Was halten Sie von dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen?"

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Was halten Sie von dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen?"

Liebe Biggi Welter, was halten Sie von dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen?" LG Andrea

Mitglied inaktiv - 17.06.2002, 23:14



Antwort auf: Was halten Sie von dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen?"

? Liebe Andrea, Ich persönlich lehne die in dem „berühmten Buch" angepriesene Methode ab, wie übrigens die Mehrheit aller Stillberaterinnen. In meinen Augen führt diese Methode lediglich dazu, dass ein Kind früher oder später resigniert und deshalb schläft. Es kommt zu einem Vertrauensbruch (auch wenn das in dem Buch anders dargestellt wird). Es gibt auch keine langfristigen Untersuchungen, die die Unschädlichkeit der Methode belegen. Auch kenne ich mehrere Mütter, die zunächst einen Erfolg mit dem Schlaftrainigsprogramm erzielen konnten, später aber mit äußerst massiven Schlafproblemen bei ihren Kindern zu kämpfen hatten, die sich dann auch nicht mehr mit der Ferbermethode (das Buch beruht auf Prof. Ferber aus den USA) lösen ließen. Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass die Eltern sich als Versager fühlen. Die Vorschläge für junge Eltern sind zum Teil sehr eigen und fördern kaum die Ruhe in der Familie. Ich halte z.B. nichts davon, ein Kind, das an der Brust eingeschlafen ist, wieder zu wecken, damit Einschlafen und Stillen voneinander getrennt werden. Stellen Sie sich doch mal vor, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie gerade eingeschlafen sind und es weckt Sie jemand auf, nur weil Sie seiner Meinung nach anders einschlafen sollten. Jedes Kind wird zu seiner Zeit seinen Weg finden, ohne Brust und ohne Weinen einzuschlafen und wenn die Eltern diesen Punkt abwarten können, dann profitieren alle davon. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Selbstwertgefühls eines Kindes und dem Schreienlassen. Kinder, die schon als Babys gelernt haben, dass sie sich auf ihre Mutter (Vater) verlassen können, deren Bedürfnisse wahrgenommen und gestillt wurden, gehören später meist zu den Menschen, die in sich selbst ruhen, ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt haben (denn sie waren ihren Eltern etwas wert) und ausgeglichen durch ihr Leben gehen können. Babys drücken ihre Bedürfnisse durch schreien aus, sie haben noch nicht viele andere Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Lässt man ein Baby schreien, dann ignoriert man sein Bedürfnis (und ignoriert auch seinen Wunsch nach Kommunikation). Das Kind resigniert irgendwann und hat gelernt, dass es tun kann was es will, es ist den Eltern nicht „wert", dass sie darauf reagieren. Sicher hat ein solches Verhalten der Eltern keinen positiven Einfluss auf das Selbstwertgefühl des Kindes. Ach ja, das Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes und die Achtung vor dem Kind bedeuten nicht, dass Eltern sich von dem Kind tyrannisieren lassen, wie das die Verfechter des Schreienlassens häufig behaupten. Es gibt eine sehr gute Arbeit über das Thema Schlaf, die sich mit den Schlaftrainingsprogrammen beschäftigt und die sehr lesenswert ist. Sie heißt „Schlaf! Auf die Plätze - Fertig - Los. Eine kritische Auseinandersetzung zum Inhalt des Buches ‚Jedes Kind kann schlafen lernen‘" und kann bei der Autorin Barbara Walcher Walcher, (berros@dnet.it) bezogen werden. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens „Schlafen und Wachen - ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL-Stillberaterin (auch bei uns) erhältlich ist. LLLiebe Grüße Biggi Welter Buchbesprechung: „Jedes Kind kann schlafen lernen“ von A. Kast-Zahn und H. Morgenrot ISBN 3-9804493-0-0 DM 29,80 / ÖS 215,00 / SFR 29,80 Dieses Buch ist eine traurige Widerspiegelung unserer Gesellschaft im Umgang mit den Kindern. Keine Familie wird gefragt, wie liebevoll sie mit den Bedürfnissen ihres Säuglings umgeht. Im Gegenteil, wenn das Baby gerade wenige Wochen alt ist, kommt die scheinbar wichtigste Frage: „Schläft es schon durch?“ Für alle Eltern, die diese Frage mit „nein“ beantworten müssen, stellt sich sofort die nächste Frage: „Was haben wir falsch gemacht?