss Progesterons auf Leukämie beim Kind gelesen und bin nun in großer Sorge. Ich habe die bisherigen Einträge zu diesem Thema hier gelesen. Da die Studie von 2014 ist, würde mich interessieren, ob es mittlerweile neue Erkenntnisse gibt. Wurde dem Thema weiter nachgegangen? Da die Studie aus Dänemark stammt, gab es dort Konsequenzen im Umgang mit Progesteron in der Schwangerschaft? Was meint der Autor genau mit „Zyklen“ (das Risiko steigt nach 3 Zyklen anscheinend noch stärker) in Bezug auf Schwangerschaft?  Vielen Dank für Ihre Hilfe. Errechneter Entbindungstermin: 25-04-2024 Medikamente: Famenita 200 mg Einnahmezeitraum (seit wann) und Dosis: ab 10.SSW


Dr. Wolfgang Paulus

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Leider stiften diverse Fall-Kontroll-Studien häufig Verwirrung. Ausgangspunkt einer Untersuchung (Hargreave et al 2015) waren Fälle von Kindern mit Tumorentwicklung. Betrachtet man in dieser Studie die 48 dokumentierten Kinder mit Leukämie, so hatten in 18 Fällen (37,5%) die Mütter im Rahmen der Kinderwunschbehandlung Progesteron erhalten, während bei einer Vergleichsgruppe von 1.289 gesunden Kindern 222 Mütter (17,2%) Progesteron erhalten hatten. Hier wird also aus dem Blickwinkel der erkrankten Kinder die Vorgeschichte durchforstet. In der zitierten Studie (Hargreave M, Jensen A, Nielsen TS, Colov EP, Andersen KK, Pinborg A, Kjaer SK. Maternal use of fertility drugs and risk of cancer in children--a nationwide population-based cohort study in Denmark. Int J Cancer. 2015 Apr 15;136(8):1931-9) handelt es sich um die Anwendung von Progesteron, nicht um synthetische Gestagene. Für den Alltag wäre es jedoch interessant zu erfahren, wie viele Mütter unter Progesteron-Therapie Nachkommen mit Tumoren erwarten müssen. Das lässt sich jedoch aus diesen rückblickenden Fall-Kontroll-Studien leider nicht ableiten. Außerdem kann man aus diesen Fall-Kontroll-Studien keinesfalls einen klaren Zusammenhang von Ursache (z. B. Progesteron) und Wirkung (z. B. kindlicher Tumor) herstellen. Natürlich sind in Deutschland die Geburtenzahlen und die Zahl der Störche in den letzten 100 Jahren deutlich gesunken. Doch ist der Storch nicht unbedingt für die niedrige Geburtenrate verantwortlich. Eine Klärung ließe sich nur durch prospektive Kohortenstudien erreichen, d. h. einen Vergleich von zwei Gruppen von Müttern mit Kinderwunschtherapie: Wenn die Gruppe unter Progesteron-Behandlung signifikant häufiger Nachkommen mit Tumoren zu beklagen hätte gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Progesteron-Therapie, dann wäre die Sachlage einfacher zu interpretieren. In der Schwangerschaft ist die Plazenta die hauptsächliche Produktionsstätte von Progesteron. Die zusätzliche Einnahme unterstützt im Prinzip die Plazentafunktion. Es würde niemand auf die Idee kommen, die Plazenta in der Schwangerschaft teilweise zu entfernen, damit nicht so viel Progesteron entsteht. In den letzten Jahren fand sich keine Bestätigung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gabe von Progesteron in moderaten Dosen (z. B. Famenita 200 mg) und kindlicher Leukämie.  


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