Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Ambivalente Bindung oder ängstliches Kind?

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Ambivalente Bindung oder ängstliches Kind?

März2016

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Hallo Herr Dr. Nohr, seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken, ob ich etwas falsch gemacht habe was die Bindung zu meiner Tochter betrifft, oder ob sie einfach ein sehr sensibles, eher ängstliches, Kind ist. Unsere Tochter kam 4 Wochen zu früh, benötigte aber keinerlei medizinische Versorgung, so dass sie von Anfang an von mir und meinem Mann betreut werden konnte. Ich stille sie jetzt mit 16,5 Monaten noch immer. Einschlafstillen und nachts kommt sie noch häufig an. Sie schläft mit im Elternbett. Ich habe sie nie schreien lassen. Allerdings fing es mit ca 3,5 Monaten an, dass sie nur weinend im Schlaf gefunden hat, egal ob sie getragen, im Kinderwagen war, Hängematte, Auto oder gestillt wurde. Wir haben einfach keine Lösung gefunden. Die babytrage funktioniere an der frischen Luft nach 1-2 Monaten gut ohne Weinen. Also habe ich sie tagsüber fast jeden Tag 5 Stunden für ihre Schläfchen getragen. Abends war es trotzdem häufig ein „Drama“ trotz Einschlafstillens. Natürlich war ich auch häufig mit den Nerven am Ende, habe aber versucht mir das nicht anmerken zu lassen. Mit 4 und 9 Monaten mussten wir mit ihr ins Krankenhaus (einmal eine überwachungsnacht aufgrund einer darminvagination und einmal 1,5 Wochen aufgrund ständigen Erbrechens beim Essen). Die Ärzte dort waren wenig zimperlich mit ihr und sie hat sehr dolle geweint bei den Untersuchungen. Auch bei allen anderen ärztlichen Untersuchungen ist kaum etwas mit ihr anzufangen, da sie sofort anfängt hysterisch zu schreien. In der Zwischenzeit schon, wenn wir die Arztpraxis nur betreten. Sie hatte bis zum Alter von 4 Monaten eine bevorzugte Seite und einen abgeflachten Kopf. Mit chiropraktischer Behandlung ab dem 4. Monat ist dies allerdings so gut wie weg gegangen. Sie hat sehr stark gefremdelt (ein Blick von „Fremden“ reichte schon und sie hat geweint) und ist auch ansonsten eher sehr anhänglich. Den Papa lässt sie langsam sehr gut zu, es sei denn sie ist müde oder hat schmerzen, dann muss es Mama sein. Es kommt immer noch häufiger vor, dass sie im Kinderwagen sitzt und ich mich mit jmd unterhalte und sie weint dann plötzlich los. Wenn wir allerdings zb bei Bekannten mit anderen Kindern sind, dann braucht sie so 15 Minuten bei mir und krabbelt dann selbstständig durch die Wohnung. Zuhause möchte sie schon häufig zu mir auf dem Arm, häufig aber auch um mich zum Beispiel in die Küche zu delegieren (diese ist vom Wohnzimmer per Treppe getrennt). Sie selbst geht noch nicht, weshalb wir mit 12 Monaten (da fing sie grad an sich hochzuziehen) bei einer Orthopädin waren, die sich viel Zeit genommen hat, so dass ohne Geschrei zb sogar die Reflexe getestet werden konnten. Einschlafen klappt immer noch nur mit Brust oder jetzt auch im Kinderwagen, beides aber ohne weinen. Die Oma kann sie auch ganz gut betreuen, allerdings schwankt das. Wenn sie zb zahnt oder müde ist, dann klappt es wie beim Papa nur bedingt gut (ich muss dabei bleiben). Ist alles in Ordnung kann ich auch ohne Probleme den Raum verlassen. Sie redet schon seit 3 Monaten, in der Zwischenzeit ziemlich viele Worte und wendet sie auch richtig an. Selten schon 2 Wort Sätze (Mama Tisch; Du auch). Vom Gefühl her ist sie sehr schmerzempfindlich. Ich frage mich derzeit, ob sie einfach nur sensibel/ängstlich) ist oder ich zb durch das „Brustaufdrängen“ beim Einschlafen (nur so hab ich sie irgendwie beruhig bekommen), die Arztbehabdlungen oder durch mein Gestresstsein teilweise eine ambivalente Bindung hervorgerufen habe. Wie ist ihr Eindruck durch die Erzählungen? Ich kenne kein Kind, was so ängstlich / anhänglich ist wie unsere Tochter. Vielen Dank für Ihre Zeit und ihren Rat. Wenn Sie weitere Informationen brauchen, lassen Sie es mich wissen.


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Hallo, ich kann aus ihrem Text keine eindeutigen Hinweise auf eine Bindungsstörung entnehmen. Was sie beschreiben, die Nähe zu ihnen besonders in stress-situationen, der wachsende Kontakt zum Vater, der Kontakt zur Oma, spricht doch eher für eine gute Bindung. Geben sie ihr was sie braucht und achten dabei auch immer wieder darauf, wie das für sie , die Mutter, ist. Wie schaffen sie es, häufig nachts zu stillen und wie belastend ist das? Da kann man jetzt auch langsam andere Angebote machen. Auch beim Einschlafritual ist es wichtig zu sehen, was es für Sie, die Eltern, das Kind bedeutet. Alle sind die Familie und sollten beachtet werden. Das gilt auch für die Zukunft. Ängstlichere Kinder gibt es, ich würde aber in diesem Alter noch nicht davon sprechen wollen. Und auch bei diesen ist die sichere Bindung die Grundlage für die weitere Entwicklung. Dr.Ludger Nohr


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