VEV90
Liebe Frau Henkes, meine Tochter ist 4,5 Monate und ich habe immer wieder Momente, in denen ich sehr verzweifelt bin aus Sorge, nicht alles richtig zu machen. Ich arbeite nicht und versuche jeden Tag so schön wie möglich für meine Tochter zu gestalten. Aber ich hatte eine Wochenbetthebamme, die relativ alt ist und daher öfters Ratschläge gegeben hat, die heute nicht mehr vertreten werden. Das habe ich aber erst in den letzten Wochen gemerkt - seitdem lese ich überall wie wichtig Bindung für das Urvertrauen ist und mache mir riesige Vorwürfe. Ich habe mein Baby die ersten Monate gar nicht im Tuch getragen, sondern es lag immer alleine auf dem Bett und hat dort geschlafen. Außerdem war meine Hebamme der Überzeugung die Bauchlage müsse trainiert werden und man kann das Baby ruhig dabei ein bisschen jammern lassen, weil es "Fustration aushalten lernen muss", wenn es nicht mehr kann. Sie hat außerdem gesagt, ich soll sie zum schlafen wach hinlegen. Das habe ich zwar nie geschafft, weil ich sie nicht weinen lassen konnte, aber ich habe es immer wieder geübt - schon mit 6 Wochen. Jetzt habe ich große Angst, meiner Tochter geschadet zu haben, weil ich ihre Bedürfnisse nicht richtig erfüllt habe. Allerdings muss ich sagen, dass sie nie weinen lassen hab, bzw. sie eigentlich so gut wie gar nie geweint hat, auch nicht wenn sie Hunger hatte. Wie ist Ihre Einschätzung? Kann ich darauf vertrauen, dass ein Baby auf bindungsschädigendes Verhalten immer mit Weinen reagiert? Also umgekehrt, wenn sie nie geweint hat, ist dann alles in Ordnung? Kann sie ein psychisch gesunder Mensch werden? Ab wann können Babys mit Frustration tatsächlich umgehen? Vielen Dank!
Guten Tag, machen Sie sich bitte keine Sorgen. Mütter können nie alles richtig machen. Das wäre übermenschlich. Es ist auch gar nicht nötig. Es reicht völlig, es so gut wie möglich zu machen, um ein Kind sicher zu binden. Babys reagieren mit Weinen, wenn ihre Bedürfnisse nicht in genügendem Ausmaß erfüllt werden. Sie schreiben, dass Ihre Tochter sehr wenig weint. Das dürfen Sie als Indiz dafür nehmen, dass es ihr bei Ihnen gut geht. Sie kann nämlich noch keine Frustrationen aushalten. Damit mühen sich in Ansätzen erst Kleinkinder. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn ein Säugling alleine im Bett liegt und ruhig schläft. Sie haben ja nicht versucht, Ihre Tochter trotz Weinens dazu zu zwingen. Auch das empfohlene (kurzfristige) Jammern lassen ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Babys im Alter Ihrer Tochter bekommen so die Möglichkeit, sich Techniken der Selbstberuhigung anzueignen. Auch wenn viele Ratschläge Ihrer Hebamme heute zu Recht überholt sind, bedeutet es doch nicht, dass diese früher grundsätzlich zu Bindungsstörungen geführt hätten. Dann wären ja alle älteren Menschen bindungsgestört. Ganz bestimmt schenken Sie Ihrer Tochter so viel Liebe und Aufmerksamkeit, dass sie sich bei Ihnen sicher und geborgen fühlt und die Bindung sich immer mehr vertieft. Ich möchte Sie noch ermuntern, im Umgang mit Ihrer Tochter mehr auf Ihr Gefühl zu vertrauen. Sie haben bereits einige Ratschläge der Hebamme ignoriert und jetzt gemerkt, dass Vieles unpassend für Sie war. Heute wird man im Netz oft mit Ratschlägen überschüttet. Das kann genau so unpassend sein wie die Vorschläge der Hebamme. Schauen Sie in Ruhe, was für Sie und Ihre Tochter passt. Das gelingt in der Regel. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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