Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Mag nur Gläschen, mit 21 Monaten!!!

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Mag nur Gläschen, mit 21 Monaten!!!

Mitglied inaktiv

Hallo, ich wende mich jetzt mal an sie, alle anderen Befragten gaben mir bisher Tipps, die keinen Erfolg brachten. Vielleicht haben Sie noch eine Idee. Mein Sohn wird morgen 21 Monate alt und ich bekomme ihn absolut nicht von der Gläschenkost weg! Zu normalen Mahlzeiten zu hause ißt er nur Gläschen ab 12. Monat und auch nur Nudelmenüs. Unterwegs hingegen ist er in der Lage normale Kost zu sich zu nehmen, Brötchen mit Leberkäse, Pommes, Burger sind dann kein Problem... deswegen haben wir auch schon versucht, ihm diese Dinge zu hause zu geben. Pommes nimmt er auch ab und an. Aber alles andere kann man echt vergessen. Tricks, wie Selbstgekochtes in Gläschen füllen oder Selbstgekochte Nudeln mit Gemüse-Gläschen mischen, sind alle fehlgeschlagen. Er ist ein sehr heikler Esser, am liebsten würde er nur Nudeln mit Spinat oder Tomatensauce essen. Kartoffeln hat er noch nie gegessen, immer nur ausgespuckt...(Äpfel hingegen ißt er am liebsten im Ganzen mit Schale und Knäckebrot zieht er normalen Brot auch vor, also am beißen kanns wohl nicht liegen) ich bin langsam echt raslos....vielleicht haben Sie eine Idee? ich wäre sehr dankbar.


Birgit Neumann

Birgit Neumann

Hallo griefchen die Vererbung hat nach einer neueren Studie einen großen Einfluss auf das Essverhalten und vor allem auf die sog. Neophobie. Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem neuen, unbekannten Essen. Evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Bei euch scheint es so, dass die verschiedenen Speisen auch mit bestimmten Situationen oder Orten in Verbindung gebracht werden. So, nur das hilft dir jetzt auch nicht konkret weiter. Das Wichtigste wäre, dass euer Sohn neue Speisen probiert. Immer und immer wieder. Ausspucken erlaubt. Denn nur über das Probieren können neue Esserfahrungen gesammelt werden. Auf diesen Erfahrungen beruht genussreiches Essen und darauf basiert widerum die Appetisteuerung. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Appetitsteuerung viele Faktoren zusammenspielen. Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die individuelle Verdauung der Speisen, die u.a. von der mikrobiologischen Darmbesiedelung abhängt. Jedes Kind hat seine Favoriten. Dieses Herauszufinden, ist schon mal was wert Dazu ist es wichtig, dass ein Kind ein möglichst breitgefächertes Repertoire hat, aus dem schöpfen kann. Das bedeutet, dass möglichst viel probiert werden sollte. Manchmal ist so eine Situation nicht der Essenstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant etc Die Verdauung ist individuell verschieden. Was dem einen gut bekommt, kann beim anderen zu Unwohlsein führen. Deswegen mögen viele Kinder Gemüse oft weniger gerne essen. Gemüse hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe aber bringt (im Vergleich zu Obst) keine Sättigung. Die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe sind manchmal schwerer verdaulich. Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde, weil die Zubereitungsweise eine direkte Auswirkung auf die Verdauung/Verdaulichkeit hat. Mit viel Fett (z.B. Rahmspinat) werden Ballaststoffe verträglicher. Ketchup bspw. hat einen hohen Zuckeranteil. Die Säure wird abgemildert und Kalorien kommen hinzu. Erbsen haben von Natur aus einen leicht süßlichen Geschmack. Pizza ist auch fettreicher wegen dem Käse und Öl. Deswegen akzeptieren Kinder oft mit Gemüse belegte Pizza. Und hier noch ein Denkanstoss: könnte es sich um einen Machtkampf bzw um ein Verhalten handeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Das könnte zum Selbstläufer geworden sein. Frag doch mal Frau Schuster in ihrem Forum, hier bei rub, ob sie eine Idee hat. Gib deinem Kind Zeit und vertrauter, geliebte Speisen und ab und an mal Neues. Das muss dann auch keine grosse Portion sein. Ein einziges winziges Stückchen sei schon ein Erfolg. Das Kind sollte Kauen, verschiedene Konsistenzen kennenlernen. Merken, dass ein und das selbe Gericht jedesmal geschmacklich etwas variieren kann. Dass verschiedene LM unterschiedlich sättigen. Dass es kleine und grosse Nudeln gibt, die aber jedesmal in gleicher Weise verdaut und vertragen werden. ass deinen Sohn auch mal zwischendurch probieren, beim Kochen. Das bringt Neugier. Nicht erst warten, bis das Kind am Tisch sitzt und man erwartungsvoll dabeisitzt um zu sehen, ob das Kind denn diesmal etwas isst. Spielerisch das Essen anbieten das funktioniert oft gut. Ein Gesicht aus Gemüse legen, im Beisein des Kindes. Selber davon essen. Beim Gemüseschnippeln dem Kind etwas Rohes (niemals grüne Bohnen oder Kartoffeln, Kürbis) in die Hand drücken. Vielleicht beisst es mal ab. Und gib ihm die Dinge, die er isst, ohne weiter (weder enttäuscht, noch gefrustet, noch ärgerlich, noch erstaunt...) drauf einzugehen. Und vielleicht klappt es dann besser. Gruss Birgit


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