Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillabstände

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillabstände

Mitglied inaktiv

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Hallo Biggi, mein Sohn (fast 6 Monate) hat vor ein paar Monaten schonmal jede Nacht 6 Stunden durchgeschlafen. Seitdem sind die Abstände zwischen den nächtlichen Stillmahlzeiten immer kürzer geworden. Erst alle 4 Stunden, dann alle 3 Stunden, seit Wochen schon alle 2 Stunden und in der letzten Nacht musste ich ihn sogar jede Stunde stillen. Könnte dies ein Zeichen sein, dass wir mit Beikost beginnen sollten? Welche andere Ursache könnte es haben? Schonmal Danke und LG, Fabiola


Biggi Welter

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Liebe Fabiola, Sie sind wie so viele Menschen zwei Gerüchten aufgesessen: 1. mit zunehmendem Alter schläft ein Kind immer länger und das bleibt so, dass mit sechs Monaten spätestens alle Kinder durchschlafen und 2. ein Baby brauche nur die entsprechende Menge einer bestimmten Nahrung und dann würde es durchschlafen. Beides ist schlicht falsch. Studien haben belegt, dass die frühe Einführung von fester Kost KEINEN positiven Einfluss auf das Schlafverhalten des Kindes hat und es ist entwicklungsbedingt so, dass Kinder ab vier bis sechs Monaten (wieder) vermehrt nachts aufwachen. Es ist erst dann sinnvoll mit der Beikost zu beginnen, wenn das Baby die folgenden Anzeichen zu erkennen gibt: o es ist in der Lage aufrecht zu sitzen, o der Zungenstreckreflex, durch den das Baby feste Nahrung automatisch wieder aus dem Mund herausschiebt, hat sich abgeschwächt, o es zeigt Bereitschaft zum Kauen, o es kann selbstständig Nahrung aufnehmen und in den Mund stecken und interessiert sich dafür, o es zeigt ein gesteigertes Stillbedürfnis, das sich nicht mit einer Erkrankung, dem Zahnen oder einer Veränderung in seiner Umgebung oder in seinem Tagesablauf in Verbindung bringen lässt. Dies ist meist etwa mit sechs Monaten der Fall, bei wenigen Kindern früher, bei gar nicht so wenigen später. Ehe diese Zeichen nicht zu erkennen sind, sollte noch keine Beikost eingeführt werden. Auch Babys, die mit künstlicher Säuglingsnahrung gefüttert werden, sollten in den ersten sechs Monaten keine andere Nahrung erhalten. Gäbe es die "Wundernahrung", die ruhige Nächte garantiert, wäre sie außerdem längst (mit großem Werbeaufwand bekannt gemacht) im Supermarkt oder der Apotheke zu kaufen und es würde sich jemand eine goldene Nase damit verdienen. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. In unzähligen Ratgebern und Broschüren steht, dass ein Baby mit etwa zwei bis drei Monaten nachts längere Schlafphasen haben wird und mit etwa einem halben Jahr damit zu rechnen sei, dass es "durchschlafe". Und genau diese Erwartung, die allerdings absolut unrealistisch ist, haben dann auch die Eltern. Gleichzeitig ist der Markt überschwemmt von Büchern, in denen verschiedene Strategien propagiert werden, wie ein Baby oder Kleinkind das Schlafen "lernen" könne. Würde die Mehrzahl aller Kinder tatsächlich dem immer wieder verkündeten Schema gemäß schlafen, dann bräuchte kaum jemand alle diese Schlafratgeber und dann würde es sie auch nicht in jedem Buchladen geben, denn es würde sie ja keiner kaufen. Buchhändler und Verlage sind aber nicht darauf aus, Bücher zu produzieren, die im Regal verstauben. Es ist also einfach so, dass eine unrealistische Erwartungshaltung auf das reale Verhalten des Babys trifft und damit machen wir Eltern uns und unseren Kindern das Leben schwer. Vermehrtes nächtliches Aufwachen ist ab etwa vier bis sechs Monaten ein normales Verhalten bei Babys und zwar nicht, weil das Kind nicht mehr satt würde, sondern entwicklungsbedingt. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Es gibt jedenfalls genügend Gründe dafür, dass das Kind unausgeglichen ist und nachts häufiger aufwacht. Für die Mütter ist es meist schwer, diesen "Rückschritt" zu akzeptieren. Doch in Wirklichkeit ist es ein Fortschritt, denn dein Kind hat wichtige neue Entwicklungsschritte gemeistert und ist dabei noch weitere anzugehen. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen (die dem Kind das nächtliche Stillen "abgewöhnen"), die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden und selbst die Verfechter sprechen sich gegen eine Anwendung in diesem Alter aus, bleibt Ihnen in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Wo schläft Ihr Baby denn? Die Nächte können sehr viel einfacher werden, wenn das Baby in unmittelbarer Nähe der Mutter schlafen kann. Für die Mutter ist es sehr viel praktischer, wenn das Baby mit im eigenen Bett liegt (was weltweit bei Mehrzahl aller Kinder und in unserer Kultur sehr viel mehr als von den Eltern zugegeben wird der Fall ist) oder auf einer Matratze oder in einem Kinderbett direkt neben ihrem Bett. Die Mutter muss nachts nicht aufstehen, muss nicht erst richtig wach werden, sondern kann im Liegen stillen und unmittelbar danach weiterschlafen. Auch das Kind muss gar nicht erst richtig wach werden und zu schreien beginnen und kann somit auch schneller wieder einschlafen. Auf diese Weise kann viel Kraft gespart werden und die Nächte verlaufen für alle Beteiligten ruhiger. Als stillende Mutter haben Sie den ungeheuren Vorteil, dass Sie Ihr Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten können, ohne dass Sie richtig wach werden und aufstehen müssen. Genießen Sie dieses Privileg, sich einfach nur umdrehen zu müssen und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen können. Spannen Sie auch Ihren Partner (wenn Sie einen haben) ein. Väter können sehr wohl auch einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Sie im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen können. Haben Sie ein wenig Geduld mit sich und Ihrem Kind und versuchen Sie sich den Alltag so einfach wie möglich zu machen, damit Sie genügend Ruhe für sich bekommen. Es kommen auch wieder einfachere Zeiten. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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Hallo Biggi, Danke für die Antwort! Ich hatte nach dem Zusammenhang zwischen Stillabständen und Beikost gefragt, da es im Buch von Gabi Eugster heißt (S. 12): "Zeichen, dass das Baby für den Breistart bereit ist: Das Baby will einige Tage nacheinander häufiger gestillt werden. Und zwar weil es nicht mehr satt wird ... usw." Ist diese Aussage demnach falsch? Auch schonmal Danke für die nächste Antwort! LG Fabiola


