Hallo Herr Dr. Costa,
ich habe mehr eine Bitte bzw. Anmerkung als eine Frage. In Ihrem Forum bin ich über das Stichwort "Stillen in der Schwangerschaft" auf Ihren folgenden Rat gestoßen:
"Mit dem Stillen sollten Sie aufhören, wenn Sie nun schwanger sind. Stillen kann Gebärmutter-Krämpfe verursachen und aus diesem Grund ist das nicht empfehlenswert. Abstillen kann man ganz natürlich, indem man zufüttert und immer seltener stillt. Medikamente brauchen Sie dafür nicht."
siehe http://www.rund-ums-baby.de/ernaehrung_schwangerschaft/stillen-in-der-schwangerschaft.htm
Das bedarf aber einer leichten Korrektur, gerade im Sinne von unerfahrenen, stillenden Schwangeren.
In der Schwangerschaft muss man nicht unbedingt mit dem Stillen aufhören.
Die aktuelle Empfehlung von Stillberaterinnen lautet wie folgt (vielleicht kann man ja diesen Text stattdessen einfügen):
"Selbst wenn einige stillende Mütter stärkere und häufigere Kontraktionen während der Spätschwangerschaft spüren, scheinen diese keine Gefahr für das ungeborene Baby im Verlauf einer normalen Schwangerschaft darzustellen. Eine Studie ergab, dass Stillen keine negativen Auswirkungen auf den Verlauf der Schwangerschaft zu haben scheint (Moscone und Moore, 1993).
Außer dem Wunsch der Mutter abzustillen, gibt es nur wenige Gründe, während einer Schwangerschaft nicht weiterzustillen. Dazu gehören:
o Schmerzen in der Gebärmutter oder Blutungen;
o vorangegangene Frühgeburten;
o ununterbrochener Gewichtsverlust der Mutter im Verlauf der Schwangerschaft.
Dies kommt jedoch nur sehr selten vor. Stillen verursacht auch keine Blutungen.
Es gibt auch keine Beweise dafür, dass eine vorangegangene Fehlgeburt ein Grund zum Abstillen sei."
siehe auch http://www.rund-ums-baby.de/stillberatung/beitrag.htm?id=135042&suche1=schwangerschaft&seite=8
Das nur als kleine Anmerkung. Ich würde mich freuen, wenn sie Gehör findet ;-)
Grüße, Zuckerle
von
Zuckerle
am 15.01.2013, 11:04
Antwort auf:
Stillen in der Schwangerschaft
Vielen Dank für die Anmerkungen.
Sicherlich werden auch Sie wissen, dass die WHO 6 Monate volles Stillen und bis zu 2 Jahren Teilstillen empfiehlt. Das ist aber eine Empfehlung für die ganze Welt und sie stellt somit einen Kompromiß dar. In Ländern Afrikas, in denen die meisten Kinder hungern und auch verhungern, stellt das Stillen eine lebensrettende Maßnahme dar. Bei uns nicht.
Die von Ihnen erwähnte Studie ist genau 20 Jahre alt und sie ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Ich darf hier mal die Zusammenfassung der Studie zitieren:
Moscone SR, Moore MJ. Breastfeeding during pregnancy.J Hum Lact. 1993 Jun;9(2):83-8
Questionnaire data were gathered on the experiences of 57 women who were concurrently pregnant and breastfeeding. Respondents provided information on nursing and weaning patterns, informational and emotional support, and pregnancy history. The main reasons given for continued breastfeeding after conception were the emotional needs of the child or child-led weaning. Forty-three percent of the children continued to breastfeed throughout the pregnancy and tandem nurse after the birth. Mothers who initiated weaning cited breast and/or nipple pain as the principal reason. Most weanings initiated by the children occurred during the
second trimester, corresponding with the diminution of breastmilk. The infants born to these mothers were healthy and appropriate for gestational age.
Im Klartext geht es hier um eine Fragebogen-Aktion bei 57 (sieben und fünzig) Frauen, die während der neuen Schwangerschaft das vorher geborene Kind stillten. Als Gründe gaben die Frauen an: "...the emotional need of the child..." Das heisst: "das Neugeborene wollte es so". Oder "Das Neugeborene hat das emotionale Bedürfnis"... 43% (also 24) der Schwangeren haben während der gesamten Schwangerschaft gestillt. Die Kinder dieser 24 Frauen waren gesund und ihr Gewicht entsprach dem Schwangerschaftsalter.
Wenn man diese Daten zusammenfasst, handelt es sich hierbei um eine sehr kleine und wissenschaftlich wertlose Untersuchung. Es sind Fragebögen, die Untersuchung ist "rückblickend", sozusagen auf der Erinnerung der Frauen beruhend, Kontrollen fehlen, nicht einmal eine Untersuchung der Schwangeren oder ihrer Kinder wurde durchgeführt.
Aufgrund dieser Studie kann man keine Schlüsse ziehen - weder für das Stillen in der nachfolgenden Schwangerschaft noch dagegen.
Als Frauenarzt und Geburtshelfer kenne ich keinen einzigen Grund, der für das sehr lange Stillen oder gar das Stillen während der neuen Schwangerschaft sprechen würde. Wenn jemand das trotzdem macht, muss sie nur wissen, dass die Stimulation der Brustwarze und die Ausschüttung bestimmter Hormone (u.a. Oxytocin) zu Wehen führen kann. Rezeptoren für Oxytocin gibt es schon frühzeitig in der Schwangerschaft und sie nehmen gegen Ende der Schwangerschaft zu. Man kann nicht ausschließen, dass das Stillen zu Frühgeburten führen kann.
Das sind die Fakten. Es ist mir bekannt, dass es Leute gibt, die sehr engangiert das sehr lange Stillen, auch das Stillen in der Schwangerschaft empfehlen. Warum - weiß ich nicht. Mit Medizin hat das jedenfalls nichts zu tun und wissenschaftlich ist das nicht begründet.
von
Prof. Dr. med. Serban-Dan Costa
am 15.01.2013