Änni865
Guten Morgen Frau Dr. Henkes, ich bin Mama eines 2 Jahre und 2 Monate alten Jungen und mache mir momentan einige Sorgen um seine Entwicklung. Er hatte beidseitige Paukenergüsse, die vermutlich über längere Zeit bestanden. Diese scheinen mittlerweile abgeheilt zu sein – laut Pädaudiologin und HNO hört er aktuell wieder gut, auf einem Ohr war der Druck aber leicht auffällig. Während der Phase mit den Ergüssen hatte er sprachlich deutlich nachgelassen: Er hatte bereits erste Wörter gesprochen und gezählt, sprach dann aber kaum noch. In dieser Zeit hat er auf Ansprache häufig gar nicht reagiert – in neun von zehn Fällen war kein Blickkontakt oder keine Reaktion möglich. Seitdem wir den Eindruck haben, dass er wieder besser hört (seit ein paar Tagen), hat sich vieles verändert: Er wirkt lebendiger, lacht mehr, reagiert häufiger auf Ansprache und sucht im Spiel auch deutlich mehr Blickkontakt. Wenn er Freude zeigt oder lacht, schaut er uns direkt an. Nur wenn man ihm sehr nah kommt – zum Beispiel mit der Stirn an seine – wendet er den Blick manchmal bewusst ab. Ich frage mich, ob das in diesem Alter noch als normale Reaktion gilt (weil es zu nah oder ungewohnt ist) oder ob das bereits auffällig wäre. Auffällig bleibt, dass er z.B. nie auf Dinge zeigt, sondern uns, wenn er etwas möchte, an der Hand nimmt und zu dem gewünschten Gegenstand führt. Er hat zu Hause außerdem relativ feste Abläufe – er spielt oft dieselben „Stationen“ nacheinander ab und wirkt dabei manchmal sehr fixiert. Wir wissen nicht, ob das einfach an der begrenzten Auswahl seiner Spielsachen liegt oder ob ihm generell die Fantasie fehlt, freier zu spielen. Seine Traktoren werden z.B. nur aufgestellt nebeneinander und nicht als Fahrzeuge benutzt. Aktuell will er immer den Ketchup und den Senf aus dem Kühlschrank holen und stellt diese auf die Couch. Wir haben ein Spiel mit Tieren in Kegelform. Er stellt die Kegel auf und das war's. Fällt einer während des Tages um, wird er wieder aufgestellt. Aber es werden z.B. die Kegel nicht genommen um anders damit zu spielen. Bei der Tagesmutter fällt auf, dass er sich oft etwas von der Gruppe absondert – z. B. wenn andere Kinder gemeinsam in einer Pfütze springen, steht er daneben und beobachtet oder läuft ein Stück weg. Andererseits gibt es auch Situationen, in denen er richtig aufblüht: Zum Beispiel spielt er dort manchmal mit einem Mädchen Fangen um den Tisch herum und lacht dabei herzlich. Er sitzt auch mal bei den anderen Kindern dabei, aber die TM beobachtet auch, dass er gewisse Handlungen (Türen öffnen/schließen, raus gehen) unbedingt ausführen muss, also er ist dann sehr verbissen und lässt sich schlecht von seinem Vorhaben abbringen. Zwischendurch gab es Phasen, in denen er fast apathisch wirkte – zu Hause sehr still, müde und lustlos. In anderen Umgebungen zum gleichen Zeitpunkt, etwa bei den Großeltern oder draußen, war er dagegen oft fröhlich, aktiv und lacht viel. Was mich sehr irritiert hat war auch, dass er plötzlich nicht mehr zum Kinderturnen wollte, obwohl er das geliebt hat. Kaum waren wir da wollte er gehen und hat geweint. Generell ist es oft so aktuell, dass wir irgendwo ankommen und er will weg/raus. Gleichzeitig zeigt er viele positive und sehr liebevolle Seiten: Er spielt Ball mit uns, wirft ihn zu und lacht sich kaputt, wenn wir hinterherlaufen. Er spielt gern Fangen, schaut dabei frech hinter sich, ob wir ihn einholen. Er „klaut“ mir manchmal das Handy und rennt lachend weg, weil er genau weiß, dass er das nicht darf. Beim Wickeln verstecke ich mich oft hinter seinen Füßchen und mache „Buh“ – das findet er