Liebe Frau Schulze,
Ich habe letztens die Diagnose Missed Abortion gekriegt, diese wurde in kurzer Zeit durch 4! Ärzte (2 erfahrene) bestätigt. Für mich machte alles Sinn, ich habe mich schon seit Paar Tagen nicht mehr schwanger gefüllt, hatte vorhin blutigen Ausfluss, die Werte haben lt. Behandler nicht gestimmt, kein Herzschlag. Zusammen mit meinem Mann haben wir uns für die medikamentöse "Einleitung" entschieden, mit der Hoffnung nach vorne zu blicken und neu anzufangen. Aber ich kann es irgendwie nicht... viel zu spät, aber trotzdem kamen dann Fragezeichen. Hätte ich noch warten sollen? Vielleicht hätte sich nach Paar weiteren Tagen noch was ergeben. Es hätte doch nicht geschadet. Haben wir zu schnell auf das potezielle Kind verzichtet? Ich brauche doch sonst immer so viel Zeit um Entscheidungen zu treffen. Und in dieser extremen Situation ging es auf einmal so schnell... Es kommt doch anscheinend nicht so selten zu Fehldiagnosen. Habe ich mein Kind getötet? Ich habe im Nachinen alle meine Sorgen meiner FÄ erzählt. Sie ist eine tolle Frau und recht erfahren. Sie hat sich viel Zeit für mich genommen und alle meine Sorgen waren dann weg - die Diagnose sei sicher gewesen. Ich bin extrem beruhigt aus der Praxis raus und dann habe ich wieder irgendwo gelesen, "warten schadet nicht und man hat dann 100% Sicherheit". Und die Sorgen kamen wieder. Ich kann nicht normal damit funktionieren. Ich fühle mich extrem schuldig. Mir ist wirklich schlecht. Wie kann mir geholfen werden? Mein Mann unterstützt mich wunderbar und ich weiß auch, dass Zweifeln menschlich ist. Nur was ich nicht weiß, woher die schnelle Entscheidung meinerseits... Bitte um Hilfe. Danke.:-(
von
kugelbauch12
am 19.07.2023, 21:33
Antwort auf:
Nach Fehlgeburt
Liebe Kugelbauch12,
vielen Dank für Dein Vertrauen und Deine Fragen an mich. Ich arbeite ein Antwort für Dich aus, die ich am Montag für Dich hier einstelle.
Viele Grüße, Sally Schulze
von
Dipl.-Psych. Sally Schulze
am 21.07.2023
Antwort auf:
Nach Fehlgeburt
Danke.
von
kugelbauch12
am 21.07.2023, 23:51
Antwort auf:
Nach Fehlgeburt
Liebe kugelbauch12,
ich kann gut nachvollziehen, dass Sie durch Aussagen wie „Warten schadet nicht“ verunsichert sind und Ihre bzw. Ihre gemeinsame Entscheidung dadurch immer wieder in Frage stellen. Das Schwierige an solchen Aussagen ist, dass sie Allgemeingültigkeit beanspruchen und einen „garantiert sicheren“ Weg aufzeigen. Dadurch kann das Gefühl entstehen, Sie hätten etwas falsch gemacht und eine Schuld auf sich geladen, wenn Sie nicht den „garantiert sicheren“ Weg gegangen sind. Die Fragen, die Sie sich selbst stellen, sind normal und es ist verständlich, sich das zu fragen. Das „Problem“ daran ist, dass niemand Ihnen eine sichere Antwort auf diese Fragen geben kann. Diese Fragen bringen Sie also nicht weiter, sondern immer wieder ins Zweifeln und Grübeln über eine Entscheidung, die nicht mehr veränderbar ist. Das kostet Kraft und dadurch kann es schwieriger sein, den Alltag zu bewältigen. Das führt direkt zu der Frage, was Sie in Ihrer Situation tun können.
Ich beschreibe Ihnen jetzt eine Möglichkeit damit umzugehen. Es wird wahrscheinlich immer wieder Momente geben, in denen Sie durch Aussagen oder Gelesenes an den Punkt kommen, sich diese Grübelfragen wieder zu stellen. Vielleicht hilft es Ihnen dann, wenn Sie sich bewusst machen, dass Sie beide die Entscheidung aus einem Grund getroffen haben und dieser Grund für Sie beide zu diesem Zeitpunkt wichtig war. Sie haben keine Münze geworfen, sondern sich überlegt, welcher Weg in der Situation für Sie am hilfreichsten aussieht. Erinnern Sie sich noch daran, was sie damals alles getan haben, um in Ihrer Situation die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Wie leicht oder wie schwer war es? Wieviel Unterstützung hatten Sie und hätte jemand Ihnen die Entscheidung abnehmen können? (Höchstwahrscheinlich nicht, aber nehmen Sie ihre Gedanken dazu genau wahr. Welchen Anspruch stellen Sie an sich?). Mit der Methode versuchen Sie sozusagen nochmal die Situation ihres "Jüngeren Ichs" Das ich von damals, das die Entscheidung getroffen hat, nachzuvollziehen. Es geht dabei nicht darum pauschal zu sagen "Es war halt so und gab keinen anderen Weg", sondern es geht darum zu verstehen, ob Sie ihrem "jüngeren Ich" Vorwürfe machen. Wenn das so ist, kann es eine Erklärund dafür sein, dass Erinnerungen an diese Situation diese eigenen Vorfürfe and die Oberfläche holt. Es kann hilfreich sein sich genau an die Situation von damals zu erinnern und aufzuschreiben, wie Sie zu Ihrer Entscheidung gekommen sind. Verständnis für Ihr jüngeres Ich von damals kann für die Zukunft helfen. Was dadurch aber nicht direkt mit weggeht ist die Trauer, dass genau dieses Baby nicht zur Welt gekommen ist. Die Trauer braucht eigene Bewältigungsstrategien.
Ich hoffe, meine Antwort hilft Ihnen weiter. Schreiben Sie gerne, wenn Sie weitere Nachfragen haben.
Viele Grüße,
Sally Schulze
von
Dipl.-Psych. Sally Schulze
am 24.07.2023