Hallo, meine Tochter ist 20 Monate und ich stille und stille und stille....
Sie hatte schon Phasen da stillte ich nur noch zum Ein-und Weiterschlafen. Und jetzt.... immer wieder auch vormittags und gerne gegen Abend wenn ihr Akku leer läuft.
Und mich nervts ein bisserl. Kann es ihr aber auch nicht verwehren, da sie dann sehr weint. Eine Bekannte meinte, sie braucht Grenzen sie hätte mich im Griff. Bin jetzt unsicher ob es so ist oder ob ich ihr einfach die Zeit geben muss, bis sie soweit ist nicht mehr sovielzu stillen.
Sie ist viel mit mir zusammen, bei der Oma mal eine Stunde, bei der Nachbarin mal 10 Minuten und dann weinen nach Mama. Mein Mann ist viel beruflich weg, sodass er nur am Wochenende Zeit hat und dann machen wir gemeinsam was. Ich habe bei Dr. Posth über Loslösung gelesen und mir wird Angst wenn ich sehe, was es da für Störungen gibt, wenn die Ersatzbezugsperson nicht viel Zeit hat. Ist die Loslösung von der Mutter nicht ein natürlicher Prozess der sich auch selber regelt?
Muss ich mich vermehrt zurückziehen damit sie sich von mir löst? Oder macht ihr das Angst und sie klammert noch länger an mir? Sie ist ja erst 20 Monate.Ist es da nicht normal wenn das Kind noch sehr auf die Mutter fixiert ist? Sie merken ich lasse meinen Gedanken freien Lauf auch wenn es nur am Rande mit dem Stillen zu tun hat.
Können Sie mir ihre Sicht, ihr Wissen und ihre Erfahrung mitteilen?
Vielen Dank
von
sternßßß
am 25.08.2011, 21:38
Antwort auf:
Muss ich mich von meinem Kind zurückziehen wegen der Loslösung?
Liebe sternßßß,
das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby.
Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das "Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden.
Wie schnell oder langsam das Kind dann seine Fühler ausstreckt und Kontakt zu anderen aufnimmt und dort Bindungen knüpft ist ebenso wie das Laufenlernen oder Sprechen von Kind zu Kind verschieden. Jedes Kind hat da seinen eigenen Zeitplan.
Du würdest niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn Du weißt, dass sie dadurch verkümmern oder sogar sterben würde. Genau so wenig können wir an unseren Kinder "ziehen", um ihre Entwicklung zu beschleunigen.
Keine Angst, dein Kind wird weder ein "Muttersöhnchen" noch ein ewig unselbstständiger Mensch, sondern Du legst jetzt den Grundstock für einen in sich ruhenden, selbstbewussten und selbstständigen Menschen.
Der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs Fakt. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Die Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde).
Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind.
Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase, aber dein Kind spürt jetzt deine Unsicherheit und das ist etwas, was Kinder extrem schlecht vertragen. Kinder brauchen Klarheit und Zweifel sowie Unsicherheit der Eltern verwirren sie und beeinflussen ihr Verhalten, so dass sie z.B. besonders klammern oder eben sehr lange und häufig an der Brust trinken. Das Problem ist nicht das Stillen - das in diesem Alter außerdem noch vollkommen normal ist, denn statistisch gesehen findet ein selbstbestimmtes Abstillen meist irgendwann zwischen dem zweiten und dem vierten Geburtstag statt - sondern der Druck, der von außen auf dir lastet.
Kennst Du noch andere langzeitstillende Mütter im realen Leben? Ich denke, dass dir der Austausch mit anderen Eltern von langzeitgestillten Kindern sehr gut tun würde.
LLLiebe Grüße,
Biggi
von
Biggi Welter
am 25.08.2011