Frage:
Kind dienstlich allein lassen
Liebe Frau Ubbens,
mein Sohn ist im Oktober 2 Jahre geworden. Ich stille ihn noch am Abend und in der Nacht. Ich arbeite in einer Förderschule mit geistig mehrfachbehinderten Kindern und es steht eine Klassenfahrt an. Wir sind zwei Kollegen mit kleinen Kindern ( 1 und 2 Jahre alt ) und im Team einig, dass unsere Männer uns die Kinder abends in die JH bringen (alles wohnortnah 15 km Entfernung) ) und am morgen abholen um sie in die Kita zu schaffen. Im Team und in der Herberge ist dies alles abgesprochen, auch unser Chef hat zugestimmt, aber leider sehr zähneknirschend. Wir sollen ihm in den nächsten Tagen erklären, warum was nicht möglich ist, dass die Kinder von den Vätern betreut werden. In meinem Fall, meinte er, wäre es ein guter Zeitpunkt endlich abzustillen. Erstens finde ich dies übergriffig, zweitens hat erst die Industrialisierung in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass wir unsere Kinder nicht mehr so lang stillen. Viele viele Jahren haben wir das evolutionsmäßig anders gehandhabt. Haben Sie eine schöne Erklärung vielleicht von einer Bindungstheorie? Mein Sohn und auch das meiner Kollegin kennen es noch gar nicht von uns getrennt zu sein und dann sollen sie eine Woche ohne uns auskommen. WIR wären das Problem meinte mein Chef, wir Übermütter könnten nicht loslassen. So ein Quatsch. Ich kann gut loslassen, aber er ist er 2 und braucht mich eben am Abend. Mein Chef hat sich von seiner Frau getrennt als das Kind 1 1/2 war und sofort haben sie das einwöchige Wechselmodell angestrebt und es hätte super geklappt. Das nimmt er nun für uns als Reverenz. Was wäre Ihre Antwort, wenn sie erklären sollten, warum Ihr zweijähriges Kind eine Woche nicht ohne Sie auskommt? Ich habe aktuell keine Argumente mehr und es wurmt mich, dass er so drauf beharrt, dass es an uns liegt und wir die Kinder nur verwöhnen würden.
Freundliche Grüße
Nadin
von
nadin79
am 01.12.2022, 14:25
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Kind dienstlich allein lassen
Liebe Nadin,
Ihr Chef hat zugestimmt, somit bedarf es keinerlei Erklärung mehr. Meine Vorrednerinnen haben beide gut geantwortet. Eltern entscheiden letztendlich, ob ein Kind mit zwei Jahren noch gestillt wird. Dafür gibt es kein Richtig und kein Falsch. Das Argument / Gegenargument der Loslösung (Kind geht in Kita) ist von daher ganz passend.
Viele Grüße Sylvia
von
Sylvia Ubbens
am 01.12.2022
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Kind dienstlich allein lassen
Hallo,
ich glaube, Dein Chef versucht auf dieser Ebene, euch das "auszureden".
Darum ein praktischer Hinweis: Bedenkt, dass ihr eurer Aufsichtspflicht nicht uneingeschränkt nachkommen könnt, wenn eure kleinen Kinder nachts dabei sind. Und ja, auch nachts muss man dieser nachkommen.
In diesem Falle wäre es eher praktikabel, wenn eure Männer samt Kind mit dort übernachten würden, dass die Betreuung auch gewährleistet ist, wenn ihr nachts rausmüsst zu euren Schülern.
Zusätzlich gibt es ja keine Gewähr, dass eure Kinder den Ortswechsel locker mitmachen. Ihr zwei müsst aber morgens parat sein, mit den Schülern euer Programm zu machen. Auch von daher wäre es sinnvoll, die Männer kommen nachts mit.
Viele Grüße
von
Mamamaike
am 01.12.2022, 17:30
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Hallo Nadin,
mit der nächtlichen Betreuung stimme ich Mamamaike zu, dadurch fallen ja nachts 2 Betreuerinnen weg. Und auch wenn das restliche Team einverstanden ist, die Betreuung nachts ohne euch zu übernehmen, ist am Ende des Tages euer Chef derjenige, der zur Verantwortung gezogen wird, falls etwas Schlimmeres passieren sollte. Es gibt da ja auch eventuell gesetzliche Vorgaben zum Betreuungsschlüssel?
Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich gar nicht auf die Diskussion einlassen, warum ihr nachts stillt oder nicht abgestillt habt oder Ähnliches sondern ihn einfach direkt fragen, warum er ungerne zustimmt. Gibt es rechtliche Vorgaben zur Betreuung? Schätzt er die nächtliche Situation anders ein als ihr? Welche Bedenken hat er?
