Sehr geehrter Doktor Nohr,
Unsere Tochter ist 18 Monate alt und soll ab nächster Woche Zwei Vormittage circa 3 Stunden von den Großeltern betreut werden. Die Kita Eingewöhnung haben wir schon abgebrochen weil sie bei den Trennungen geweint hat und wir das so unserem Kind nicht zumuten wollten. Mit einer Oma klappt es etwas besser als mit den anderen Großeltern. Sie kommen immer zu uns nach Hause damit unser Kind im gewohnten Umfeld ist. Bei der einen Oma gab es kurze Trennungen, bei denen unser Kind nicht geweint hat. Bei den anderen Großeltern hat sie jedes Mal geweint. Wir sehen die Großeltern seit drei Wochen quasi täglich. Meinen Sie wir sollten es vorerst bei der einen Oma belassen bei der es gut klappt?Aber selbst bei dieser Oma habe ich Angst,dass unser Kind emotional Schaden nimmt. Bis jetzt war ich ja immer im Haus irgendwie verfügbar. Ich weiß nicht wie sie reagiert wenn ich das Haus verlasse… aber nächste Woche muss ich wieder arbeiten. Anders geht es nicht. Die Omas sind ja nach dem Kindergarten bereits unser Plan B..
von
Stef3
am 07.09.2020, 12:09
Antwort auf:
Betreuung durch Großeltern
Hallo,
Ihre Tochter ist in einem Alter, in dem andere Menschen sie nicht mehr überwiegend ängstigen, sondern sogar interessieren können. Damit vergrößert sich der Erfahrungshorizont und damit die soziale Erfahrung. Schwierig sind eigentlich immer die Zeiten, bis die neue Person vertraut genug ist, die Mutter/Eltern zeitweise zu "ersetzen". Das gilt es wenn möglich vor den Trennungen zu erreichen. Je mehr Kontakt also vorher da ist, um so leichter wird das sein.Je selbstverständlicher die Omas Teil des Alltags sind, desto geringer ist die Angst, mit ihnen allein zu sein.
Es macht Sinn, nicht so viele Menschen gleichzeitig einzuführen und dies mit den Omas auch so zu besprechen (das erleichtert denen die Akzeptanz :-)).
Auch wenn das hinreichend gut geplant ist kann es sein, dass es immer mal wieder Situationen gibt, die es für das Kind schwer machen. Das ist manchmal so, muß Sie nicht beunruhigen und dafür müssen/können Sie in dem Moment Lösungen finden.
Dr.Ludger Nohr
von
Dr. med. Ludger Nohr
am 07.09.2020
Antwort auf:
Betreuung durch Großeltern
Hallo,
ich antworte mal als Mutter eines 15 Monate alten Kindes. Unsere Tochter kennt ihre Großeltern quasi seit Geburt. Die ersten 1-2 Wochen hat meine Mutter sogar bei uns übernachtet, um uns mit der Kleinen zu helfen. Mit 4 Wochen habe ich sie zum ersten Mal für mehrere Stunden allein mit den Großeltern gelassen. Kurze Zeit später hat es sich als Ritual eingependelt, dass meine Eltern 4x die Woche die Kleine mehrere Stunden lang betreuen (sie gehen mit ihr spazieren, nehmen sie zu sich nach Hause, spielen mit ihr, wickeln und füttern sie). Durch den vielen Kontakt zu den Großeltern akzeptiert meine Tochter diese als verlässliche Bezugspersonen und freut sich immer sehr, sie zu sehen, schließlich wird sie hier von noch mehr Leuten betüddelt. :-) Sie hat noch nie geweint, als ich sie mit den Großeltern allein gelassen hatte bzw. die Großeltern sie mitgenommen haben. Ich sehe es als Bereicherung für meine Tochter, dass sie gleich vier enge Bezugspersonen (Mama, Papa, Großelternpaar) hat. Und es macht mich gelassener zu wissen, dass es für sie keine Katastrophe wäre, falls mir mal etwas zustößt (Krankenhaus oder so) und sie zeitweise von anderen Menschen betreut werden würde.
Natürlich machen die Großeltern nicht alles zu 100% so, wie ich es mache, aber das stört meine Tochter überhaupt nicht. Bei wirklich wichtigen Sachen sprechen wir uns ab bzw. ich sage, worauf ich Wert lege und kann mich auch darauf verlassen, dass meine Eltern das wirklich umsetzen. Diese Verlässlichkeit ist mir sehr wichtig.
Warum sollte dein Kind Schaden davon nehmen, von liebenden Familienmitgliedern betreut zu werden? Ich bin mir sicher, dass deine Tochter im Gegenteil von zusätzlichen Bezugspersonen profitieren wird. Es gibt ja auch das afrikanische Sprichwort "Es braucht ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen" und so wird es in den meisten ursprünglich lebenden Kulturen auch gehandhabt. Voraussetzung ist natürlich, dass deine Tochter eine Bindung zu den Großeltern aufbaut und sie als Bezugspersonen akzeptiert. Wenn sie die Großeltern häufig sieht, mit ihnen Spaß hat (spielen, spazieren gehen) und sich von ihnen pflegen (wickeln, füttern) lässt, dann sind das doch super Voraussetzungen. Wenn du dann auch noch Zuversicht und Vertrauen ausstrahlst, wird sich diese positive Grundhaltung auch auf deine Tochter übertragen (ebenso wie sich deine Unsicherheit überträgt und wiederum deine Tochter verunsichern dürfte).
Da deine Tochter Betreuung durch andere Personen anscheinend gar nicht gewohnt ist, würde ich persönlich erstmal nur mit einer Oma anfangen, um sie nicht zu überfordern. Diese Oma würde ich aber auch weiterhin nicht nur an den zwei Betreuungstagen pro Woche sehen, damit deine Tochter sie nicht "vergisst" (nicht umsonst geht man auch bei der Kita-Eingewöhnung anfangs an jedem Tag in der Woche hin, auch wenn das Kind später nur an einzelnen Tagen betreut werden soll). Gleichzeitig würde ich den engen Kontakt zu den anderen Großeltern beibehalten, bis deine Tochter auch zu ihnen eine gute Bindung aufgebaut hat und es als selbstverständlich ansieht, dass sich die Großeltern im Alltag um sie kümmern. Du kannst dich ja, wenn die Großeltern da sind, immer mehr zurückziehen (erst im selben Zimmer, dann ins andere Zimmer gehen, dann die Wohnung verlassen) und die Großeltern schrittweise immer mehr allein machen lassen. Wichtig ist auch, sich einerseits nicht heimlich davonzuschleichen, aber aus der Verabschiedung auch kein großes Event zu machen: ein "Tschüß, viel Spaß mit der Oma!" reicht.
Ich hoffe, dass dir mein Erfahrungsbericht Mut macht, den Großeltern einen Vertrauensvorschuss zu geben und sie deine Tochter guten Gewissens betreuen zu lassen. Sieh es nicht als Bedrohung, sondern gib deiner Tochter die Chance und den Raum, neue Erfahrungen zu sammeln und andere Menschen an sich heranzulassen. ;-)
von
wundertuete
am 07.09.2020, 13:51