Guten Tag,
ich habe bereits einen gesunden Sohn, dafür bin ich sehr dankbar!
Leider habe ich unser 2. Kind vor 10 Tagen (in der 12. Woche) verloren, diese Erfahrung war sehr traumatisch für mich.
Seitdem kann ich mir nicht mehr vorstellen, nochmal schwanger zu werden, weil ich sehr große Angst davor habe, dass mir das wieder passiert. Was kann ich dagegen tun?
Vielen Dank!
von
Frau Engel
am 26.12.2023, 00:04
Antwort auf:
Ängste nach Fehlgeburt
Liebe Frau Engel,
ohje, anscheinend habe ich das System nicht richtig bedient, so dass meine Antwort an Sie nicht sichtbar war.
Es tut mir leid, dass Sie Ihr Kind verloren haben. Das ist zunächst schwer auszuhalten, nicht zu begreifen und einfach unfassbar traurig. Auch wenn wir alle wissen, dass diese Risiken „dazugehören“. Wenn es dann eintritt, begreift man erst das Ausmass des Schmerzes. Ich schreibe dies so deutlich, damit ich Ihnen auch sagen kann, dass Ihre Reaktion absolut nachvollziehbar ist, dass Sie sich mit Ihrer Erfahrung aktuell keine weitere Schwangerschaft vorstellen können.
In einem akuten Zustand der Trauer geht es zunächst um den Schmerz, den Verlust, das Abschiednehmen. Wie nehmen Sie Abschied? Es gibt für die Verluste in den ersten Wochen keine etablierten Rituale wie zB eine Beerdigung mit Grabstein. Das macht einen frei, sich selbst etwas zu überlegen, was zu einem passt. Ich halte das für wichtig, damit die Gedanken auch später noch in dieses Ritual wandern können, wenn die Trauer einen unerwartet wieder einholt. Trauer verläuft in Wellen - manchmal auch in Schleifen, weil man aus bestimmten Gemütszuständen nicht rauszukommen scheint. Das verändert sich aber über die Zeit und meistens gibt es eine Form von Entwicklung, in dem man den Verlust in die eigene Biographie integriert.
Jetzt ist es ja schon ein paar Tage weiter. Wie geht es Ihnen denn aktuell? Welche Veränderungen nehmen Sie wahr? Haben Sie Frauen in Ihrem nahen Umfeld, die ebenfalls eine Fehlgeburt erlebt haben, mit denen Sie sich austauschen können?
Zu den Ritualen:
Ich begleite aktuell eine Klientin, die einen Stein mit dem Namen des Kindes bemalt und an einem Fluss zu anderen Steinen gelegt hat. Sie hat für sich erarbeitet, dass ihre Verbindung mit dem Kind das Wasser ist, da sie es mit der Blutung in der Toilette verloren hat. Es mag schräg für die Frauen klingen, die hier mitlesen und noch keine Fehlgeburt erlebt haben. Aber die meisten Frauen, die eine Schwangerschaft in den ersten Wochen verloren haben, haben sie in der Toilette verloren. Insofern fand ich das Ritual für diese Klientin sehr stimmig. Eine andere ist noch weiter gegangen und hat auf einer Schiffsüberfahrt auf den Kanaren einen Stein und einen Brief an das Kind ins Meer gegeben.
Eine andere Klientin hat hier in Frankfurt bei den Apfelwiesen einen Baum pflanzen lassen mit Namen. Manchmal geht sie dort hin, um dort bewusst der Traurigkeit nachzugeben.
Ein Paar habe ich noch in Erinnerung, die sich die Erinnerung an ihr verlorenes Baby mit einem kleinen Symbol an die gleiche Stelle auf den Körper tätowiert haben.
Sie sehen, das Spektrum ist groß. Und wenn Sie aktuell noch in dem Zustand sind, in dem Sie sich eigentlich nur unter eine Decke vergraben möchten, dann ist das in dieser Phase auch völlig ok. Irgendwann demnächst werden Sie vielleicht ein Ritual für sich entwickeln, um Ihrer Trauer einen Ort zu geben. Und irgendwann demnächst, wenn Sie sich aus dem akuten Zustand bewegt haben, wird es soweit sein, dass Sie sich Gedanken dazu machen, ob Sie sich eine weitere Schwangerschaft vorstellen können. Was auch immer Sie dann entscheiden, wird für Sie das Richtige sein. Nur weil Fehlgeburten auch „dazu gehören“, muss man dieses Risiko nicht nochmal eingehen. Und wenn Sie sich für eine weitere Schwangerschaft entscheiden, dann werden Sie bereits zu Ihrem Mut und Ihrer Kraft zurückgefunden haben.
Ich schicke Ihnen eine herzliche virtuelle Umarmung
Miriam Hartz
von
Dipl.-Psych. Miriam Hartz
am 06.01.2024
Antwort auf:
Ängste nach Fehlgeburt
Schade, dass ich keine Antwort bekommen habe.
von
Frau Engel
am 06.01.2024, 12:19
Antwort auf:
Ängste nach Fehlgeburt
Guten Tag Frau Hartz,
vielen Dank für Ihre Antwort, die mir sehr weiter hilft.
Mittlerweile geht es mir etwas besser, mir hilft es, mit anderen Frauen, die auch eine Fehlgeburt hatten, zu sprechen. Ich merke auch, das ich besser damit umgehen kann und die Angst vor einer weiteren Schwangerschaft etwas kleiner geworden ist. Trotzdem möchte ich mir die Zeit nehmen, zu trauern und das Ganze zu verarbeiten.
Ich werde sicherlich ein Ritual, das Sie beschrieben haben finden, das mir im Trauerprozess weiter helfen wird.
Liebe Grüße und nochmal vielen lieben Dank!
von
Frau Engel
am 08.01.2024, 13:22
Antwort auf:
Ängste nach Fehlgeburt
Liebe Frau Engel, danke für Ihre Rückmeldung. Dies hilft auch anderen Leserinnen. Ich freue mich zu lesen, dass Sie Veränderungen in Ihrer Gefühlslage und Haltung wahrnehmen. Die Verarbeitung ist ein Prozess....
Herzlichst, Miriam Hartz
von
Dipl.-Psych. Miriam Hartz
am 08.01.2024