Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Geplante Schwangerschaft/Stillzeit und Escitalopram

Frage: Geplante Schwangerschaft/Stillzeit und Escitalopram

Libelle85

Beitrag melden

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, ich plane eine Schwangerschaft. Seit mehreren Jahren nehme ich 20 mg Escitalopram täglich ein wegen Angst/Depression und komme gut damit zurecht. Kann ich dieses Medikament in dieser Dosis während der Schwangerschaft einnehmen? Wäre eine Dosisreduktion in einem bestimmten Schwangerschaftsstadium sinnvoll? Wie sollte ich Ihrer Meinung nach konkret bezüglich der Einnahme verfahren, um die Risiken für das Ungeborene möglichst gering zu halten? Einerseits habe ich große Bedenken das Medikament in der Schwangerschaft einzunehmen, auf der anderen Seite möchte ich auch keine Krise riskieren. Wie sieht es bezüglich Stillen aus? Wäre es in Anbetracht der Dosis der Medikation angezeigt, gänzlich auf das Stillen zu verzichten und stattdessen auf Flaschennahrung umzusteigen? Ich möchte das Baby keinem unnötigen Risiko aussetzen. Vielen Dank für Ihre Antwort.


Dr. Wolfgang Paulus

Dr. Wolfgang Paulus

Beitrag melden

Bei Escitalopram handelt es sich um das linksdrehende Enantiomer von Citalopram. Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 2.701 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Citalopram enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 4,4% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007). Nach vorgeburtlicher SSRI-Medikation wurden bei Neugeborenen in einigen Fällen vorübergehende Anpassungsstörungen wie Zittrigkeit, Übererregbarkeit und erhöhter Muskeltonus beobachtet. Daher sollte in den ersten Lebenstagen auf entsprechende Symptome geachtet werden. Bei Bedarf wäre die Fortsetzung der Medikation mit Escitalopram in der Schwangerschaft durchaus vertretbar. Bei moderater Tagesdosis (5 – 10 mg) wären auch keine gravierenden Anpassungsstörungen beim Kind nach Geburt zu befürchten. Eine neuere Übersichtsarbeit sieht – wenn überhaupt – allenfalls ein geringes Risiko von weniger als 1% für die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie des Feten bei mütterlicher Therapie mit SSRI in der zweiten Schwangerschaftshälfte. Ein Verzicht auf eine erforderliche Behandlung der Mutter in der Spätschwangerschaft erscheint daher nicht sinnvoll ('t Jong et al 2012). Wenn Sie bei Eintritt der Schwangerschaft 20 mg Escitalopram benötigen, wäre das akzeptabel. Gegen Ende der Schwangerschaft wäre eine etwas niedrigere Tagesdosis (z. B. 10 mg pro Tag) vorteilhaft. nter einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg wurde bei acht stillenden Müttern ein Übergang des Wirkstoffes Escitalopram bzw. seines Metaboliten Desmethylcitalopram auf den Säugling in einer Größenordnung von 3,9% bzw. 1,7% der mütterlichen Dosis registriert. Damit lag die kindliche Belastung um ca. 40% niedriger als bei vergleichbarer mütterlicher Behandlung mit Citalopram. Die acht Kinder entwickelten sich bei mütterlicher Therapie zwischen 23 und 240 Tagen unauffällig (Rampono et al 2006). Eine Mutter stillte ihren Säugling unter täglicher Einnahme von Escitalopram 20 mg und Reboxetin 4 mg. Die über 24 Stunden gesammelten Milchproben ergaben eine gewichtsadaptierte kindliche Exposition Dosis von 4,6% der mütterlichen Dosis. Der Säugling wies im Alter von 9 ½ Monaten eine normale Entwicklung bezüglich Gewicht und neurologischem Status auf (Hackett et al 2006). Einer stillenden Mutter wurde wegen beginnender Depression drei Wochen nach der Geburt zunächst 10 mg Escitalopram, später 20 mg pro Tag verabreicht. Im Alter von 4 Monaten wurde der Säugling wegen Übererregbarkeit, Erbrechen und Fieber in die Kinderklinik eingewiesen. Die Mutter gab anhaltendes Schreien bereits in den drei vorangegangenen Monaten und eine Gewichtszunahme von lediglich 400 g nach der Geburt an. Laborchemisch stellte man einen moderaten Anstieg der Leberenzyme fest. Nach Reduktion der Stillmahlzeiten normalisierte sich das Befinden des Säuglings sowie der Laborwerte. Die Autoren sehen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Einnahme von Escitalopram und den kindlichen Beschwerden (Merlob 2005). Eine andere Kasuistik beschreibt eine unauffällige kindliche Entwicklung unter mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag ab dem 15. Tag nach Geburt. Die kinderärztliche Untersuchung im Alter von drei Monaten ergab keine Auffälligkeiten des voll gestillten Säuglings (Gentile 2006). Nach mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag während Schwangerschaft und Stillzeit wurde ein Säugling im Alter von 5 Tagen wegen nekrotisierender Enterocolitis in die Kinderklinik aufgenommen. Die Autoren sehen einen Zusammenhang mit der Beeinflussung der Thrombozytenaggregation durch Escitalopram (Potts et al 2007). Eine Kasuistik berichtet von einem übererregbaren Säugling, der jeweils zwei Stunden nach dem Anlegen (5 bis 6 Stunden nach mütterlicher Einnahme von Escitalopram) schrill schrie. Bei Veränderung des Einnahmezeitpunktes verschob sich auch der Zeitraum der Schreiphase um denselben Zeitabstand. Die kindlichen Symptome verschwanden mit zunehmendem Ersatz der Stillmahlzeit durch Flaschennahrung (Schaefer et al 2009). Grundsätzlich ist die Gabe von Escitalopram in möglichst moderater Dosis durchaus mit dem Stillen vereinbar.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.

