Frage: Falsche Erziehung oder ADHS?

Liebe Frau Henkes, ich bin momentan sehr verzweifelt und mache mir viele Sorgen um meinen Sohn. Er ist 5 Jahre alt, wird im August 6. Glücklicherweise wird er erst nächstes Jahr eingeschult.  Kurz zu unserer Familiensituation: wir leben in einer Patchwork Familie. Mein Mann hat einen Sohn aus früherer Beziehung (Junge 8 Jahre, ist jetzt durch unseren Umzug in eine andere Stadt nur noch jedes zweite Wochenende bei uns, vorher gab es wöchentlich einen Wechsel), und es gibt noch ein kleines Baby (4 Monate). Wir sind, wie gesagt, vor kurzem umgezogen. Für unseren Sohn, um den es geht, gab es dementsprechend viele Veränderungen in den letzten 5 Monaten. Neuer Bruder, alte Kita verabschieden, Umzug, 1 Monat zu Hause sein, neue Kita, ... Die "Probleme" oder Sorgen, die wir mit ihm haben, gibt es aber schon länger.  Diese sind aber mittlerweile so verstärkt, dass ich gern wüsste, was wir verändern können. Er ist sehr impulsiv, teilweise aggressiv, kann sich in seinen Wutanfällen nicht kontrollieren, entschuldigt sich manchmal kurze Zeit später aber für sein Verhalten. Zuletzt waren wir auf einem Spielplatz und er hat einem Jungen einen kleinen Kieselstein an den Kopf geworfen weil dieser ihn vorher geschubst hat. Was noch mehr stört ist, dass er absolut nicht still sitzen kann. Ihm fällt es total schwer, bei den Mahlzeiten weiter sitzen zu bleiben, sobald er selbst fertig gegessen hat. Wir müssen ihn bis zu 10x ermahnen, weil er auch ständig die Aufforderungen zum stillsitzen wieder vergisst oder ignoriert. Mir ist bewusst, dass die Medienkonsumzeit durch die Umzugszeit ein Höchstmaß erreicht hat. Es ging in diesen Wochen auch nicht anders, weil wir wenig Unterstützung von außen hatten und das alles sonst nicht bewältigen hätten können. Leider sind wir an einem Punkt, wo es gefühlt nichts anderes mehr für ihn gibt. Er fragt ständig nach Fernsehen oder Nintendo und ist frustriert und wird aggressiv, wenn er es nicht darf. Sich allein im Kinderzimmer zu beschäftigen fällt ihm total schwer und ist teilweise unmöglich. Er hat einen enormen Bewegungsdrang. Dementsprechend versuche ich, am neuen Wohnort einen Kindersport oder ähnliches als Ausgleich für ihn zu finden. Er verhält sich gegenüber Erwachsenen oft respektlos. Ich versuche ihm mit viel Liebe und Geduld zu erklären, dass sich dieses oder jenes nicht gehört. Er hört mir in diesen Momenten gar nicht zu oder äfft mich nach.  Mein Mann neigt dazu, sehr oft zu schreien, weil er selbst an einer Impulskontrollstörung leidet. Ich vermute, dass unser Sohn genetisch davon etwas in die Wiege gelegt bekommen hat. Klar, mein Mann ist auch sein Vorbild und er schaut sich viele Verhaltensmuster ab. Wenn ich mit meinem Mann darüber spreche und ihn bitte, an sich zu arbeiten, reagiert er selbst wie ein kleines Kind. Ich merke aber, dass dieses Verhalten unserem Sohn nicht weiter hilft, ihn eher aggressiver und ängstlicher macht. Mein Mann wurde früher als Kind verprügelt. Das ist für mich aber keine Entschuldigung oder Rechtfertigung, seinem Kind auf seelische Art und Weise das gleiche anzutun. Ich fühle mich so hilflos. Habe Angst, dass wir das bis zur Schuleinführung nächstes Jahr nicht in den Griff bekommen. Ich weiß, dass ich beim Thema Konsequenz auch an mir arbeiten muss und mein Sohn da natürlich weiß, dass ich viel zu oft einknicke. Im neuen Kindergarten bekomme ich täglich das Feedback, dass er sich mit einem Jungen haut. Das gleiche Problem hatten wir im alten Kindergarten auch. Soll ich mit ihm einen Psychologen aufsuchen? Oder haben Sie andere Tipps für mich?  

von SaraStern am 13.05.2024, 08:11



Antwort auf: Falsche Erziehung oder ADHS?

Guten Tag, Ihr Sohn hat in der letzten Zeit viele Veränderungen bewältigen müssen. Die können ein Kind zunächst beunruhigen und damit auch unruhig machen. Sie beobachten diese Unruhe jedoch bereits längere Zeit. Daher kann es hilfreich sein, Ihren Sohn auf ADHS testen zu lassen und entsprechende therapeutische Unterstützung zu suchen. Es ist wichtig, dass sich unruhige Kinder viel bewegen, um die Unruhe in sozial erwünschten Bahnen abzuführen. Sie brauchen zudem möglichst feste Strukturen und Regeln, die die Eltern ruhig aber bestimmt durchsetzen müssen. Darüber dürfen Fünfjährige sich ärgern und wütend werden. Die damit zusammenhängenden Konflikte müssen gemeinsam bewältigt werden. Ihr Sohn muss mit Ihrer Hilfe noch mehr Frustrationstoleranz erwerben. Er sollte erleben, dass Sie als Eltern stark sind und ihm damit gut gewachsen. Das bedeutet nicht, dass erzieherische Maßnahmen ihn ängstigen sollten. Er muss vielmehr Ihre Unerschütterlichkeit spüren. Fünfjährige verstehen leichter, dass sie sich nicht respektlos verhalten sollen, wenn Eltern ihnen sagen: "Ich will nicht, dass du ..." Das ist für sie konkreter als "man tut das nicht". Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 14.05.2024



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