Annesan
Guten Abend Herr Nohr, Unser Sohn ist jetzt 3,5 Jahre alt und hat eine Schwester die nächsten Monat ein Jahr alt wird. Seid dem seine Schwester auf der Welt ist zeigt er kein Interesse an ihr, fasst sie nicht an, hatte sie noch nie auf dem Schoß (was er nicht muss und wir ihn auch nie dazu zwingen werden) und redet nicht wirklich mit ihr. Es ist eher ein „sie darf nicht zu mir, sie soll mich nicht anfassen....“ ABER er hat dennoch große Angst um sie und das Ihr etwas zustoßen könnte (evtl. etwas verschlucken, von der Terrasse fallen, wegkrabbelt..) und äußert das immer mit einem Hilfeschrei. Wir fragen uns einfach, wie wir den Umgang zwischen den beiden stärken können. Und das er vielleicht ein bisschen mehr körperlichen Kontakt zulässt oder zu ihr sucht. Oder ist das in dem Alter völlig normal und unsere Erwartungen sind einfach zu hoch? Haben sie einen Tipp für uns? Zu unserem Sohn kann ich sonst noch sagen, das er eh nicht der Typ ist, der sofort zu anderen Kinder rennt, mehr den Kontakt zu erwachsenen sucht Und eher der Beobachter ist. Herzlichen Dank und viele Grüße
Dr. med. Ludger Nohr
Hallo, was Sie beschreiben nennen wir im Fachjargon einen Ambivalenzkonflikt. Ihr Sohn muß in sich beide Gefühle aushalten und damit leben. Er liebt seine Schwester und gleichzeitig ist sie ein massiver Störfaktor in seinem Leben. So hält er sie bewusst fern, lehnt den körperlichen Kontakt ab, will Abstand halten. Seine spontane Sorge um sie zeigt, dass er sich auf einer anderen Ebene sehr verantwortlich für sie fühlt. Ich finde es oft hilfreich, wenn man als Eltern diesen Konflikt anerkennt und nachfühlt. Dann kann man auch in einer passenden Situation das Problem ansprechen ("ich kann mir vorstellen, dass es für dich gar nicht einfach ist, jetzt alles mit deiner Schwester teilen zu müssen" o.ä.). Damit wird für ihn erkennbar, dass Sie seinen Konflikt sehen, ohne ihn deshalb abzulehnen (er selbst fühlt sich nämlich schuldig für die ablehnenden Gefühle). Dieses bewusst machen, vorsichtig, einfühlsam und nicht fordernd oder anders stark beeinflussend, ist schon eine große Hilfe für Ihren Sohn, weil er sich mit dem Problem nicht mehr alleine fühlen muß. (Verständnis heißt übrigens nicht, dass er z.B. seine aggressiven Impulse gegenüber der Schwester ausleben darf. Aber dass er sie hat, ist nicht Ausdruck von Fehlentwicklung o.ä..) Mit der Zeit wird Ihr Sohn dann lernen (auch mit Ihrer Hilfe, z.B. wenn er Fragen dazu stellt) mit dieser Ambivalenz umzugehen und passendere Formen des Umgangs finden. Aber wie Sie wissen, sind Geschwister und ihre Beziehungen eine lebenslange Geschichte. Dr.Ludger Nohr
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