Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Nächtliches Stillen

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Nächtliches Stillen

Mitglied inaktiv

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Unser kleiner Marius ist jetzt 14 Monate alt. Marius wurde 8 Monate voll gestillt, danach haben wir sehr langsam Mahlzeiten ersetzt. Inzwischen wird er nur noch abends, nachts und morgens gestillt und darin liegt meine Frage. Marius schläft abends um ca. 8 Uhr. Das erste mal will er dann gestillt werden um ca. 23 Uhr, obwohl er abends sehr reichlich (!!) isst. Dann wieder ca. 3 Uhr und dann wieder um 6 Uhr womit er die Nacht dann meist für beendet erklärt. So sieht unsere Nacht aus wenn es SEHR gut läuft!! :) Jetzt meine Frage: ich bin körperlich ziemlich an meine Grenzen gekommen. Ich würde auch für Marius so weitermachen wenn ich wüsste wie lange das noch so geht, ich sozusagen ein Ziel hätte!! Marius ist unser 1. Kind und im Moment fühl ich mich als sei ich dazu verdammt nie wieder schlafen zu können. Ich möchte ihm die Brust auch nachts wirklich nicht verweigern aber wann ist denn mal schluss damit?? Muss man die Kinder davon abbringen oder entwöhnen sie sich irgendwann selbst?? Und wenn sie es selbst machen, wann wird das sein??? Bin langsam wirklich am Grübeln, ob ich so weitermachen sollte. Marius lässt sich nachts durch nichts anderes beruhigen als durch's stillen. Das würde er vom Temperament her auch bis zum nächsten Morgen durchziehen schätze ich :) Über einen Rat wäre ich sehr dankbar. Herzliche Grüße Marius und Britta


Biggi Welter

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Liebe Britta, also zunächst einmal möchte ich dich beruhigen: Es ist nicht schlimm, und schon gar nicht ein "Versagen" deinerseits, Marius noch nicht alleine ein- und durchschlafen mag. Ganz im Gegenteil: DIESES Verhalten ist das normale, will heißen, so hat die Natur es vorgesehen, so entspricht es der Natur eines Menschenjungen. Hast du gewusst dass ein junger Elefant eingeht, wenn er in den ersten 2 Lebensjahren nicht die PERMANENTE Anwesenheit seines Hauptbezugs"tieres" hat (kann auch ein Mensch sein...). Wenn ein Elefantenbaby zum Waisenkind wird bekommt es im Zoo selbstverständlich einen Pfleger zur Seite gestellt, der Tag und Nacht Hautkontakt bietet. Kein Mensch würde die Notwendigkeit dafür in Frage stellen. Nur mit unseren eigenen Babys, die viel unreifer geboren werden, erwarten wir so viel mehr. Das ist ein Punkt, der viele Diskussionen auslöst und bei Mutter und Kind zu vielen Tränen führen kann: Das Kind soll "wach" ins Bett gelegt werden und alleine einschlafen können (was eine enorme neurologische Leistung darstellt). Wenn es aber nur an der Brust oder im Körperkontakt mit der Mutter einschlafen kann, dann verurteilen wir dies als schlechte oder gar schädliche Angewohnheit... Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit anschauen, dann wissen wir, dass es sich ein Urmensch und auch heute noch Menschen, die nicht so komfortabel wie wir in einem fest gemauerten Haus in "zivilisierter" Umgebung wohnen, nie leisten konnten und könnten, ihr Kind einfach "wach" irgendwo hinzulegen, damit es alleine schläft. Das Risiko, dann innerhalb von kürzester Zeit den Verlust eines Kindes betrauern zu müssen ist da viel zu groß. Der Punkt ist der, dass Babys und Kleinkinder ganz gleich was alle diesen Bücher und Hochglanzbroschüren sagen nicht dazu gedacht sind, alleine (ein)zuschlafen. Für ein Baby ist es absolut normal, dass es in den Armen und an der Brust der Mutter einschläft. "Emanzipierte" Babys sind in der Evolution noch nicht vorgesehen und da unsere Kinder mit der gleichen genetischen Ausstattung auf die Welt kommen, wie in grauer Vorzeit, funktioniert nicht alles sofort so, wie es in unsere moderne Welt passen würde. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses "natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit "Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Alleine sein bedeutet für ein Baby oder Kleinkind aus seiner Sicht Lebensgefahr. Sie wissen nicht, dass es heute und in unserer Gesellschaft unwahrscheinlich ist, dass sie von einem wilden Tier gefressen werden, wenn sie alleine sind. Wir können einfach nicht erwarten, dass unsere Babys "begreifen" dass ihnen doch alleine nichts passieren kann und wir können sie auch nicht dazu bringen, dass sie in diesem jungen Alter ein Gefühl dafür entwickeln, dass es doch "nur fünf Minuten" oder welche Zeitspanne auch immer ist, die sie warten müssen bis wieder jemand kommt. Also: Das Einschlafen an der Brust ist nicht wirklich ein Problem, denn es entspricht der Natur der Kinder, die genau dort die Ruhe, Geborgenheit und Zuversicht finden (mal ganz abgesehen von der wertvollen Muttermilch), die es ihnen ermöglicht, sich dem Schlaf hinzugeben. Kleine Kinder haben es sehr schwer, einzuschlafen, das hängt mit ihrem unreifen Nervensystem zusammen und wird ganz von allein, sobald sie reif genug dafür sind, sich auflösen! Ihn schreien zu lassen wäre das grausamste, was du ihm antun kannst, denn es würde das Vertrauen in dich und in das Leben erschüttern! Es gibt wirklich kaum noch jemanden (außer Autoren und Verlage, die gut verdienen an den Büchern, die solche Methoden anbieten...), die diese Methoden empfehlen würden. Nicht einmal der "Erfinder" selbst, auf den Bücher wie "Jedes Kind kann schlafen lernen" basieren (siehe auch unter www.ferbern.de). Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin erhältlich ist. Dr. Sears ist nicht nur Kinderarzt, sondern auch achtfacher Vater und aus seinen Büchern spricht nicht die graue Theorie, sondern auch eine ganze Menge Lebenserfahrung im Zusammenleben mit Kindern. Sollte es nun für dich trotzdem wichtig sein, dass dein Kind ohne dich in den Schlaf finden kann, dann ist es selbstverständlich akzeptabel, nach Alternativen zu schauen. Papa kann eine solche Alternative sein, denn vermutlich ist er nach dir die Hauptbindungsperson für dein Kind und somit gut geeignet, es zu beruhigen. In diesem Fall kann ich dir als Buch empfehlen Elizabeth Pantley: "Schlafen statt Schreien: Das liebevolle Einschlafbuch: Das 10-Schritte-Progamm für ruhige Nächte", das im Herbst auf Deutsch erschienen ist. Pantley hat ein Programm entwickelt, mit dem man älteren Babys, auch Stillkinder, dabei helfen kann, auch ohne Brust oder ständiges Stillen die Nacht zu schaffen. Auch wenn man nicht alle ihre Schritte anwendet haben viele Mütter doch gute Erfahrungen mit diesem Buch gemacht. Ich hoffe, die Antwort hilft dir ein wenig weiter. LLLiebe Grüße, Biggi