Wenn ihr euch tatsächlich auf eine Diskussion einlassen wollt, habt ihr meiner Meinung nach nicht die allerbesten Karten, vor allem wenn er sich mit Baby- und Kleinkindschlaf gut auskennt. Das ist der Klassiker mit dem Einschlafstillen, dazu bekommen die Schlafexpertinnen hier im Nebenforum regelmäßig Fragen von übernächtigten Frauen mit Kindern jeglichen Alters, die alle 2 Stunden nachts die Brust zum Weiterschlafen brauchen, weil sie immer in den Schlaf gestillt wurden. Da mit Bindung zu argumentieren finde ich schwierig, da geht es eher um fehlende Eigenregulation. Wenn nächtliches Stillen für eine gute Bindung essentiell wäre, wäre meine Tochter nicht gut gebunden. Ich konnte sie leider nicht stillen und nachts braucht sie mich im Normalfall überhaupt nicht, denn sie schläft durch. Und es gibt auch tagsüber gestillte Kinder, die ohne Brust einschlafen können und somit nachts durchschlafen, die brauchen ihre Mutter nachts auch nicht.
Also mit Bindung in Zusammenhang mit nächtlichem Stillen würde ich lieber nicht argumentieren. Ich würde eher darauf verweisen, dass eure Kinder bereits in der Kita sind, ihr also definitiv kein Loslösungsproblem habt. Das ist zwar keine Erklärung für die Notwendigkeit des nächtlichen Stillens, aber es entkräftet zumindest seine Behauptungen, ihr könntet euch nicht lösen.
von
Anna198
am 01.12.2022, 20:53
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Ja, zum Abstillen zu raten ist nicht ok. Das geht ihm nichts an. Jedoch habt ihr die Tür zu einem Gespräch darüber aufgemacht, indem ihr euer Privatleben zur Arbeit mitbringen wollt. Ich schätze, euer Chef hat nur zugestimmt, weil er sonst ein Personalproblem hätte u die Fahrt absagen müsste?
Das ist im Grunde gar kein Thema für eine Erziehungsberaterin, sondern einen Arbeitsrechtler.
Und ich würde sagen, rein rechtlich arbeitet ihr dort und die Betreuung eurer Kinder ist privat zu regeln - also durch die Väter in dem Fall. Was ist, wenn eure Kinder euch davon abhalten, euch um Probleme eines von euch zu betreuenden Kindes zu kümmern?
Dann habt ihr ein Problem - ihr habt dann eure Aufsichtspflicht gegenüber den euch anvertrauten Kindern (Arbeit) nicht erfüllt.
Sorry, aber als Chef würde ich das gar nicht erlauben.
Und als Mutter eines mehrfach behinderten Kindes würde ich ebenfalls erwarten, dass sich die Betreuer auch tatsächlich 100% um mein Kind bei einer solchen Fahrt kümmern können und nicht im Zweifel leider gerade ihr Kind bemuttern müssen.
Wie gesagt: das ist in 1. Linie ein arbeitsrechtliches Thema. Auch, wenn ihr das nicht hören wollt.
von
cube
am 01.12.2022, 22:40
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Liebe cube,
Ich stimme dir soweit zu, dass dies sich eine rechtliche Frage sein kann. Dann bitte aber neben der Betreuung und Haftung auch das Mutterschutzgesetz (umfasst auch stillende Mütter) mitbetrachten etc.
Eine rechtliche Einschätzung sollte meiner Meinung nach immer von Fachleuten getroffen und nicht von Laien geraten werden.
von
Tina_S_
am 02.12.2022, 15:19
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Davon abgesehen ist dies ein öffentliches Forum, wo eben auch Laien nach bestem Wissen & Gewissen antworten dürfen ;-)
Ähnliche Fragen gab es auch bereits im Rechtsforum/Frau Bader, wo auch auf die entsprechenden Probleme bzgl. Arbeit/Privat, Aufsichtspflicht etc hingewiesen wurde.
Wenn der Chef es erlaubt, ist es ja ok.
Ich persönlich würde es aber aus eben diesen Gründen nicht drauf ankommen lassen wollen, am Ende dann doch für etwas verantwortlich zu sein, weil ich nicht zu 100% meiner Arbeit nachkommen konnte.
Als AG würde ich eben daher (ja, ich bin AG) von vorne herein auch zum Schutz des MA´s einem solchen Vorhaben eben gar nicht erst zustimmen. Daher meine Vermutung, dass eurem Chef gerade auch dämmert, was er sich da im Zweifel einbrockt.
Ist nicht böse gemeint, aber sobald es irgendetwas von den Eltern der teilnehmenden Kinder zu meckern gibt, wird das ganz sicher - auch wenn zusammenhanglos - darauf geschoben werden.
von
cube
am 02.12.2022, 16:24
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Ich kenn mich nicht aus, was das Mutterschutzgesetz in Bezug auf Stillen betrifft. Aber nach dem was ich jetzt gelesen habe, sieht es dadurch eher noch schlechter aus. Nachtarbeit scheint für stillende Frauen komplett verboten zu sein, die Freistellung wird nach dem 1. Lebensjahr ebenfalls nicht mehr bezahlt. Und wenn man dann noch bedenkt, dass ihnen tagsüber ja auch nur sehr begrenzt Stillpausen zustehen, erscheint mir eine nächtliche Vollbetreuung der gestillten Kinder zeitgleich zur Beaufsichtigung der Schüler vollkommen ausgeschlossen.
