Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Unsicherheit wegen Schadstoffe

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Unsicherheit wegen Schadstoffe

Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi! Ich habe nun gerade im Internet gestöbert und habe mehrere Artikel gefunden, die von einer längeren Stilldauer abraten. Mein Baby wird nun seit 4 Monaten voll gestillt. Wieso hört man teilweise, dass man ruhig lange stillen kann und von anderen Seiten wieder, dass man die gesundheitlichen Auswirkungen bezüglich der Schadstoffe noch nicht abschätzen kann? Ich bin übrigens seit Geburt Vegetarier, stimmt es, dass dann die Schadstoffbelastung geringer ist? Ich möchte wirklich das Beste für mein Baby! Danke für deine Antwort Christine


Biggi Welter

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? Liebe Christine, das Problem bei den Informationen im Internet ist, dass niemand überprüft, ob das was da behauptet wird auch wissenschaftlich abgedeckt ist und auch nicht, ob die Informationen neu und aktuell sind, oder auf einem Wissen von vor vielen Jahren beruhen. Untersuchungen haben tatsächlich ergeben, dass die Milch vegetarisch lebender Mütter geringer mit Umweltschadstoffen, wie PCB, belastet ist, als die Milch anderer Mütter (Dagnelie 1992). Umweltgifte werden vorrangig in Fett gespeichert und vegetarische Ernährungsformen sind meist fettärmer als Ernährungsformen, bei denen mehr tierische Produkte gegessen werden. Dabei genügt es aber nicht, erst seit wenigen Monaten vegetarisch zu leben, sondern diese Ernährungsform muss schon seit einigen Jahren eingehalten werden. In der neuesten Ausgabe von "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" von Schaefer und Spielmann, (Juni 2001), steht unter dem Titel "Stillen trotz Umweltbelastung": "Die positiven Wirkungen des Stillens sind erwiesen. Eine Beeinträchtigung des Säuglingsa über die "normale" Kontamination der Muttermilch wurde bisher nicht festgestellt. Öffentlicher Druck aufgrund der ökologischen Einsichten hat dazu beigetragen, dass die Schadstoffkonzentration in den letzten Jahren tendenziell abnimmt. Dies wird z.B. eindrucksvoll bestätigt durch die Auswertung der jahrelang gesammelten Messergebnisse in der Frauenmilch- und Dioxin-Humandatenbank des deutschen BgVV-Institus (BgVV 2000 A). Es ist nicht mehr gerechtfertigt, die Stilldauer aufgrund der allgemeinen Schadstoffbelastung generell einzuschränken, wie dies noch vor 5 bis 10 Jahren empfohlen wurde." Es ist eine erfreuliche Tatsache, dass der Schadstoffgehalt der MuMi in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat, so dass Untersuchungen der MuMi schon lange nicht mehr notwendig oder empfohlen sind. Übrigens findet auch schon in der Schwangerschaft ein Schadstofftransfer zum Kind hin statt, ohne dass sich viele Frauen überlegen, ob sie deshalb vielleicht auf ein Kind verzichten sollten... Neuere Untersuchungen widerlegen auch die Theorie, dass die Schadstoffbelastung der Muttermilch durch eine rasche Gewichtsabnahme ansteigt. Frau Prof. Przyrembel, Leiterin der Nationalen Stillkommission sagte erst kürzlich in einem Artikel der Zeitschrift ELTERN: "..angesichts der stark verbesserten Schadstoffsituation können wir guten Gewissens allen Müttern raten, ihr Kind zu stillen, so oft und so lange sie wollen." Wir müssen damit leben, dass unsere Umwelt mit Schadstoffen belastet ist und damit auch alle Nahrungsmittel und leider auch die Muttermilch. Doch bisher gibt es keine wirklich nachgewiesenen Schädigungen des Kindes durch Schadstoffe in