Mitglied inaktiv

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Vielen Dank, liebe Biggi, für die ausführliche Antwort. Viele interessante Dinge hast Du geschrieben, freu mich davon erfahren zu haben. Habe Sears "Schlafen und wachen" gelesen und viele andere Bücher der LLL. Möchten Marius mit aller Liebe aufwachsen lassen und lesen viel und doch sind wir immer mal wieder ratlos. Schreien lassen kommt gar nicht in Frage. Nachts genauso wenig wie tagsüber. Aber daher - entschuldige dass ich nochmal frage - wüsste ich gern wann ein Baby oder Kleinkind und vor allem wann unser Marius denn wohl anfängt nachts weniger nach der Brust zu verlangen? Dass Du es mir nicht genau sagen kannst ist mir bewust, ein Datum würde mir schon reichen!! :)) Es ist einfach nur weil ich so unbeschreiblich ausgemergelt bin und mich so sehr nach ein paar Stunden Schlaf am Stück sehne!! Ganz liebe Grüße und vielen Dank Britta


Biggi Welter

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Liebe Britta, ich kann dir nicht sagen, wann dein Baby durchschlafen wird, eben so wenig wie ich dir sagen kann, wann es krabbeln, laufen oder das erste Mal "Mama" sagen wird. Marius wird sich nach seinem eigenen Zeitplan entwickeln und wenn er so weit ist, dass er durchschlafen kann, dann wird er es tun. Du kannst ihm helfen, indem Du ihm Liebe und Geborgenheit gibst und ihn so akzeptierst wie er ist. Niemand würde an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, wir sollten auch nicht an unseren Kindern "ziehen". Hab ein wenig Geduld mit dir und deinem Kind und versuche dir den Alltag so einfach wie möglich zu machen, damit Du genügend Ruhe für dich bekommst. Die Nächte können sehr viel einfacher werden, wenn das Baby in unmittelbarer Nähe der Mutter schlafen kann. Für die Mutter ist es sehr viel praktischer, wenn das Baby mit im eigenen Bett liegt (was weltweit bei Mehrzahl aller Kinder und in unserer Kultur sehr viel mehr als von den Eltern zugegeben wird der Fall ist) oder auf einer Matratze oder in einem Kinderbett direkt neben ihrem Bett. Die Mutter muss nachts nicht aufstehen, muss nicht erst richtig wach werden, sondern kann im Liegen stillen und unmittelbar danach weiterschlafen. Auch das Kind muss gar nicht erst richtig wach werden und zu schreien beginnen und kann somit auch schneller wieder einschlafen. Auf diese Weise kann viel Kraft gespart werden und die Nächte verlaufen für alle Beteiligten ruhiger. Als stillende Mutter hast Du den ungeheuren Vorteil, dass Du dein Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten kannst, ohne dass Du richtig wach werden und aufstehen musst. Genieße dieses Privileg, dich einfach nur umdrehen zu müssen, so dass dein Kind an deine Brust kann und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen kannst. Du machst nichts falsch, wenn Du dein Baby dann stillst, denn Stillen ist ja nicht nur Ernährung, sondern gibt deinem Kind auch Nähe, Geborgenheit und Sicherheit. LLLiebe Grüße Biggi


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