Frage: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Hallo,  ich habe eine Frage die längerer Erläuterung bedarf. Vorab gesagt, ich bin alleinerziehend und liebe meine 20 Monate alte Tochter über alles. Wir haben eigentlich eine innige (Still-) Beziehung (bis 18.  Monate). Ich rede viel mit ihr, wir kuscheln, sie schläft mit mir im Bett. Ich mache teilweise lange Einschlafbegleitung. Ich selbst hatte keine liebevolle Kindheit, 2 mal mit 2 und 3 Jahren wurde ich von meiner Bindungsperson von heute auf morgen getrennt. Die restliche Kindheit war geprägt von körperlicher Misshandlung aber vor allem verbaler und emotionaler Gewalt. Heute weiß ich, dass dies zu meine jahrelangen Depressionen geführt hat. Ich trage sehr viel Wut und Zorn in mir und bin eine sehr ungeduldige Person.   Leider habe ich daher meine Tochter auch schon oft angeschrien wenn ich schnell überfordert und ungeduldig war. Davon 3-4 mal massiv und laut, man kann sagen aggressiv. D.h. als hätte ich einen Erwachsenen vor mir. Das sind Situationen gewesen wo ich mich verbal nicht kontrollieren konnte weil sie zB. Farbe gegessen hat (sich großen Schaden zufügen kann). Immer bereute ich die Situation sehr und erstickte in Schuldgefühlen und Besserungswünschen. Ich habe sie auch schon angeschrien wenn sie nach dem 3. oder 5. Mal sagen nicht hörte. Wenn sie keine Zähne putzen wollte habe ich sie konsequent festgehalten usw.... So etwas prägt sich ja leider ein :( Generell bin ich eine strenge Mutter auch wenn ich die meiste sehr liebevoll bin und mich immer mehr in Geduld übe. Ich habe Gott sei Dank vor ein paar Monaten die Muster aus meiner Kindheit erkannt und bin insgesamt so viel umsichtiger und nachsichtiger, geduldiger. Falls ich doch mal etwas schimpfe entschuldige ich mich danach und sie scheint es zu verstehen. Weil.....ich habe  panische Angst davor mein Kind dauerhaft traumatisiert zu haben. Ein Leben mit Depressionen, wie ich es kenne, ist extrem schmerzhaft und das will ich auf keinen Fall für sie. Ich würde sagen mein Kind liebt mich auch sehr, sie kuschelte immer gerne mit mir. Hat auch immer meine Nähe gesucht und meinen Schutz in neuen Situationen gesucht. Da wir leider kaum soziale Kontakte haben, bin ich überwiegend die einzige Person. Sie muss sozusagen mit mir klarkommen. Sie ist so weit entwickelt, dass sie nach schimpfen oder eine angespannten Situation auch mal "mein Schatz, mein Baby" sagt (um mich daran zu erinnern dass ich das immer zu ihr sage und um mich milde zu stimmen). Wir haben nach wie vor eine schönen Bindung, aber in den letzten MMonaten weint sie bspw. nicht mehr oder kaum wenn ich sie mit dem Papa allein lasse. Sie liebt ihre Oma schon immer sehr, aktuell ist es aber so dass sie mich regelmäßig aus dem Raum werfen will wenn Oma da ist. Sind das normale Entwicklungsschritte und wie schätzen Sie die gesamte Situation ein?  Ich weiß, dass sie die Situation so nur grob einschätzen können. Aber liegt hier  trotzdem weiterhin eine sichere Mutter-Kind-Bindung vor? Seitdem ich meine Kindheit verstanden habe und durch Recherchen herausfand, dass Kindheitstrauma zur Hirnschädigung bis hin zu späteren Depressionen und Angsstörungen usw. beitragen können bin ich viel viel umsichtiger.  Ich will meine Fehler und meine Traumata nicht an meine Tochter weitergeben und arbeite sehr sehr hart an mir. Suche derzeit auch einen geeigneten Therapeuten. Über Ihre Einschätzung würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank, S.  