Ähnliche Fragen

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus,   ich habe eine Tagescreme geschenkt bekommen, die allerdings Retinol enthält. Ich stille meinen 13 Wochen alten Sohn noch voll. Kann ich diese verwenden? Darf Retinol in Kosmetik während der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden?  Außerdem leide ich unter Migräne. Nun wurde mir Botox empfohlen. D ...

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, mein Sohn ist 20 Monate alt und wird zur normalen Ernährung noch gestillt.  Nun eine Frage: Kann ich in der Stillzeit mit weißer Farbe von Sto Wände streichen? Und wie sieht es mit einer dieser Farben aus? Der Hersteller betont, ohne schädliche Inhaltsstoffe auszukommen. https://www.misspompadour.de/p/littlepomp ...

Mein Gyn empfiehlt mir eine HPV Impfung machen zu lassen, mein Kind ist nun ein Jahr und stillt nach Bedarf noch relativ häufig tagsüber(3-4mal) und nachts ebenso. Von meinem Alter her sollte ich die Impfung nun möglichst bald machen lassen wegen der Kostenübernahme der Krankenkasse, meine Frage nun ist diese Impfung während der Stillzeit unbedenk ...

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, ich habe leider gleich mehrere Fragen zur Einnahme verschiedener Präparate während der Stillzeit, ich bin nicht so richtig fündig geworden. Mein Baby ist nun 10,5 Monate alt und wird noch mehrfach nachts gestillt, tagsüber idR nur noch ein mal. Spricht etwas gegen den Einsatz von 1. Ceres Alchemilla Urtinktu ...

Hallo Herr Dr. med. Paulus, ich habe derzeit eine Zahnfleischentzündung und muss laut meiner Ärztin Amoxicillin einnehmen. Gleichzeitig leide ich unter einer Gastritis, die ich momentan mit Gaviscon Advance und Rennie zu lindern versuche, da ich möglichst auf Omeprazol oder Pantoprazol verzichten möchte. Ich bin mir nun unsicher, ob Amoxicil ...

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, Ich weiß, die Datenlage ist dünn, aber würden Sie, wenn Sie die Wahl hätte lieber Vermox (in der SS laut Embryotox Mittel der Wahl) oder Helmex (mein Gedanke: für Babys ab 6. Monaten geeignet) in der Stillzeit nehmen? Würden Sie es stillend lieber aussitzen unter strenger Hygiene und in Kauf nehmen, dass die fri ...

Sehr geehrter Dr. Paulus, Mein Sohn ist am 11.09.25 geboren und seit dem 10.08.25 habe ich versehentlich viel zu viel Vitamin B12 genommen. Ich habe Femibion genommen (enthält 4,5 Mikrogramm) und zusätzlich nochmal 1000 Mikrogramm von der Marke Ankermann. Als ich am 28.02.25 meinen Vitamin B12 Wert bestimmen hab lassen war dieser bei 545 pg/ml ...

Guten Tag, leider habe ich jetzt 4 Monate nach der Entbindung starken Haarausfall, auch an den Augenbrauen. Da ich stille, würde ich gerne wissen, ob folgendes Augenbrauenserum in der Stillzeit sicher ist: Wasser, PEG-400, MYRISTOYL PENTAPEPTIDE-7, PALMITOYL HEXAPEPTIDE-12, GANODERMA SINENSIS EXTRACT, ROSMARINUS OFFICINALIS EXTRACT, PANAX ...

Hallo Herr Dr. Paulus, darf man folgende Präperate während der Stillzeit (Neugeborenes) nehmen:  - Synerga - Lactibiane Tolerance  - Sinupret forte  Synerga enthält 4,8% Alkohol. Ich würde aber nur einen Teelöffel am Morgen nehmen. Muss dann ein Abstand zur nächsten Stillmahlzeit eingehalten werden? Vielen Dank und viele Grüße 

Sehr geehrter Dr. Paulus, Ich hatte Ihnen letzte Woche geschrieben, weil ich über 3 Monate täglich 1000 Mikrogramm Vitamin B12 zu viel genommen habe (1 Monat in der Schwangerschaft und 2 in der Stillzeit). Sie haben mir geantwortet, dass trotz der Einnahme mein Wert im Normbereich lag und daher keine Schädigungen beim Baby zu erwarten sind. Ich ...