Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillen ohne Hebamme

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillen ohne Hebamme

Mitglied inaktiv

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Hallo, ich erwarte nun mein 2. Baby und ich wünsche mir nichts sehnlicher als dass es diesmal mit dem Stillen klappt. Bei meinem Sohn hat es leider garnicht funktioniert. Da ich auf Teneriffa lebe, hab ich das Problem, dass ich hier keinen Ansprechpartner habe, habe zwar schon viel gelesen übers Stillen, aber so Hebammen wie man es aus Deutschland kennt, gibt es hier nicht. In der Klinik ist auch ein völlig anderer Ablauf (hab Baby erst am nächsten Tag zu Gesicht bekommen und es gab keine Stillhilfe, stattdessen Flasche) Nun will ich diesmal in eine andere Klinik (hoffe dass es dort anders ist), werde mich durchsetzen dass die keine Flasche geben, aber ich weiß letztendlich nicht woran es bei meinem 1. gelegen hat ... Ich hoffe das alles gut geht, nun meine Frage, ist es auch ohne Betreuung möglich zu stillen und Probleme zu lösen? Vielen Dank für eine Antwort


Biggi Welter

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Liebe Krapfen, es ist vielleicht nicht ganz so einfach, aber Sie können das sehr wohl schaffen und wir können ja eine Telefon Hotline legen ;-), wenn es dann soweit ist. Ganz kurz kann man die wichtigsten Punkte für den Grundstein einer erfolgreichen Stillbeziehung auf die folgenden Schlagworte zusammenfassen: Bald stillen - oft stillen - uneingeschränkt stillen - keine Flüssigkeit oder andere Nahrung dazugeben außer bei medizinisch begründeten Fällen. Das Baby sollte so bald wie möglich nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden und dann jederzeit und ohne zeitliche Einschränkung an die Brust dürfen, wenn es das will. Bei eher schläfrigen Kindern oder Babys mit verstärkter Neugeborenengelbsucht muss die Mutter unter Umständen den Takt angeben und dafür sorgen, dass das Kind mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden an der Brust trinkt. Tee, Glukoselösung oder Wasser sind überflüssig und vor allem bei einer eventuell verstärkten Neugeborenengelbsucht sogar kontraproduktiv. Das Bilirubin (der gelbe Farbstoff, der für die Gelbfärbung der Haut bei der Neugeborenengelbsucht verantwortlich ist) wird nur zu zwei Prozent über den Urin ausgeschieden, der Rest wird durch den Darm ausgeschieden. Daher ist es unsinnig, die Gelbsucht "ausschwemmen" zu wollen. Wichtig ist, dass der Darm mit Nahrung versorgt wird und die Verdauung angeregt wird, das Mekonium möglichst rasch ausgeschieden wird. Das Kolostrum, die wichtige erste Milch wirkt abführend und begünstigt damit die Ausscheidung des Bilirubins. Der Organismus eines Neugeborenen ist auf viele, kleine Mahlzeiten eingestellt. Sein Magen hat etwa die Größe eines Teebeutels. Kleine Mengen an Muttermilch sind also absolut richtig und in Ordnung. Wichtig ist, dass Ihr Baby ab dem zweiten, dritten Tag mindestens drei bis vier Darmentleerungen hat und ausreichend Urin ausscheidet. Eine Gewichtsabnahme von etwa sieben Prozent des Geburtsgewichtes innerhalb der ersten Tage ist normal, bis zehn Prozent sind bei einem ansonsten gesunden Kind tolerierbar. Spätestens mit drei Wochen sollte Ihr Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben. Milchbildungstee ist nicht notwendig und es hat keinen Sinn ihn bereits während der Schwangerschaft zu trinken. Wenn überhaupt Milchbildungstee getrunken wird, dann bitte auch nicht mehr als höchstens zwei bis drei Tassen täglich, da mehr zu Bauchproblemen beim Kind führen kann. Wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen können Sie am besten dadurch vorbeugen, dass Sie sich informieren. Wunde Brustwarzen entstehen in über 80 % der Fälle durch falsches Anlegen oder Ansaugen. Es ist extrem wichtig, korrekt anzulegen, nicht nur um wunde Brustwarzen zu vermeiden, sondern auch, damit die Brust gut stimuliert und richtig entleert wird und so die Milchbildung gut in Gang kommt bzw. aufrecht erhalten wird. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie sich möglichst gut über das Stillen und die grundlegenden Dinge wie korrektes Anlegen und Ansaugen, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Stillen nach Bedarf usw. informieren. Nochmals: Ganz wichtig ist dass Sie wissen, wie korrekt angelegt ist und woran Sie erkennen, dass das Baby richtig ansaugt und effektiv an der Brust trinkt. Hierzu bietet sich das Lesen der entsprechenden Literatur (z.B. "Stillen gesund und richtig" von Denise Both und Gabi Eugster, "Das Handbuch für die stillende Mutter" von der La Leche Liga, "Stillen - einfach nur stillen" von Gwen Gotsch) an. Es gibt auch in Spanien Stillgruppen und Stillberaterinnen! Sprechen Sie Spanisch? Hier ein Link wo Sie die Stillgruppen in ganz Spanien finden: http://www.laligadelaleche.es/grupos_de_apoyo/index.htm Ich wünsche Ihnen schöne restliche Schwangerschaftswochen, eine gute Geburt und diesmal eine problemlose und schöne Stillzeit. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

