Liebe Biggi,
unsere 11 Monate alte Tochter schläft nur an der Brust ein. Mein Kinderarzt machte mich darauf aufmerksam, daß Kinder im 2. Lj. wieder vermehrt nachts wach werden, was wahrscheinlich zu unruhigen Nächten für das Kind und für mich führen wird, da sie noch nicht gelernt hat alleine einzuschlafen.
Was den Abstillzeitpunkt anbetrifft meinte er es wäre jetzt leichter als später, wenn die Trotzphase kommt.
Gibt es noch etwas zu berücksichtigen was den Abstillzeitpunkt anbetrifft?
Und noch eine zweite Frage: Was hältst Du davon die Kopplung von Stillen und Einschlafen von vorneherein zu vermeiden indem man das Baby, wenn es während des Stillens eingeschlafen ist, wieder weckt (z.B. zum Bäuerchen)?
Vielen Dank, viele Grüße Barbara
Mitglied inaktiv - 11.02.2002, 17:28
Antwort auf:
abstillen 11. Monat
?
Liebe Barbara,
da sind ja mal wieder eine Menge Vorurteile aufgebracht worden.
Es ist generell so, dass Babys etwa ab vier bis sechs Monaten vermehrt wieder aufwachen, weil sie ihre Umwelt deutlicher wahrnehmen, weil sie eine Menge erleben, weil sie die Eindrücke verarbeiten müssen, weil die Zähne kommen, weil vielleicht die erste Erkältung im Anmarsch ist, weil sie eine neue Fähigkeit erlernen, weil, weil, weil ...
Die Fähigkeit alleine einzuschlafen ist etwas, was mit der Reife des Kindes zusammenhängt und es gibt Kinder, die diese Reife früher erreichen und andere, die dafür länger brauchen. Mit den berühmten Schlaftrainingsprogrammen kann ein Kind dazu dressiert werden, dass es resigniert alleine einschläft, doch es ist sehr umstritten, was eine solche Dressur langfristig für Folgen hat und außerdem gibt es doch tatsächlich Kinder, die sich nicht an die Vorgaben der Schlaftrainingsprogramme halten und trotzdem weiterhin weinen und aufwachen.
Es wäre im Interesse aller Kinder und Eltern, wenn akzeptiert würde, dass das Leben mit Kindern nun auch unruhige Nächte mit sich bringen kann. Manche Eltern haben Glück und ihre Kinder gönnen ihnen mehr ruhige Nächte und andere Eltern leben mit Kindern, die mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung auch in der Nacht brauchen. Unsere Kinder sind sehr unterschiedlich und das in jedem Bereich.
Es muss unterschieden werden zwischen dem natürlichen (kindgesteuerten) Abstillen und dem Abstillen, das von der Mutter ausgeht. Überlässt frau dem Kind den Zeitpunkt des Abstillens, so wird es sich in den meisten Fällen irgendwann zwischen dem zweiten und vierten Geburtstag selbst abstillen. Wenn die Mutter die Initiative ergreift, ist das Abstillen zu jedem Zeitpunkt möglich.
Mit etwa zehn Monaten haben viele Kinder eine Phase, in der sie sehr aktiv sind und das Stillen - vor allem während des Tages - vorübergehend in den Hintergrund gedrängt wird. Die Kinder haben dann „keine Zeit" zum Stillen und sind leicht ablenkbar, was von der Mutter oft als nachlassendes Interesse gedeutet wird. Will eine Frau ihr Kind abstillen, dann ist diese Phase oft eine gute Gelegenheit, das Kind ohne viel Widerstand abzustillen.
Vom gesundheitlichen Aspekt her, ist es für Mutter und Kind wünschenswert länger zu stillen und es wird von der Weltgesundheitsorganisation nicht umsonst eine Stillzeit von mindestens zwei Jahren für alle Kinder empfohlen. Leider ist das Wissen um die Vorteile einer längeren Stillzeit für Mutter UND Kind in unserer Gesellschaft nicht sehr verbreitet.
Letztlich muss jede Frau selbst entscheiden, wann und wie sie abstillt, doch die Frau sollte wissen, dass es nicht zwingend notwendig ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt abzustillen und dass es durchaus sinnvoll ist, länger zu stillen.
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass die Eltern sich als Versager fühlen.
Ich halte nichts davon, ein Kind, das an der Brust eingeschlafen ist, wieder zu wecken, damit Einschlafen und Stillen voneinander getrennt werden. Stell dir doch mal vor, wie Du dich fühlen würdest, wenn Du gerade eingeschlafen bist und es weckt dich jemand auf, nur weil Du seiner Meinung nach anders einschlafen solltest.
Es gibt eine sehr gute Arbeit über das Thema Schlaf, die sich mit den Schlaftrainingsprogrammen beschäftigt und die sehr lesenswert ist. Sie heißt „Schlaf! Auf die Plätze - Fertig - Los. Eine kritische Auseinandersetzung zum Inhalt des Buches ‚Jedes Kind kann schlafen lernen‘" und kann bei der Autorin Barbara Walcher Walcher, (berros@dnet.it) bezogen werden.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 12.02.2002