Aber das war im Prinzip überhaupt nicht die Frage, gefragt wurde nach einer Bindungstheorie, die das nächtliche Stillen der Kinder unterstützt. Die Frage gehört also meiner Meinung nach weder ins Erziehungs- noch ins Rechtsforum, sondern zu Frau Henkes.
von
Anna198
am 02.12.2022, 19:40
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Zuerst muss aber eigentlich die Frage geklärt sein, ob die AP ein Anrecht darauf hätte, ihr Kind mitzunehmen bzw. ob das arbeitsrechtlich überhaupt ohne Probleme möglich wäre. Wenn ja, dann erst geht es darum ihn zu überzeugen, das er es auch mit Stillen etc erlaubt. Ist zumindest meine Meinung dazu.
von
cube
am 02.12.2022, 22:27
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Ein anderer Blickwinkel:
Ich habe noch nie erlebt, dass jemand gezwungen werden kann an einer Klassenfahrt teilzunehmen. Jede Lehrperson entscheidet selbst, ob sie dazu fähig ist und nur dann fährt sie mit.
Falls der Rektor mehr Druck macht, würde ich in den Raum stellen, an der Klassenfahrt nicht teilzunehmen. Inwiefern der Betreuungsschlüssel noch gegeben ist, entscheidet, ob alles abgeblasen werden muss. Wenn der Rektor nicht mit fairen Mitteln spielt, würde ich das auch nicht.
von
LunaLinchen
am 03.12.2022, 22:09
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Lehrer mit Beamtenstatus sind wohl dienstlich zur Durchführung von Klassenfahrten verpflichtet, den Status der Fragestellerin kennen wir nicht.
Aber nochmal: das war nicht ihre Frage, der Chef hat doch bereits sogar zugestimmt. Sie hat nach einer Bindungstheorie in Zusammenhang mit dem nächtlichen Stillen gefragt.
von
Anna198
am 04.12.2022, 11:16
Antwort auf:
Kind dienstlich allein lassen
Das die AP nach Bindungstheorie gefragt ist, ist klar.
Diese Diskussion ist
a) nicht relevant, wenn es arbeitsrechtlich gar nicht möglich ist
und
b) unprofessionell.
Selbst wenn der Chef unfair erscheint oder eben unprofessionell agiert, kann ich als MA doch selber professionell bleiben.
Und dem AG einen Vortrag darüber zu halten, was in Industriestaaten bzgl. Stillen eh falsch läuft etc, ist eben unprofessionell.
Ich würde dazu raten, ganz sachlich das eigentlich Thema zu besprechen.
Und das ist eben nicht Bindungstheorie usw.
Ganz sachlich darauf hinweisen, dass die Dauer des Stillen etc Privatsache ist und man dies daher gar nicht diskutieren möchte.
Man hätte aber den Eindruck, dass die zunächst zugesagte Möglichkeit, die Kinder abends gebracht zu bekommen, nun doch nicht gewünscht sei. Um irgendwelche Streitigkeiten nicht weiter zu forcieren:
Den AG auffordern, hier seinem Weisungsrecht nachzukommen und eine klare Entscheidung zu treffen, ob er dem Vorhaben zustimmt/zustimmen kann oder nicht.
Sagt er dann "Nein, geht nicht/möchte ich nicht", muss man evt. die Fahrt absagen oder eben der Weisung folge leisten - in Abhängigkeit davon, ob man per Vertrag verpflichtet ist, teilzunehmen oder nicht.
Niemals würde ich einem MA raten, sich auf ein Gespräch einzulassen oder selbst zu initiieren, in dem Arbeit und Privates/private Ansichten so vermischt werden. Der Schuss kann einfach nur nach hinten losgehen.
Das eine ist nun mal mein Job - das andere mein Privatleben.
Und da sollte man professionell genug sein, auch selbst eine klare Trennlinie zu ziehen und nicht vom AG zu erwarten, dass er meine privaten Lebensentscheidungen auch während der Arbeit zu tolerieren hat.
Nur so am Rande: man hat grundsätzlich per Gesetz zB nur Anspruch auf Stillpausen von 2 x je 30 Minuten oder 1 x 1 Std. während der Arbeitszeit. Weitere Stillpausen KANN der AG genehmigen - muss er aber nicht.
Eine Sache ist mir auch nicht ganz klar: wusste der AG von vorne herein, dass die beiden Kinder Nachts gestillt werden müssen oder kann das erst im Nachhinein auf?
Ich bleibe dabei, dass hier das Pferd von hinten aufgezäumt wird und die beiden MA´s sich keinen Gefallen tun, Grundsatzdiskussion über Bindungstheorie, Stillen in Industriestaaten etc zu führen, um persönliche Belange während der Arbeitszeit durchzusetzen.
Das ganze wird auf eine viel zu persönliche Ebene gezogen, die das Arbeitsverhältnis sicher eher belasten als fördern wird.
Und das liegt dann nicht nur am "bösen AG", sondern eben auch an der Vermischung von Privat und Arbeit Seitens der AP´s.
von
cube
am 04.12.2022, 11:50