Liebe Biggi,
ich habe heute eine Frage für die Tochter einer Kollegin. Diese Kollegin hat mir heute erzählt, das Enkelkind (Mädchen, 8 Monate) würde noch immer voll gestillt, weil es keinerlei Interesse an anderer Nahrung zeige und alles ablehne.
Bis dahin ist die Sache auch durchaus in Ordnung, soweit ich weiß. Das Kind entwickelt sich ganz prächtig und ist keineswegs unterernährt oder ähnliches. Sie wird von ihrer Familie im Gegenteil liebevoll "die Kompakte" genannt.
Nun war die Tochter mit ihrem Baby bei einer Ernährungsberaterin. Diese erklärte ihr, dass das Abstillen von Mädchen generell schwieriger sei als bei Jungen. Ist das nicht Quatsch? Ich habe von einem solchen Zusammenhang noch nie gehört. Jedenfalls bekam sie auch das Märchen aufgetischt, dass die Muttermilch nach dem 6. Lebensmonat nicht mehr ausreiche, weil plötzlich alle wichtigen Stoffe darin fehlen würden, insbesondere Eisen. So ging das Ganze fort und für diese tollen Auskünfte wurden obendrein 40 EUR berechnet.
Nun habe ich zwar meiner Kollegin erzählt, was ich hier im Forum schon so oft gelesen habe, dass zwar die Muttermilch tatsächlich weniger Eisen enthält, dieses aber vom Kind besser aufgenommen werden kann, und dass die Muttermilch nicht auf einmal "schlecht" ist usw. Aber ich hätte es gerne noch einmal schwarz auf weiß. Dann könnte meine Kollegin es ihrer Tochter mitnehmen und die es noch einmal lesen. Vielleicht ist sie dann beruhigter.
Kannst du mir hier noch einmal etwas "Munition" liefern?
Danke für deine Hilfe!
Agnetha
Mitglied inaktiv - 14.08.2009, 09:20
Antwort auf:
Stillen nach dem 6. Lebensmonat
Liebe Agnetha,
zwar nicht von Biggi, aber hoffentlich trotzdem hilfreich kommt hier meine Antwort auf deine Frage:
Natürlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Geschlecht eines Babys und seinem Abstillverhalten. Und es ist erstaunlich wie viele Ärzte sich noch immer nicht bewusst sind, dass die Empfehlungen von WHO und Unicef, ein Baby bis zum 2. Geburtstag (und darüber hinaus, wenn beide Stillpartner das möchten) weiter zu stillen (natürlich nicht ausschließlich) AUCH für die Kinder in unseren Kulturkreisen gelten...
Es ist möglich ein Kind deutlich länger als sechs Monate ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren. Die Hauptsorge, die dann in Bezug auf Mangelerscheinungen erwähnt wird, ist in den meisten Fällen das Eisen. Eine finnische Studie ergab jedoch, dass bei neun Monate alten Kindern, die immer noch ausschließlich gestillt werden, ein Eisenmangel in weniger als 25 % der Fälle auftritt. Ohnehin ist der Zeitpunkt, wann ein Baby Beikost erhalten muss recht willkürlich gewählt und hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, ohne dass es einen echten Beweis für die absolute Richtigkeit des jeweiligen Zeitpunktes gibt.
Muttermilch enthält zwar weniger Eisen als zum Beispiel künstliche Säuglingsnahrung oder Kuhmilch, doch die Verfügbarkeit des Eisens in der Muttermilch ist um ein Vielfaches höher als die des in der künstlichen Säuglingsnahrung enthaltene Eisen.
Hier auch noch ein Auszug aus einem Artikel von Dr. Alfredo Piscane anlässlich der 15.internationalen LLL Konferenz in Washington.
"Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein gesunder vollgestillter Säugling seinen Zeitpunkt des ersten Zufütterns selbst bestimmen kann, ohne Bedenken dadurch einem Eisenmangel ausgesetzt zu werden. Selbst bei Kindern, die sich dem ersten Geburtstag nähern, hat der Autor keine Bedenken, wenn sie einen fitten Eindruck machen. Niedriger Eisengehalt im Blut des Kindes ist nur behandlungswürdig bei gleichzeitigen anderen Krankheitsanzeichen. Seiner Meinung nach sind die festgelegten Grenzwerte (auch in der Schwangerschaft) überholungsbedürftig und wenig gesichert. Tatsächlich erhöht sich die Gefahr einer Anämie bei zu früher Beikost, wenn sie nicht sehr eisenhaltig ist, da die optimale Eisenaufnahme der Muttermilch durch Beikost behindert wird. Es wird 50% des Muttermilcheisens resorbiert, aber nur 5% bei Flaschennahrung! Zuviel Eisen erhöht evtl. eine mögliche Erkrankung wie z.B. Malaria und ist gefährlicher als ein Eisenmangel. Bei sechs Monaten ausschließlich muttermilchernährten Kindern liegt die Gefahr einer Anämie bei 4%. Bei den jetzt noch gültigen Grenzwerten ändern wir das, was sich seit einer halben Millionenjahre bewährt hat.
Bei der LLL Europakonferenz in Nottingham hat ein spanischer Kinderarzt einen sehr interessanten Vortrag zum Thema "Essen" gehalten. Dr. Gonzales hat eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken:
Energie: 830 kcal = 1185 ml MM
Eiweiß: 9,6 g = 910 ml MM
Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM
Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM
Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM
Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen.
LIeben Gruß,
Kristina
von
Kristina Wrede
am 14.08.2009
Antwort auf:
Stillen nach dem 6. Lebensmonat
Liebe Kristina,
danke für deine Antwort. Ich habe sie gleich für meine Kollegin ausgedruckt, damit sie ihrer Tochter mal die Auskunft einer echten Fachfrau mitnehmen kann. Ich hoffe, das bewirkt mehr, als meine Auskünfte. Im Wesentlichen war es genau das, was ich gesagt hatte, und nun kann man nur auf einen fruchtbaren Boden hoffen.
Schön fand ich, dass meine Kollegin mir in der Firma von ihrer Tochter erzählte und meinte: "Beim Stillen habe ich doch gleich an Sie gedacht." Ich bin durch die 4,5-jährige Stillzeit mit meinem Sohn scheints zu einer "Expertin" gereift ...
Vielen Dank!
Agnetha
Mitglied inaktiv - 14.08.2009, 18:32