von Sukus am 26.01.2023, 14:38



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Guten Tag, Sie müssen sich keine Sorgen machen, weil Ihre Tochter nicht mehr weint, wenn sie beim Vater ist. Das gleiche gilt für das Verhalten bei der Oma. Ihre Tochter kennt beide jetzt besser und die beiden sind ebenfalls wichtige Bezugspersonen für Ihre Tochter. Das Umfeld eines Kindes erweitert sich in diesem Alter sehr. Das ist wichtig, weil das Kind ja lernen muss, die exklusive Beziehung zur Mutter auf eine neue Ebene zu heben. Es braucht jetzt mehr Menschen um sich herum. Die Familie ist da zunächst besonders wichtig. Ihre Fragestellung überschreitet in verschiedenen Aspekten die Möglichkeiten des Forums. Es wird Ihrer Tochter und Ihnen sehr helfen, wenn Sie therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Möglicherweise können Sie auch Unterstützung bei Beratungsstellen oder anderen Einrichtungen für Ihre Tochter finden, damit sie zusätzliche Begleitung durch schwierige Phasen hat. Sie haben viele schwere Belastungen zu tragen. Da ist es sicher sinnvoll, sich die Unterstützung der Familie zu sichern. Wenn andere Familienmitglieder für Ihre Tochter zu Bezugspersonen geworden sind, können die Ihre Tochter auch öfter mal betreuen, um Sie zu entlasten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 27.01.2023



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Nachtrag: Sie sucht im Alltag nicht mehr so oft von alleine meine Nähe in Form von Kuscheleinheiten. Wenn ich nach einem Kuss frage kommt öfter mal ein freches "Nein". Vielleicht, dadurch dass andere Dinge mit der Zeit interessanter sind oder es viel zu entdecken gibt. Aber das wollte ich noch anmerken. LG, S.

von Sukus am 26.01.2023, 15:09



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Sehr geehrte Frau Henkes,   vorab vielen Dank für die vermutlich kostenfreie Unterstützung von Eltern auf dieser Plattform. Danke auch für sie beruhigende Antwort zu Frage 1. Da mich das Thema der psychischen Gesundheit meiner Tochter sehr belastet, hatte ich ja geschrieben dass ich derzeit einen geeigneten Therapeuten für mich suche. Können Sie keinerlei Einschätzung geben, ob durch die beschriebene Situation bereits bedenkliche Folgen entstanden sein könnten?   Liebe Grüße, S.

von Sukus am 27.01.2023, 19:54



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

sondern nur jemand (Fachmann/frau), der dein Kind und dich zusammen mehrfach beobachten konnte ind/oder Gespräche mit dir geführt hat. Aber grundsätzlich gilt ja eher: es kommt nicht auf die wenigen nichts o gut gelaufenben Situationen an - sondern auf die überwiegend schönen Zeiten. Niemand ist perfekt und immer in jeder Situation top - und dennochs ind die Kids deswegen nicht gleich für´s Leben geschädigt. Wichtig ist doch, dass du erkannt hast, wo du etwas ändern musst/möchtest und dir dazu HIlfe suchst.

von cube am 30.01.2023, 09:09



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Guten Tag, das kann ich aus der Ferne leider nicht einschätzen, da ich Ihr Kind nicht sehe und erlebe. Das ist aber vermutlich auch nicht die eigentliche Frage. Sie haben für sich festgestellt, dass Sie so nicht weitermachen wollen. Dann kann es ab sofort damit losgehen. Zweijährige besitzen eine unglaubliche Plasitizität. Dadurch lassen sich noch viele ungünstige Erfahrungen korrigieren. Alles Gute Ihnen Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 30.01.2023



