Frage im Expertenforum Gestärkt durch die Kinderwunschzeit an Dipl.-Psych. Miriam Hartz:

Altersabstand macht mich fertig

Frage: Altersabstand macht mich fertig

Lisi92

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Liebe Frau Hartz,   Ich weiß nicht was ich mir von dieser Frage erwarte aber ich weiß auch nicht wen ich sonst noch fragen könnte, da meine Familie und Freunde mein "Problem" mittlerweile schon als nichtig oder lästig abtun. Wir haben eine 2,5 jährige wundervolle Tochter. Sie ist direkt nach einer Eileiterschwangerschaft entstanden, bei der sowohl betroffener Eileiter als auch Endometrioseherde entfernt wurden. Vor ziemlich genau einem Jahr haben mein Mann und ich beschlossen, dass der perfekte Zeitpunkt für ein Geschwisterchen wäre. Ich wollte unbedingt einen Altersabstand unter drei Jahren- wissend dass es mit meinem einen Eileiter sicher ein paar Monate dauern würde.  Nach knapp einem Jahr, dass mich psychisch sehr fertig gemacht hat haben wir uns in einer KiWu-Klinik vorgestellt und sofort mit IVF gestartet. Ich dachte "Klasse, wenn das gleich hinhaut sinds ja nur 2 Monate über meinem "Limit" für die Altersgrenze". Aber dann war ich überstimuliert mit Freeze all, dann meinte der Arzt wir warten 2 Wochen für den Transfer (Stabiliserung mit Progesteron) - 2 Tage vor dem geplanten Transfer bekam ich meine Periode. Nun sind wir im Kryozyklus und alles was ich mir denke ist, dass der Altersabstand nun fast 3,5 Jahre betragen wird. Ich habe das Gefühl dass das zu viel ist, dass meine Tochter und das zukünftige Geschwisterchen zu weit auseinander sind um in der Kindheit viele Gemeinsamkeiten, enge Bindung oder eine Spielkamerad zu haben. Ich habe das Gefühl versagt zu haben und bin neidisch auf unsere Freunde und Familienangehörigen, bei denen allen der Altersabstand der Kinder unter 3 Jahren ist. Es zerfrisst mich tag und Nacht sodass ich momentan jede Nacht ins Kissen heule. Ich weiß eigentlich gar nicht was ich fragen will, vielleicht können Sie mir einfach einen Input zu meinen Gedanken geben. Danke und liebe Grüße   