unglaublich witzig. Er kommt auch regelmäßig von sich aus zum Kuscheln, streckt die Arme aus und möchte einfach Nähe. Außerdem wichtig zu erwähnen ist, dass unsere familiäre Situation aktuell sehr schwierig und zu Hause oft schlechte Stimmung herrscht: Zwischen seinem Vater und mir gibt es oft starke Spannungen, die er sicher teilweise mitbekommt. Mir ist aufgefallen, dass er an Tagen, an denen ich selbst ruhiger und positiver bin, deutlich lebendiger und kontaktfreudiger reagiert – er scheint meine Stimmung sehr stark zu spiegeln. Ich habe trotzdem nun zunehmend die Sorge, dass einige seiner Verhaltensweisen vielleicht autistische Zügezeigen könnten. Mir ist klar, dass eine sichere Einschätzung in diesem Alter schwierig ist, aber ich würde gern wissen, ob Sie eine genauere Abklärung (z. B. im SPZ oder über Frühförderung) empfehlen würden – und vor allem, ob ein Kind, bei dem sich tatsächlich autistische Merkmale zeigen, mit der richtigen Förderung ein normales, erfülltes Leben führen kann. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einschätzung! Herzliche Grüße Annika
Guten Tag, ich denke nicht, dass Sie sich bei Ihrem Sohn wegen einer autistischen Problematik Sorgen machen müssen. Ihr Sohn ist in gutem Kontakt mit Ihnen. Er zeigt unterschiedlichste Emotionen. Das ist bei autistischen Kindern anders. Die zeitweise verminderte Hörfähigkeit dürfte das Verhalten Ihres Sohnes und sein Zurechtfinden in seiner Umgebung beeinträchtigt haben. Vielleicht hat sie auch zu dem aufgetretenen Rückzugsverhalten geführt. Da sie jetzt beseitigt ist, wird Ihr Sohn hier rasch Fortschritte machen. Kinder brauchen oft die Sicherheit, die ihnen festgelegte Handlungen und Rituale bieten. Vermutlich will Ihr Sohn auch zeigen, was er schon alles kann. Daher ist es ihm wichtig, dass er immer die Tür öffnet oder schließt. Das ist völlig in Ordnung. Mit der weiteren Entwicklung verschwindet die Bedeutung dieser festgelegten Abläufe und Handlungen. Zweijährige beobachten oft erst das Verhalten anderer Kinder, bevor sie aktiv werden. Ihr Sohn muss ja auch erst lernen, das Verhalten anderer Kinder einzuschätzen. Das Spielverhalten Ihres Sohnes scheint nicht ungewöhnlich. Er braucht noch Anregungen für sein Spiel. Zeigen Sie ihm diese im gemeinsamen Spiel. Fahren Sie z.B. mit dem Trecker den Senf wieder in die Küche o.ä.. Dann wird Ihr Sohn bald eigene Ideen entwickeln. Eine belastende familiäre Situation spüren auch Zweijährige bereits sehr deutlich. Sie werden davon verunsichert, weil sie noch nicht verstehen können, was passiert. Vielleicht können Sie mit dem Vater Ihres Sohnes versuchen, Ihre Situation bald zu klären. Manchmal gelingt das besser mit externer Hilfe. Viele Kinder mögen einen nahen Augenkontakt nicht, weil er eine bestimmte Intimitätsgrenze überschreitet. Lassen Sie Ihren Sohn entscheiden, wieviel Nähe er mag. Wenn Sie Ihre Sorgen aufgeben können, braucht Ihr Sohn sicherlich keine Vorstellung wegen eines Autismusverdachts. Sprechen Sie Ihre/n Kinderarzt/ärztin darauf an. Autismus ist nicht heilbar. Es gibt heute Fördermöglichkeiten, die Symptome lindern können. Was ein Mensch für ein erfülltes Leben braucht, ist individuell sehr verschieden. Da kann ich keine Einschätzung abgeben. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
Änni865
Hallo Frau Dr. Henkes, vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Das beruhigt mich sehr. Wir werden versuchen sein Spielverhalten weiterhin zu fördern und anzuregen und ihn auch im Kontakt mit anderen Kindern weiterhin zu bestärken. Viele Grüße Annika
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