Liebe Frau Henkes,
Meine Tochter ist 3,5 Jahre alt und hat meine Eltern noch nie kennengelernt.
Ich selber hatte mit ihnen eine schwierige Vergangenheit, weshalb ich vor 15 Jahren den Kontakt abbrach und eine mehrjährige sehr aufwendigeTherapie machte, die mir sehr geholfen hat.
Nun fragte mich neulich meine Tochter, beim Buchlesen, "Wo ist denn DEIN Papa?", was mich "kalt erwischt" hat.
Nun kann es sein, dass sie bald nochmal fragt und ich möchte vorbereitet sein.
Ich habe, durch meine Eltern, eine lange Reihe an Entwicklungs-/Bindungstraumata sowie Gewalttraumata körperlicher Natur hinter mir und ich möchte das meiner Tochter selbstverständlich nicht erzählen.
Wie kann ihr das mit dem Kontakt erklären, ohne sie anzulügen?
Mir ist wichtig dass es eine "nachhaltige" Erklärung ist, da das sehr wahrscheinlich in den kommenden Jahren öfter Thema sein wird. Spätestens in der Grundschule wird sie sicherlich eine sehr genaue Erklärung haben wollen.
Was kann ich meiner Tochter in diesem Alter sagen, warum es keinen Kontakt gibt?
Das zweite Thema was mich beschäftigt ist, dass ich vorhabe, ca. 2 Mal pro Jahr den Kontakt zwischen meiner Tochter und meinen Eltern (NUR in meiner Anwesenheit) zuzulassen. Obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass meine Tochter von dieser Beziehung profitieren würde. Meine Eltern sind mittlerweile älter und äußerlich sieht man ihnen, bei genauerem Hinschauen, ihre psychischen Krankheiten an (Narzissmus, Depression, Alkoholismus, mentale Abwesenheit und und und). Ich denke meine Eltern würden, sollte es zu einem Kontakt kommen, äusserlich so tun, als wäre alles in Ordnung. Ich habe sie nämlich in den 15 Jahren alleine 3 Mal getroffen, um zu schauen, wie sich die Situation für mich anfühlt und sie taten so als wäre alles ganz "normal".
Sie sind nicht zurechnungsfähig und meine Tochter bei ihnen zu lassen wäre grob fahrlässig. Der Kontakt würde nur in meiner Anwesenheit stattfinden.
Ich selber würde am liebsten nie wieder Kontakt zu meinen Eltern haben - aber ich mache mir innerlich "Druck", dass ich es meiner Tochter "schuldig" bin, dass sie weiss wer ihre Grosseltern mütterlicherseits sind. Ich habe Sorge, dass sie mir irgendwann, z.B. im Teeniealter, vorwirft, ich hätte ihr den Kontakt verwehrt nur weil ich selber keine gute Beziehung zu meinen Eltern habe.
Meinen Sie meine Tochter muss überhaupt ihre Grosseltern kennen? Oder muss das nicht zwingend sein und es reicht wenn ich ihr über die Jahre nur erkläre warum es keinen Kontakt gibt?
Was ist das Beste für ihre psychische Entwicklung hinsichtlich diesen Themas?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
von
blume2508
am 15.01.2024, 09:50
Antwort auf:
3,5 Jahre alt - Kontakt zu Grosseltern
Guten Tag,
ich finde es sehr wichtig, dass Sie Ihre Tochter nicht anlügen, ihr aber gleichzeitig nicht Ihre schlimmen Kindheitserfahrungen erzählen wollen. Sie können versuchen, ihr etwas allgemeinere Erklärungen zu geben, wie "Meine Eltern waren nicht nett zu mir, deshalb möchte ich sie nicht mehr sehen." oder "Sie haben mich nicht gut behandelt." o.ä.. Vor allem müssen Sie Ihrer Tochter diese Antworten nur geben, wenn sie von sich aus fragt. Mit zunehmendem Alter können Sie bei Anfragen Ihre Antworten präzisieren. Dann kann es wichtig werden, dass Sie Ihrer Tochter verdeutlichen, dass Sie Ihre Eltern nicht mehr sehen, weil Sie sich diese schlechte Behandlung als Erwachsene nicht mehr zumuten wollten. Das ist eine Form der Selbstfürsorge, die Ihre Tochter im Rahmen ihrer Identitätsentwicklung von Ihnen lernen kann. Dazu gehört auch, dass Sie Ihrer Tochter erklären, dass Sie auf keinen Fall wollen, dass Ihre Eltern zu ihr ebenfalls nicht nett sind. Sicherlich bieten sich im Laufe der Zeit Geschichten oder Märchen an, die Sie Ihrer Tochter vorlesen, in denen Sie das Thema der schlechten Eltern aufgreifen können. Dort kommen viele böse Könige oder Königinnen vor, die ihr Kind schlecht behandeln. Das Kind muss sich dann selber in Sicherheit bringen, was ihm immer gelingt. Im allgemeinen ist es für Kinder eine bereichernde Erfahrung, ihre Großeltern kennenzulernen und Kontakt zu ihnen zu haben. Bei Ihren Eltern vermuten Sie zurecht, dass es keine positive Erfahrung sein wird. Daher muss Ihre Tochter ihre Großeltern nicht kennenlernen. Sie müssen eine entsprechende Frage Ihrer Tochter jedoch nicht ablehnen. Jetzt können Sie sie noch auf später vertrösten. Später kann es sinnvoll sein, Ihre Tochter die Großeltern treffen zu lassen, damit daraus kein Geheimnis wird, das die Großeltern besonders interessant machen könnte. All das müssen Sie aber jetzt noch nicht entscheiden. Ihre Tochter wird sich weiter entwickeln; Sie werden souveräner in der Haltung zu Ihren Eltern. Im Laufe der Zeit entstehen dann möglicherweise Lösungen für diese Frage.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 15.01.2024
Antwort auf:
3,5 Jahre alt - Kontakt zu Grosseltern
Ich antworte nichtals Expertin, aber ich hatte als Kind eine ähnliche Situation, wie sie für deine Tochter besteht.
Die Großeltern haben sogar im gleichen Dorf gewohnt, aber es gab nie Kontakt mit meiner Mutter und den Großeltern. Sie stellte uns Kindern frei, wenn wir alt genug sind, Kontakt aufzunehmen - wir taten es dann als Jugendliche.
Am Ende muss man sagen, dass wir nichts vermisst haben und ich sehr dankbar bin, dass ich meine Mutter nie in einer bedrückenden Situation erleben musste (und es liest sich so, als wäre es für dich sehr unangenehm, die Eltern zu treffen). Ich würde sagen, dass man das einem Kleinkind nicht antun muss, egal welche Fragen es stellt. Es wird viel schwieriger sein, wenn es deine emotionale Notlage mitbekommt und dafür ja gar keine Handlungsmöglichkeiten hat. Vielleicht gibt es eine Alternative zu diesen Großeltern? Gute Freunde, die diir in deiner Kindheit eine Stütze waren und von dir als Kind erzählen können? Die warmherzig und engagiert sind. Und mit denen du gern Zeit verbringst?
von
Elessa
am 15.01.2024, 20:48