Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Eingewöhnung

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Eingewöhnung

Succero

Hallo Frau Dr. Saitner, Meine Tochter ist knapp 18 Monate. Bislang war ich mit ihr in Mutter-Kind-Gruppen, privaten Treffs oder auf dem Spielplatz. Seit Ende April wurde sie 2mal wöchentlich von einem Babysitter betreut. Ich bin das erste Mal nach etwa 3 Wochen ohne sie in einen anderen Raum gegangen und nach etwa 5 Wochen sind beide regelmäßig alleine auf den Spielplatz. Das hat sehr gut für alle gepasst. Meine Tochter ist sehr aufgeschlossen gegenüber Kindern und Erwachsenen (wenn sie sieht dass ich sie kenne nimmt sie sie auch gern an die Hand und führt sie durchs Gelände), winkt und lacht wenn sie mit jemanden anders weggeht, läuft mehrere hundert Meter weg von mir und möchte sowieso ganz viel alleine können. Nun geht sie seit Anfang Juli zu einer Tagesmutter und ich bin sehr verunsichert. Die ersten 4 Tage war ich mit dabei. Danach lass ich sie für eine Stunde, inzwischen auch 2 Stunden alleine dort. Wenn ich gehe lacht sie nicht, weint auch nicht. Ich sehe allerdings, dass sie wie versteinert ist. Meines Erachtens nach traut sie sich noch nicht der Tamu ihre Gefühle anzuvertrauen.  Laut Tamu ist sie in meiner Abwesenheit entspannt und spielt, tanzt und isst mit den anderen Kindern. Sie trägt immer die Puppen herum. Die Tamu meint, diese seien ihr Halt.  Gestern wollte sie erstmals morgens nicht hingehen. Mein Kind betritt den Raum und fing gleich an zu weinen. Es war noch eine fremde erwachsene Person im Raum - vermutlich war ihr das zu viel. Als nächstes wollte sie unbedingt ihre Puppe haben, die sie auch bekam. Meine Tochter beobachtete das Geschehen und ein anderes Kind entriss ihr dabei die Puppe. Sie hat hysterisch geweint, ich hatte ihr die Puppe wiedergegeben wonach das andere Kind sie gebissen hatte. Meine Tochter war total verzweifelt. Hat verzweifelt gebrüllt und ihr Gesicht dabei in die Puppe gedrückt. So habe ich sie noch nie erlebt!  Wenige Minuten darauf sollte ich gehen. Mein Kind hat geschrien wie am Spiess, die Tamu wollte mir mein Kind aus den Armen reissen, was ich nicht zu liess. Aber der Druck blieb, ich hatte noch ein bis zwei Minuten mehr. Sie hat so geweint. Letztlich musste ich sie kreischend der Tamu übergeben. Auf ihrem Arm war sie sehr schnell wieder wie ein Stein. Ich bin raus und habe erstmal geweint. Das tat so weh. Soll das denn so wirklich sinnvoll sein?? Während meiner Abwesenheit war sie angeblich entspannt. Als ich sie abholte hat sie nicht wie sonst mit weinen auf mich reagiert. Sie wollte auch noch bleiben. Auf dem Weg nach Hause hat sie die ganze Zeit auf ihrer Hand rumgebissen. Nach dem Mittagsschlaf hat sie ruhig daheim gespielt, hin und wieder kuscheln und Körperkontakt. Heute Morgen, dort angekommen ging sie gerne und sofort zu den Kindern im Spielzimmer und die Tamu hatte gleich mit ihr die Puppe geholt. Verabschieden war zum ersten Mal an der Tür- allerdings kaum möglich, weil sie schon im Spiel war. Als ich wieder kam hat sie mich wieder wie den Tag zuvor registriert, aber nicht reagiert (keine Mimik, Gestik oder Geweine). Auch schien es so als wolle sie noch bleiben.  Daheim habe ich gesehen, dass nun auch 3 Fingernägel ab sind. Sie kaut hin und wieder auf den Fingern, besonders wenn sie zahnt. Aber nun scheint sie Nägel zu kauen. So aufs erste sieht es ja gut aus, wenn sie gern alles mitmacht und bleiben mag. Mir macht jedoch Sorgen, dass sie ihre Gefühle bei der Trennung nicht zeigen mag und auch wenn ich zurück komme keine Reaktion mehr zeigt.  Außerdem verunsichert mich stark, dass die Puppe tatsächlich ihr Halt und Bezug ist. Sollte das nicht bereits die Tamu sein bevor die erste Trennung vollzogen wird? Auch das Kauen auf der Hand und den Nägeln lässt in mir die Frage aufkommen, ob es nicht alles zu viel für sie ist.  Wie sehen Sie das? Was ist Ihre Meinung wie die Eingewöhnung weiter ablaufen sollte? Und auch sehr wichtig: wie verhalte ich mich gegenüber meinem Kind am besten, wenn sie während der Eingewöhnung bei der Trennung weinen oder gar kreischen und strampeln sollte? Entschuldigung, dass es so ein langer Text geworden ist. Aufgrund der Komplexität fand ich es schwierig mich kürzer zu fassen. Vielen Dank schon mal für Ihre Antwort und viele Grüße 


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Guten Tag, Ihre Tochter ist mit 18 Monaten genau in der sogenannten Wiederannäherungsphase. Viele Kinder in diesem Alter, die sich vorher problemlos trennen konnten, tun sich jetzt mit Trennung schwer. Es ist ein Reifungsschritt, da den Kindern jetzt stärker bewusst ist, dass etwas / jemand für immer verschwinden kann. Andererseits haben sie noch keine sichere Objektkonstanz: d.h. sie haben noch kein sicheres, inneres Bild, dass es die Eltern auch dann gibt, wenn man sie nicht sieht und dass es nach der Trennung ganz sicher ein Wiedersehen gibt. Das lernen Kinder in dieser Phase erst, oft schmerzlich. Geben Sie Ihrer Tochter einen Gegenstand von sich mit, damit sie immer etwas bei sich trägt, was sie an Sie erinnert. Sie können auch die Trennung bei maximal 1 Stunde bis 2 Stunden belassen und erst die Zeit steigern, wenn Ihr Kind besser eingewöhnt ist. Dass sich Ihr Kind die Puppen nimmt, zeigt eine sehr kluge Bewältigungsstrategie: sie versorgt symbolisch andere. Was aus der Ferne nicht beurteilt werden kann, ist die Qualität der Betreuung. Auf jeden Fall hat man den Eindruck, dass Ihre Tochter Unterstützung braucht, sich gegen Aggressionen anderer Kinder zu wehren, statt sich selbst zu beißen.  Vielleicht kann die TaMu darauf achten  . Alles Gute und viele Grüße Barbara Saitner 


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