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Hey du, ich hab das Buch auch gerade hier liegen :-) Das ist nur eins von den 10 Kriterien für die Beikostbereitschaft, die Gabi Eugster da aufzählt und "die meisten [sollten] beim Breistart erfüllt sein". In dem Kontext ist die Aussage sicher nicht falsch.


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Hallo Felis, du denkst also schon, dass das häufige Stillen (nachts stündlich) ein Zeichen dafür sein könnte, dass das Baby nicht mehr satt wird? LG Fabiola


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Wenn die anderen Anzeichen auch da sind, dann kann es schon damit zusammenhängen, wenn es nur die kurzen Abstände sind, dann eher nicht. Aber vor dem 7. Monat würde ich eh nicht zufüttern wegen der Reife des Darms. Mein kleiner Sohn ist auch in dem Alter und kommt auch schon seit Weihnachten nachts in immer kürzeren Abständen. In einer Woche ist er 6 Monate alt, bis dahin wird er es nun auch noch aushalten ;-) Ich erwarte nicht, dass die Beikost viel am Schlafverhalten ändern wird, der Zusammenhang wird wohl allgemein ziemlich überbewertet.


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"o es zeigt ein gesteigertes Stillbedürfnis, das sich nicht mit einer Erkrankung, dem Zahnen oder einer Veränderung in seiner Umgebung oder in seinem Tagesablauf in Verbindung bringen lässt."


Biggi Welter

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Liebe Fabiola, es ist schon richtig, was Gabi Eugster schreibt, allerdings bezieht sich das nicht auf das nächtliche Durchschlafen. Es kann gut sein, dass Ihr Baby bereit ist für Beikost und diese auch braucht und mag, aber es wird deswegen nicht besser schlafen. Dieses Aufwachen liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. LLLiebe Grüße, Biggi


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