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Hey, deine Frage ist ja schon etwas länger her. Ich habe sie aber eben erst gelesen und wollte dir unbedingt mitteilen, wie mutig ich dich finde. Leider hängen alle Mütter in den eigenen Kindheitsmustern fest. Und selbst wenn man die Muster erkennt, ist es dennoch nicht einfach sie zu verlassen und einen anderen Weg einzuschlagen. Es bleibt ein ewiger Kampf. Ein Kampf gegen sich selbst, den man unbedingt therapeutisch bearbeiten sollte. Ich selbst hatte auch keine schöne Kindheit und eine überforderte Mutter, wurde auch mehrmals verlassen. Ich bin selbst Psychotherapeutin geworden. Und leider leider erschrecke ich mich immer wieder über mich selbst, wenn ich in Situationen, die mich überfordern (meine Zwillinge sind 17 Monate), meine Mutter in mir erkenne. So erschreckend es manchmal auch sein mag, hat es aber einen Vorteil : Wir erkennen die Muster und können diese aufarbeiten. Wieviele Mütter gibt es, die keine Möglichkeiten haben, ihre Muster zu reflektieren? In jedem Kinderzimmer leben Gespenster aus der Vergangenheit der Mutter weiter. Es ist mutig und verantwortungsvoll sie aufarbeiten und erkennen zu wollen. Alles Gute für euch 😊

von Tiffi153 am 11.04.2023, 21:12



Antwort auf: Mutter- Kind-Bindung/ Trauma

Hey liebe Mamis,    ich finde es mutig, dass sich eine  Therapeutin äußert. Auch die sind nur Menschen. Tabu Brüche sind einfach das wichtigste, danke! Trotz vieler Therapie kamen auch bei mir nach Geburt Verhaltensweisen und ne komische Regression im die Ecke, auf ne Art wie ich es nie für möglich gehen hätte.  Ich habe meinen Mann im Beisein vom Baby angeschrien und leider musste ich 3x fluchtartig das Haus verlassen, sonst wäre ich geplatzt (dem Mann gegenüber). Die Gedanken kreisen bei mir von morgens bis abends um Bowlby (den ich by the way für arg fixiert auf die Mutter halte.) Mein Baby wurde vom Papa getröstet als ich weg war und daher glaube ich, dass einige wenige und auch gerne verschiedene Bindungspersonen durchaus wichtig sind. Einfach zum Ausgleich.   Naja. Dann zur Bindungstheorie. Sobald ne Mutter ne Wochenbettdepression hatte, ist das betroffene Baby auf immer lost im Bereich Bindung und dann kann sich Mama ja eh besser gleich nen Strick holen... Bzw das verfestigt halt die Symptome und führt zu noch mehr unermesslich großem Leid.  Meiner hat mich bei einem Wiedersehen erst nicht richtig angeschaut und wollte dann aber eindeutig auf Arm. Ich bin natürlich in Panik verfallen, OH GOTT BINGUNG GESTÖRT. Naja, er war müde und war ja bei Papa und Papa ist außerdem die zweite Bindungsperson. Wir gehen jetzt zur Sicherheit trotzdem an einen Mutter-Kind-Platz. Das hilft dann auch die Bindung von außen einschätzen zu lassen und sich ggf zu entspannen oder eben nochmal was zu korrigieren. Ich war wirklich paarmal arg aggressiv meinem Mann gegenüber und der Kleine hat die Stimmung mitbekommen und hatte 3 oder 4x auch darauf ungut reagiert, wurde aber gleich getröstet. Naja. Bleibt die Frage, hat er Angst vor mir. 😔 Bisher geht alles an seinem Verhalten in Richtung sichere Bindung. Hoffen wir es.  Es tut weh, dass was schief gegangen ist, obwohl man informiert war, obwohl therapiert war. Aber eine Mutter kann im ersten Babyjahr nicht auch noch für sich selbst Therapeutin spielen, da muss schon die Gesellschaft auch bisschen mitverantwortlich gemacht werden.    Ich wünsche uns allen mehr Wertschätzung den Müttern und der Mutterschaft gegenüber. Dann werden auch die vielen unbehandelten Wochenbettdepressionen endlich besser erkannt und das hilft unseren Babys!!!   Falls mich jemand trösten kann, sage ich nicht nein 👻

von Mecki23 am 17.07.2023, 20:25



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