der Muttermilch und demgegenüber stehen die Risiken des Nicht-Stillens. Es ist natürlich in unserem Interesse und im Interesse unserer Kinder, dass wir versuchen Schadstoffen aus dem Weg zu gehen und auch selbst die Belastung unserer Erde so gering wie möglich zu halten. Stillen gehört zu den Dingen die wir tun können, um Schadstoffbelastungen zu vermeiden, denn es müssen weder Energie noch Wasser Rohstoffe besonders verbraucht werden, um ein Kind zu stillen, während die Herstellung von künstlicher Säuglinsnahrung ein industrieller Prozess ist, der die Umwelt belastet. Die WHO empfiehlt ausdrücklich für ALLE Kinder eine Stillzeit von bis zu zwei Jahren und darüber hinaus. Die Ernährungsempfehlungen der WHO sind (in englisch) nachzulesen unter www.who.int/chd/publications/newslet/diaglog/9/feeding_young_children.htm . Es steht in der Innocenti-Deklaration ausdrücklich, dass diese Empfehlungen für alle Kinder und nicht nur für Kinder in Drittweltländern Anwendung finden. Ich zitiere dir hier auch einmal aus dem Text „Wundertrank oder Giftcocktail? - Schadstoffe in der Muttermilch - ein Überblick" von Gabi Eugster aus „Laktation und Stillen" 1/2002: „Kein Zweifel, Muttermilch ist die beste Nahrung für ein Baby. Doch seit einigen Jahren wird die Freude am Stillen durch regelmässige Berichte über Umweltgifte in der Muttermilch getrübt. Die zentrale Frage lautet: Überwiegen die Vorteile des Stillens die Nachteile der Schadstoffbelastung? Fachleute, Gesundheitsbehörden und WHO sind sich einig: Stillen ist und bleibt im ersten Lebenshalbjahr die beste Nahrung für ein Baby. In regelmässigen Abständen geht ein Aufheulen durch die Presse: Muttermilch enthalte Schadstoffe, heisst es jeweils. In den Achtzigerjahren waren es die PCBs und Dioxine, Mitte der Neunzigerjahre die synthetischen Moschusduftstoffe, Ende der Neunzigerjahre die UV-Filter in Sonnenschutzmitteln und zur Zeit sind es in den USA die Flammschutzmittel. Das Thema wird in absehbarer Zeit wohl auch Deutschland, Österreich und die Schweiz erreichen. Je nach Einstellung des Blattes wird eine Beschränkung der Stilldauer gefordert und mit Expertenstimmen untermauert, oder das Stillen wird trotz allem empfohlen. Immer jedoch geht es um die Frage, ob denn Mütter ihren Kindern etwas Gutes tun, wenn sie diese stillen. Jedesmal werden Frauen massiv verunsichert und suchen Halt und Informationen in der Stillberatung. Sie werden von Zweifeln geplagt, ob sie ihr Kind noch guten Gewissens stillen dürfen, wie lange Stillen gut ist und ob sie ihre Muttermilch untersuchen lassen sollen. In der Stillzeit sind Mütter sensibel und das Vertrauen in ihre Stillfähigkeit kann leicht unterwandert werden." Erkennst Du deine Sorgen wieder? Hier noch ein weiterer Ausschnitt aus dem Artikel: „Muttermilch als Indikator Die vielfältigen Folgen und die weite Verbreitung der Schadstoffe zeigen, dass die Schadstoffbelastung der Muttermilch nur ein kleiner Aspekt eines globalen Problems ist. Denn ein Kind ist den Schadstoffen ausgesetzt, insbesondere auch pränatal, ob die Mutter stillt oder die Flasche gibt. Auch Flaschenmilchnahrung ist mit Schadstoffen belastet, wenn auch weniger stark als Muttermilch. Dabei darf aber das Wasser für die Zubereitung der Flasche nicht vergessen werden, denn dieses enthält meist ebenfalls Schadstoffe. Studien haben ergeben, dass sich gestillte Baby selbst in einer stark schadstoffbelasteten Gegend besser entwickeln, als Flaschenkinder. Stillen stärkt das Immunsystem und es wird heute angenommen, dass gestillte Kinder besser mit der