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Vielen vielen Dank, für die schnelle und so ausführliche Antwort. Ich werde mich auf jeden Fall noch weiter informieren, danke für die Literaturtips. Mit meinem Spanisch sieht es so aus, dass es für den Alltag reicht, aber wenn es um gesundheitliche, medizinische Dinge geht, bin ich lieber auf Deutsch beraten, da ich das dann doch lieber ins Detail verstehen möchte, daher habe ich auch einen priv. deutschen FA. Leider gibt es hier keine deutsche Hebamme ... aber vielleicht komme ich mit den Büchern auch schon ganz gut klar und vielleicht hab ich ja auch diesmal Glück und es gibt nicht so viele Schwierigkeiten. Mein Sohn wollte die Brust erst garnicht von Anfang an! Da konnt ich mich aufn Kopf stellen @ verschiedene Anlegepositionen, Ruhe etc. Er schrie immer wie am Spieß, hab dann abgepumpt, weil ich wollte dass er wenigstens die Milch bekommt. Das hab ich 6 Wochen gemacht, hab mir dann eingebildet er verträgt irgendwas an der Milch nicht, weil er immernoch schrie ... hab auf sämtliche Nahrungsmittel verzichtet (Kernobst, Zitrusfrüchte etc.), nichts half, am Ende hab ich rausgefunden, dass er mit Flaschenmilch auch noch schrie, mit Ausdauer und Geduld sind wir irgendwie durch die schwere Zeit gekommen. Das ist nun auch der Grund warum es mir so wichtig ist, dass es diesmal wirklich klappt ... Kann man eigentlich statistisch sagen, wie oft überhaupt Probleme die zum Nichtstillen führen auftreten? Oder ist es so, dass es bei den meisten Frauen funktioniert und nur hin und wieder sowas passiert? Vielen Dank nochmal für die tolle Beratung, Krapfen


Biggi Welter

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Liebe krapfen, etwa 98 % aller Frauen können stillen, vorausgesetzt, sie bekommen die richtigen Informationen, werden korrekt unterstützt und wollen stillen. Der Umkehrschluss von dieser Aussage lautet: zwei Prozent aller Frauen können tun und lassen was sie wollen, können die beste Unterstützung der Welt erhalten und werden dennoch nicht (voll) stillen können. Gründe für eine zu geringe Milchbildung oder gar ein Ausbleiben der Milchbildung können in unterentwickeltem Drüsengewebe, aber auch bei Stoffwechselproblemen liegen (so hat eine Schilddrüsenunterfunktion möglicherweise einen gravierenden Einfluss auf die Milchbildung). Auch extrem starke Blutungen nach der Geburt können dazu führen, dass die Frau eine Art Hypophyseninfarkt erleidet und keine oder nur sehr wenig Milch bilden kann (Sheehan-Syndrom). Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch das Stillmanagement in der Zeit unmittelbar nach der Geburt. Nicht immer, lässt sich alles, was in diesem Zeitraum nicht optimal gelaufen ist, wieder korrigieren. Es gibt die "Prolaktin-Rezeptoren-Theorie", die besagt, dass das häufige Saugen des Babys in den ersten Tagen der Stillperiode die Entwicklung der Prolaktinrezeptoren im Brustdrüsengewebe fördert. Bleibt die Förderung dieser Entwicklung durch zu wenig Stimulation aus, ist es nicht immer möglich die Milchmenge später entsprechend zu steigern. Im Tierversuch ist diese Theorie bereits belegt. Ein ganz anderer Gesichtspunkt, der keinesfalls so augenscheinlich ist, ist die Psyche der Frau. Wenn wir eine Frau mit Stillproblemen vor uns sehen, kennen wird nur sehr selten die Geschichte dieser Frau. Wir wissen in der Regel nicht, ob sie zum Beispiel als Kind oder Jugendliche missbraucht wurde und deshalb die Nähe, die das Stillen unwillkürlich mit sich bringt, nicht ertragen kann. Diese Frau will vielleicht wirklich stillen, versucht auch vieles und schafft es nicht, weil ihre Psyche es nicht zulässt. Leider ist dieser letzte Punkt viel häufiger die Ursache für Stillprobleme, als wir es uns oft vorstellen. Auch andere psychische Ursachen sind nicht gerade selten. Bei vielen Frauen ist es aber nach wie vor so, dass es schlicht und ergreifend an der mangelnden Betreuung und falscher Information liegt. So wird zum Beispiel immer noch geraten, dass stillende Frauen extrem viel trinken müssten, um die Milchbildung zu fördern, obwohl bewiesen ist, dass eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr zu einer Verringerung der Milchmenge führen kann. Es wird immer noch viel zu wenig Augenmerk auf das korrekte Anlegen und richtige Saugen des Kindes gelegt, beides Faktoren, die nicht nur wegen der wunden Brustwarzen sondern auch für die optimale Stimulation der Brust extrem wichtig sind. Viele Frauen werden immer noch angehalten das Stillen sowohl was die Häufigkeit als auch die Zeit an der Brust betrifft einzuschränken obwohl letztlich der wichtigste Faktor für die Milchbildung das häufige Anlegen bzw. Anregen der Brust ist. Ich hoffe, meine Antwort ist jetzt nicht zu ausschweifend geworden. Sollten Sie Probleme bekommen, können Sie mich auch telefonisch kontaktieren, das schaffen wir schon!!! LLLiebe Grüße Biggi


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