“ Die ersten sechs Monate darf ein Kind nachts noch wach werden, aber dann muß es durchschlafen. So suggeriert es dieses Buch. Richtige Erkenntnisse über den kindlichen Schlaf werden mit Behauptungen vermischt: Kinder müssen ganz alleine einschlafen – ohne Mutterbrust, ohne die Eltern im Zimmer, ohne Schnuller und vielleicht auch noch ohne Schmusetier. Sie haben anscheinend keine Bedürfnisse (zu haben). Denn alles muß beim Aufwachen genauso vorgefunden werden – so die Autoren –, wie beim Einschlafen: die Brust würde aber weg sein, auch die Eltern würden nicht mehr im Zimmer neben dem Bett stehen, der Nuckel könnte aus dem Mund gerutscht und das Plüschtier vielleicht aus dem Bett gefallen sein. Deshalb darf auch nichts davon als Einschlafhilfe verwendet werden. Es kann natürlich sein, so meine ich, daß ein Kind, was so allein ist, auch schnell wieder in den Schlaf kommt, um dieser schrecklichen Situation zu entfliehen. Ist es das, was wir wollen? Die nächste fragwürdige Behauptung diese Buches: Kinder scheinen auch in den ersten Jahren ein Zeitgefühl zu haben. Denn es wird empfohlen, das Kind kontrolliert eine bestimmte Zeit (3, 5, 7, 10 Minuten) schreien zu lassen? Oder steht das deshalb so in dem Buch, weil es uns Eltern leichter fällt, das Kind schreien zu lassen, wenn wir nach einer bestimmten Zeit wieder zu ihm gehen dürfen? Ich denke, auf alle Fälle haben Kinder, die jünger als drei Jahre sind, kein Zeitgefühl. Selbst eine Minute kann für sie eine Unendlich-keit sein. Oft klappt das Ein- und Durchschlafen aber mit dieser Methode. Hat das Kind doch schlafen gelernt? Meiner Meinung nach hat es zumindest etwas anderes gelernt: Mir kann es schlecht gehen, und ich kann schreien: es kommt doch keiner. Es wird in einen depressiven und traumlosen Tiefschlaf fallen. Das bedeutet auch den Verlust des Urvertrauens mit Auswirkungen bis in das Erwachsenenalter. Sollte dies vielleicht ein Grund für die vielen Schlafstörungen in unserer Generation oder der unserer Eltern sein? „Jedes Kind kann schlafen lernen“ – ich meine: jedes Kind lernt schlafen. Und zwar dann, wenn es für das jeweilige Kind der richtige Zeitpunkt ist. Bis dahin brauchen die Kinder Begleitung in den Schlaf. Noch immer wissen wir nicht genau, was beim Einschlafen passiert, was sich in unserem Gehirn abspielt, daß wir am nächsten Morgen regeneriert aufwachen. Wir können unsere Gedanken bahnen, indem wir beim Einschlafen an beruhigende Dinge denken. Ein Kleinkind kann das jedoch nicht. Es ist auch nicht möglich, mit Absicht immer zu einer bestimmten Zeit wach zu werden. Wäre es so, bräuchte man keine Wecker auf dieser Welt. Natürlich benötigen viele Eltern Rat, Unterstützung und Begleitung, wenn sie ein schlecht schlafendes Kind haben. Aber ich bezweifle, daß dieses Buch diesen Eltern auf Dauer ernsthaft helfen kann. Einige Beispiele aus dem Buch sollen das deutlich machen: 1. „Erfahrungen aus der Kinderarzt-Praxis“ (Seite 12) Die Eltern schlafen mit ihren Zwillingen in einem Raum und müssen jeden Abend für die Nacht 17 Fläschchen fertig machen. – Wie schrecklich, vielleicht hätte es geholfen, ein Familienbett zu organisieren? 2. „Welche Probleme können auftreten?“ (Seite 90): Das Kind von 12 Monaten erbricht, um seine Eltern zu erpressen. – Welche massiven Störungen in der Eltern-Kind-Beziehung müssen vorliegen, wenn ein Kind in dem Alter dazu in der Lage sein sollte? Dieses Buch allein kann den Eltern aus dieser Situation bestimmt nicht heraushelfen. 3. „Schmerzen“ (Seite 140): Es wird den Eltern empfohlen, dem Kind zum Einschlafen ein Fieberzäpfchen zu geben. Es könnte ja Schmerzen haben, auch wenn nichts gefunden wurde. – Das ist der erste Schritt, alle Probleme mit Medikamenten beseitigen zu wollen und zu einer späteren Medikamenten-Abhängigkeit. Fazit: Schade für all diejenigen, die fast 30,– DM für dieses Buch ausgegeben haben. Die Investition in das Buch der La Leche Liga „Schlafen und Wachen“ von W. Sears wäre weitaus lohnender gewesen, auch wenn darin keine Patentrezepte zu finden sind. Es gibt nämlich keine! Leider ist das Buch der La Leche Liga kaum in einer Buchhandlung zu finden. Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC

von Biggi Welter am 18.06.2002



Antwort auf: Was halten Sie von dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen?"

Uupps ! Sorry! Bin im falschen Forum gelandet. o.T.

Mitglied inaktiv - 17.06.2002, 23:18



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