Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Urvertrauen

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Urvertrauen

Nora92

Guten Tag, Ich habe eine Frage zum Thema Bindung, es geht um unseren 4 Wochen alten Sohn. Da ich nicht stille, habe ich den Kindespapa direkt mit in die Füttersituationen mit einbezogen, so dass unser Sohn quasi ab Geburt immer abwechselnd gefüttert wurde. Ich war und bin so recht flexibel und war in der zweiten Lebenswoche je 2x für 45 Minuten beim Drogeriemarkt. Ich lese nun immer öfter, dass viele Säuglinge beim Papa weinen und sich gar nicht von der Mutter lösen. Nun frage ich mich, ob ich meinem Kind und unserer Bindung dadurch geschadet habe? Er lässt sich zwar von mir etwas besser beruhigen aber auch durch den Papa. Wir kuscheln viel und sind sehr liebevoll. Durch schwere Geburtsverletzungen war ich allerdings auch sehr gestresst in den ersten beiden Lebenswochen und musste ihn in den ersten paar Tagen im Krankenhaus mangels Energie oft im Bettchen ablegen. Zusätzlich haben wir anfangs gedacht, er würde unter Koliken leiden, nachträglich wissen wir aber jetzt, dass wir sein Hungersignal falsch interpretiert haben (auch die ersten 14 Tage ca.) Wir haben dann eher Übungen wie "Fahrrad fahren" ausprobiert oder ihn durch die Gegend getragen. Er hat aber abends bestimmt an 4-5 Abenden ca. Zweistündig gebrüllt. So, nun also die "Generalfrage": haben wir ihm durch diese Fehler psychisch geschadet? Gar sein Urvertrauen zerstört? Haben Sie vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Guten Tag, nein, das haben Sie ganz sicher nicht. Ihr Sohn ist gerade mal vier Wochen auf der Welt. Das ist eine aufregende Zeit, weil Sie sich erst kennenlernen und seine Signale interpretieren lernen müssen. Das ist ganz normal. Man kann es vorher nicht wissen. Es wird sich aber einspielen zwischen Ihnen. Ihr Sohn wird mit Sicherheit spüren und die Erfahrung speichern, dass Sie sich größte Mühe mit ihm geben und alles versuchen, was Ihnen möglich ist, damit es ihm gut geht. Trotzdem weinen Säuglinge manchmal längere Zeit. Sie müssen sich ja an alles erst gewöhnen. Auch wenn er manchmal nicht zu trösten ist, spürt er, dass Sie bei ihm bleiben und ihn in seinen Nöten nicht allein lassen. Das zählt. Für ein Kind ist es eher förderlich, wenn es von Anfang an eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen entwickeln kann. Diese Beziehungen können durchaus recht unterschiedlich sein. Auch Säuglinge können schon Bindung an zwei Menschen entwickeln. Klassisch betrachtet haben Sie ja von Anfang an Mutter und Vater. Da nimmt nicht die eine Beziehung der anderen etwas weg. Auch das Urvertrauen muss Ihr Sohn erst noch entwickeln. Schon im Uterus hat er da seine Erfahrungen gemacht, die sich jetzt auf der Welt fortsetzen. Das ist ein längerer Prozess, der sich immer mehr erweitern wird. Ich wünsche Ihnen alles Gute und dass Sie zu dritt diese Zeit intensiv genießen können. Ingrid Henkes


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