Zwillingsmama1986
Guten Abend Frau Hartz Ich habe vor 6,5 Jahren Zwillinge und vor 2,5 Jahren meinen dritten Sohn zur Welt gebracht. Mein drittes Kind war ein absolutes Wunschkind, nach den Zwillingen sehnte ich mich nach einem einzelnen Kind und der Erfahrung, stillen zu können, etc. Dieser Wunsch hat sich erfüllt und ich bin sehr dankbar dafür. Mein Alltag ist voll, manchmal fast zu voll und die Familie fühlt sich komplett an. Was mich aber traurig macht: Jedes Mal, wenn in der Nachbarschaft/im Freundeskreis/in der Verwandtschaft eine Frau schwanger wird, kommt in mir Eifersucht auf. Ich verstehe dieses Gefühl an der Stelle nicht, es ist aber leider relativ stark. Dabei ist es so, dass ich gar keine Lust mehr hätte, schwanger zu sein und mich auch mittlerweile zu alt dafür fühle. Hat diese Eifersucht mit den Hormonen/der Periode zu tun? Ich würde sie gerne los werden und mich mit den anderen freuen können. Geht das irgendwie? Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Liebe Zwillingsmama 1986, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie Ihre Gefühle hier so offen teilen. Ich glaube, dass viele Menschen so fühlen und nicht den Mut aufbringen, sich so ehrlich mit sich selbst auseinander zu setzen. Ihre Selbstreflexion zeigt bereits, dass Sie mit sich und Ihren Emotionen achtsam umgehen. Dass Sie Eifersucht empfinden, obwohl Sie sich kein weiteres Kind wünschen, mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, ist aber tatsächlich ein gut erklärbares Phänomen. Emotionen sind oft nicht logisch im Sinne bewusster Entscheidungen, sondern tief in unseren biologischen, sozialen und psychologischen Mechanismen verwurzelt. Aus evolutionärer Perspektive sind wir soziale Wesen, die sich unbewusst an relevanten Gruppenwerten orientieren. In Gesellschaften, in denen Mutterschaft eine zentrale Rolle spielt, kann eine Schwangerschaft – bewusst oder unbewusst – als Symbol für Vitalität, Fruchtbarkeit und Zugehörigkeit wahrgenommen werden. Wieso sollte man da nicht mit einer Art „sozialem Vergleich“ reagieren? Auch aus sozialpsychologischer Sicht spielt der Vergleich mit anderen eine große Rolle: Wir orientieren uns an unserem Umfeld und prüfen ständig wo wir „stehen“. Ein Blick auf andere gesellschaftliche Bereiche zeigt, dass dieses Prinzip nicht nur auf das Thema Kinderwunsch zutrifft. Denken wir an den Arbeitskontext: Vor einigen Jahren galt es als erstrebenswert, über lange Arbeitszeiten und Überstunden zu sprechen, um den eigenen Status zu unterstreichen. Heute ist es hingegen oft prestigeträchtiger, von Flexibilität und einer guten Work-Life-Balance zu erzählen. Welche Kategorien als wichtig gelten, verändert sich – aber der Drang, in ihnen „gut“ abzuschneiden, bleibt bestehen. Ein weiteres wichtiges Konzept in diesem Zusammenhang ist Scham. Evolutionär betrachtet hat sich Scham als sozial regulierendes Gefühl durchgesetzt, weil sie hilft, das soziale Gefüge zu stabilisieren. Ohne sie würden wir in einer Gesellschaft leben, in der Menschen ihren Impulsen hemmungslos folgen – und das würde langfristig zu Chaos führen. Scham erinnert uns daran, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind und dass unser Verhalten in Beziehung zu anderen steht. In Ihrem Fall zeigt sich das daran, dass Sie Ihre Eifersucht als unangenehm empfinden und sich wünschen, sie nicht zu haben. Das ist ein Zeichen für Ihre hohe soziale Kompetenz – es bedeutet, dass Sie nicht nur Ihre eigenen Emotionen wahrnehmen, sondern auch reflektieren, wie diese in Ihrem sozialen Umfeld wirken könnten. Wichtig ist hierbei, Scham nicht als etwas ausschließlich Negatives zu sehen. Sie dient nicht nur als Kontrollmechanismus, sondern kann auch ein Motor für persönliche Entwicklung sein. Sie zeigt uns, wo wir wachsen können, indem wir unsere Werte und unser Verhalten bewusst hinterfragen. Sie haben gefragt, wie sie die Gefühle loswerden können: Ein erster wichtiger Schritt ist genau das, was Sie bereits tun: Ihre Gefühle wahrnehmen, ohne sie zu verurteilen. Sie sind kein Zeichen von moralischem Abgrund, sondern ein psychologisches Phänomen. Statt gegen die Eifersucht anzukämpfen, könnte es hilfreich sein, sie als Hinweis darauf zu sehen, dass ein Teil von Ihnen sich mit dem Thema Mutterschaft sehr verbunden fühlt – was ja auch etwas Schönes ist. Vielleicht können Sie sich bewusst machen, was Ihnen in dieser Lebensphase wichtig ist, jenseits der Kategorie „Baby“. Welche anderen Rollen und Aspekte bereichern Ihr Leben gerade? Und gibt es Bereiche, in denen Sie sich bewusst weiterentwickeln möchten? Zusätzlich kann es helfen, bewusst alternative Verbindungen zu den schwangeren Frauen zu schaffen: - Was verbindet Sie mit diesen Frauen noch, jenseits der Mutterschaft? - Gibt es Eigenschaften oder Lebensentscheidungen, für die Sie sie bewundern? - Gibt es etwas, wofür Sie diesen Frauen dankbar sind – vielleicht dafür, dass sie Erinnerungen in Ihnen wecken oder dass Sie durch sie etwas über sich selbst lernen? Ein interessanter Mechanismus ist zudem, ein Gefühl nicht zu unterdrücken, sondern es aktiv in etwas Positives umzuwandeln: Vielleicht möchten Sie bewusst eine nette Geste für eine dieser Frauen setzen – ein Kompliment, ein unterstützendes Wort oder eine kleine Aufmerksamkeit. Das verändert nicht nur Ihre Perspektive auf die Situation, sondern auch Ihre emotionale Reaktion darauf. Und zuletzt: Seien Sie nachsichtig mit sich: Emotionen kommen und gehen – und je weniger wir uns gegen sie wehren, desto sanfter klingen sie wieder ab. Herzliche Grüße und viel Spass beim persönlichen Wachstum, Miriam Hartz
Zwillingsmama1986
Vielen herzlichen Dank für diese umfassende und hilfreiche Antwort!
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