Schadstoffbelastung fertig werden, dass Muttermilch die Babys gegen die Umweltgifte schützt. [26] Dass die Schadstoffbelastung der Muttermilch immer wieder ins Gespräch kommt, hat einen einfachen Grund: In der Muttermilch lässt sich die Belastung mit Umweltgiften beim Menschen einfach messen, ebenso der Verlauf der Giftbelastung über die Jahre. Muttermilchproben sind einfach zu gewinnen und spiegeln die Belastung der Mutter im Fettgewebe wieder. Für die Interpretation der Auswirkungen belasteter Muttermilch aufs Baby müssen zwei gegensätzliche Einflüsse beachtet werden: Auf der einen Seite ist das Baby besonders empfindlich auf Schadstoffe, sein Immunsystem ist noch nicht ausgereift, seine Darmwand noch durchlässiger. Auf der anderen Seite ist die Stillzeit verglichen mit einem ganzen Leben eine relativ kurze Zeit. Aufs ganze Leben betrachtet, ist die zusätzliche Schadstoffmenge, die durchs Stillen aufgenommen wird, verschwindend klein. Zwar wird der ADI-Wert (duldbare Tagesdosis) von Dioxinen und auch synthetischen Moschusduftstoffen kurzfristig überschritten, diese Werte wurden jedoch so berechnet, dass ein Mensch ein Leben lang diesen Dosen ausgesetzt wird. Untersuchungen über die Auswirkungen der Muttermilch sind uneinheitlich. Die einen zeigen, dass die Schadstoffmenge im Fettgewebe von gestillten Säuglingen höher ist, als jene der Flaschenkinder, dass diese Unterschiede aber bereits zehn Wochen nach Abstillen nicht mehr nachweisbar sind [3]. Eine andere Studie zeigte bei mit stark PCB belasteter Muttermilch gestillten Kindern auch noch im Alter von 42 Monaten Defizite in der Entwicklung auf. Die Autoren relativieren jedoch diese Ergebnisse gleich selbst und stellen fest, dass emotionale und verbale Zuwendung durch die Mutter die Defizite durch PCB ausgleichen. Stillen fördert jedoch genau diese positive Beziehung zwischen Mutter und Baby. [28] WHO und Unicef empfehlen ausschliessliches Stillen für Säuglinge während der ersten sechs Lebensmonate aus ernährungsphysiologischen, immunologischen, psychologischen und ökonomischen Gründen. Diese Empfehlung ist auch in Anbetracht der untersuchten Schadstoffmengen in den westlichen Ländern uneingeschränkt gültig. Selbst in den Entwicklungsländern, in denen die aufgenommene Menge von DDT durch gestillte Babys um ein vielfaches über dem ADI liegt, wird Stillen mangels einer Alternative von der WHO weiterhin empfohlen. Es wurden auch in diesen Ländern bis heute keine Erkrankungen festgestellt, die alleine auf die erhöhte Aufnahme während der Stillperiode zurück geführt werden können. [29]" Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Belastung der Muttermilch mit Schadstoffen rückläufig ist und zu einem gewissen Teil, kann jede Frau darauf Einfluss nehmen, indem sie auf bestimmte Dinge verzichtet (z.B. Kosmetika und Waschmittel mit Moschuverbindungen) und sich bewusst ernährt. Ich hoffe, diese Antwort hat dich nicht noch mehr verwirrt. Nach wie vor gilt jedoch „Breast ist best". LLLLiebe Grüße Biggi


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bist du seit deiner geburt vegetarier oder seit geburt deines kindes ?! ich esse seit 13 jahren kein fleisch und kaum tierische nebenprodukte, mir wurde gesagt das es erst auswirkungen auf die schadstoffbelatsung der muttermilch hat wenn man dies über mehrere jahre praktiziert. sonst kannst du es auch lassen, so bringt es deinem kind wenig. das habe ich von meinem hausarzt, der das extra für mich recherchiert hat, daher ohne gewähr :-) lg may


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