Dipl.-Psych. Miriam Hartz

Dipl.-Psych. Miriam Hartz

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Liebe Lisi92, Ich denke wir sollten Ihr Gedankenkarussell vor dem Hintergrund betrachten, dass Sie mehrere Episoden des Kontrollverlusts erlebt haben. Eine Eileiterschwangerschaft kann lebensbedrohlich für die Mutter sein. Die mehreren missglückten Versuche, Überstimulation und die damit verbundenen Phasen der Ohnmacht führen bei vielen Frauen zu den Gefühlen, die Sie beschreiben: Versagen und Neid. Von Aussen kann man leicht sagen, dass das Quatsch ist so zu denken. Vor allem wenn es auch eine gesunde Schwangerschaft gab und ein gesundes Kind.  In meiner Arbeit mit betroffenen Klientinnen sind diese Gedankenkreisel ein sehr typisches Muster. Es scheint die Anpassungsleistung zu sein, die in der Situation möglich ist. Meistens ist eine Verkettung von Diagnosen, übersehenden Diagnosen und Eingriffen am Werk, die zu diesen Verläufen führen. Sich dann in so etwas reinzusteigern, dass der Abstand zwischen den Kindern zu groß ist und sich darüber aufzuregen, dass nichts planbar ist, scheint von Aussen nicht nachvollziehbar und alle wollen Ihnen das ausreden. Daher tue ich jetzt mal das Gegenteil: Ich finde es wunderbar, dass Sie etwas gefunden haben, über das Sie sich so richtig ärgern können und traurig sind. Sie sind gerade in einem Kryoversuch und haben vermutlich sehr große Angst, dass wieder irgendetwas passiert oder nicht kontrollierbar/planbar verläuft. Vielleicht auch, dass es tatsächlich klappen könnte und Sie genau wissen, wie anstrengend ein Säugling ist und auch das Großziehen von zwei Kindern (egal wie groß der Abstand ist). Im Vergleich dazu ist doch ein Reinsteigern in das Drama, dass der Abstand der Kinder zu groß sein könnte, viel kleiner. Auch wenn Sie damit ihrem Umfeld auf die Nerven gehen: machen Sie damit weiter. Es ist Ihr Ventil, die ganze Angst, den Kummer und die Wut in etwas zu kanalisieren. Das stabilisiert Sie gerade vermutlich sogar. In ein paar Tagen haben Sie Klarheit, ob der Kryoversuch geklappt hat oder nicht. Sollte es nicht geklappt haben, können Sie noch einmal neu nachdenken, ob Sie weitermachen werden, oder ob der Abstand „wirklich“ zu groß ist. Dass der ideale Geschwisterabstand 2 Jahren sein sollte, ist ein gesellschaftliches Narrativ, kein entwicklungspychologisch basiertes empfohlenes Konzept. Aus der Bindungstheorie oder anderen Forschungsrichtungen ist mir derzeit nicht bekannt, dass eine Abweichung von den 2 Jahren einen direkten oder sogar negativen Einfluss haben könnte. Familien sind bunt und komplex. Gesunde Beziehungen in Familiensystemen sind eher davon beeinflusst, wie stabil die Eltern sind.  Herzliche Grüße, Miriam Hartz PS: Übrigens verarbeitet Ihr Körper gerade auch einen kräftigen Hormoncocktail….bitte mit bedenken, dass das auch Ihre Denkweise beeinflusst und man manchmal das Gefühl hat, in dieser Phase nicht ganz man selbst zu sein


SonjaXY

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Hallo Lisi,  das tut mir sehr leid, dass es mit dem zweiten Wunschkind aktuell nicht klappt und ich kann gut nachvollziehen, dass das schmerzt.  Ich bin zwar keine Psychologin aber deine Nachricht hat mich sehr berührt und ich dachte, ich erzähle dir mal von meiner Erfahrung. Ich habe selbst ältere Geschwister und mit den zwei ältesten bin ich einmal 7 und einmal 9 Jahre auseinander. Und ich habe aber mit allen Geschwistern ein super Verhältnis. In der Kindheit habe ich zu den Großen aufgeschaut, konnte mit denen als Teenie über alles sprechen (gerade auch über Dinge, die einem vor den Eltern peinlich wären), irgendwann haben die mich mit dem Auto mitgenommen und ich habe coole Dinge mit denen unternommen. Auch heutzutage als Erwachsene haben wir alle ein gutes Verhätnis und stecken sogar jetzt in den gleichen Lebenssituationen. Waren gleichzeitig schwanger usw. Meine Mutter hat immer erzählt, dass die großen sehr gerne mit mit als Baby und Kleinkind gespielt haben und Zeit mit mir verbracht haben. Und für meine Mama war das auch gut, weil die Großen schon etwas mithelfen konnten.    Ein gutes Geschwisterverhältnis hängt nicht vom Alter und dem Altersunterschied ab, sondern in erster Linie wie die Eltern mit den Kindern umgehen und alle gleich lieben.    Ich wünsche dir ganz viel Kraft und alles Gute!   


Lisi92

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Liebe Sonja, vielen Dank für deine liebe Nachricht - das baut mich tatsächlich auf❤️‍🩹 es fehlt mir irgendwie an Erfahrungsberichten, die einen größeren Abstand zeigen. Danke dafür♥️


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