Doreen764
Hallo, mein Mann und ich haben seit knapp einem Jahr einen Kinderwunsch. Laut Spermiogramm liegen die Beschwerden bei ihm und wir haben nur eine 2% Chance natürlich schwanger zu werden. Bei mir ist alles optimal, ich habe auch bereits eine 5 Jährige Tochter aus einen früheren Beziehung. Jetzt wurden wir vor einer bevorstehenden ICSI spontan schwanger und ich habe ca. 8 SSW eine Fehlgeburt aufgrund eines Windei erlitten. Mein Mann macht sich große Vorwürfe und ist traurig. Da ich selber sehr in der Trauer gefangen bin, kann ich ihm auch nicht gut zureden. Haben Sie Tipps, wie ich vielleicht meinen Mann die Situation etwas erleichtern kann, bzw. wie man besser mit der Trauer und er mit seinen Schuldgefühlen umgehen kann ? Liebe Grüße
Liebe Doreen764, Ich kann mir vorstellen, dass das recht viel Berg- und Talfahrt war und auch noch ist in diesen Wochen. Hoffnung und Enttäuschung, Kraft und Zerbrechlichkeit liegen scheinbar so nah beieinander. Der Weg zum zweiten Kind ist bei Ihnen als Paar durch die biologischen Vorraussetzungen hürdig, aber so wie ich Sie verstanden habe, durch die Empfehlung der Ärzte (ICSI) ja auch wahrscheinlich. Die Phase des unerfüllten Kinderwunsches und natürlich auch der Verlust von Schwangerschaften ist bei den meisten Paaren eine Phase der Belastung. Man versucht dann bestmöglich, damit umzugehen, greift aufgrund des Stresses aber nicht auf das ganze Repertoire an Verhaltensmöglichkeiten zurück. Das kennen wir ja schon aus viel kleineren Stressituationen. Ihre Sichtweise auf Ihre Formen der Trauer übersetze ich mal: Sie beide sorgen für sich mit den Mustern, die Ihnen eben gerade zur Verfügung stehen. Sie können zusammen Trauer erleben und sich Trost spenden. Jede(r) von Ihnen erlebt die eigene Trauer aber auch ganz unterschiedlich. Ich finde, dass es wichtig ist, sich gegenseitig diesen Raum zu ermöglichen und auch zu benennen, wozu man gerade in der Lage ist und wozu nicht. Das machen Sie gerade doch schon ganz gut, indem Sie das erkannt haben. Sie können aktuell Ihrem Mann das Gefühl von Schuld nicht nehmen, da es vielleicht sein eigenes Bewältigungsmuster ist und Sie selbst auch mit sich beschäftigt sind. Wenn Sie beide ein Stück aus der akuten Trauer des aktuellen Verlustes raus sind, wieder mehr Facetten Ihres Verhaltens zur Verfügung haben und sich auf den Weg der ICSI machen, gibt es vielleicht einen guten Moment, den Umgang mit dem Thema „an wem liegt’s“ besprechbar zu machen und das Konzept von „Verursacher“ und Schuld zu entmystifizieren. Ich betrachte für Sie das Thema „Scham und Schuld“ in Bezug auf die (männliche) Fruchtbarkeit mal etwas größer: Männer sind es nicht so gewohnt, über Ihre Fruchtbarkeit oder Furchtbarkeitsorgane zu sprechen oder regelmäßig zur Vorsorge zu gehen wie Frauen. Für Mädchen ist es mittlerweile selbstverständlich, mit Einsetzen der Periode eine Gynäkologin aufzusuchen, sich im Freundeskreis über PMS oder Tampongrößen auszutasuchen, zur Krebsvorsorge zu gehen usw. Die Beschäftigung mit den eigenen Forpflanzungsorganen ist bei uns Frauen nachvollziehbarerweise auch „intim“, aber nicht tabuisiert. Es wurde sozusagen trainiert, sich mit den Fortpflanzungsorganen zu beschäftigen oder auch kritisch zu hinterfragen, ob alles in Ordnung ist. Vielleicht erinnern Sie sich an so manches Märchen oder Bibelgeschichte: „Sie konnte dem König kein Kind gebären….“, „Erst mit der dritten Frau wurde der Erbe geboren….“, „Sie betete, dass Gott sie fruchtbar mache und ihr ein Kind schenken möge….“ usw. Aufmerksame Leser aus der heutigen Zeit erkennen in diesen Geschichten auch eine mögliche eingeschränkte Fertilität beim Mann. Die Medizin und die Forschung waren aber nicht so weit und so hat es sich in den Köpfen eher verfestigt, dass es an den Frauen liegt. Das Konzept der Andrologie (Männderehilkunde) hat sich erst im späten 19. Jahrhundert herausgebildet. Sehr viel später als die Gynäkologie. Was ich damit sagen will: Männer unterhalten sich vielleicht über ihre Erkältungen, Cholesterinwerte oder Bluthochdruck, aber nicht über Männergesundheit. Sie wissen in der Regel nicht, was ein Androloge ist und sind häufig erst bei Eintritt in die Phase der Familienplanung mit ihrer Fruchtbarkeit konfrontiert und vermischen es mit dem Konzept von Männlichkeit, Kraft und Potenz. Und da sie es nicht trainiert haben so wie die Frauen, ziehen sie die Schuld-und-Scham-Karte. Krankenkassenbegriffe wie „Verursacherprinzip“ sind da auch nicht sehr förderlich. Ein eingeschränktes Spermiogramm ist eine Diagnose, die bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch nicht ungewöhnlich ist. Wenn Sie im Wartezimmer eines Kiwu-Zentrums sitzen, können Sie bei den Hetero-Paaren davon ausgehen, dass sich die Diagnosen in einigermassen gleichverteilten Anteilen auf beide Geschlechter verteilen, ihr Mann mit dem Thema also nicht der Einzige ist. Dieses Verständnis kann helfen, aus der Schuldspirale auszusteigen. Natürlich ist mir auch klar, dass es in Ihrem Mikrokosmos der Beziehung eine Bedeutung haben kann, bei wem die Diagnose liegt und wer die körperliche Belastung in der Behandlung trägt. Wenn Sie beide daraus ein „Wir“ machen, ist vielleicht etwas Entlastung möglich. Es ist Ihr Weg der Familienplanung mit den körperlichen Vorraussetzungen, die Sie beide in Ihrer Kombination nun mal haben. Der Weg ist anstrengend, kann aber auch zusammenschweissen und da trägt niemand Schuld, sondern beide können die Verantwortung übernehmen, diese Phase leichter zu gestalten - für sich selbst und auch für die Beziehung. Ich wünsche Ihnen, dass Sie beide es schaffen, in Ihre Kraft und Potenz als Paar zu blicken: Wie stark Sie doch sind, dass Sie sich diesen Weg nicht nur zutrauen, sondern auch gemeinsam beschreiten. Alles Gute und herzliche Grüße Miriam Hartz
Doreen764
Vielen Dank für die tolle Antwort.
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