Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?

Hallo, wir haben einen Sohn (3) und eine 8 Wochen alte Tochter, die leider eine Regulationsstörung hat. Sie schreit sehr viel. Uns alle belastet die Situation. Mein Sohn reagiert mittlerweile aggressiv, haut und kratzt seine kleine Schwester. Man muss also immer extrem aufpassen und ihn rechtzeitig stoppen. Wir schimpfen dann nicht sondern erklären kurz dass das verboten ist. Ich umarme ihn dann dabei auch. Er ist sehr eifersüchtig und will immer zu mir. Normale Reaktion, ich weiss. Aber da die kleine sich nur bei mir beruhigt trage ich sie quasi die ganze Zeit am Körper und kann ihm wenig Exklusivzeit bieten. Mein Mann verbringt aber trotz arbeiten sehr viel Zeit mit ihm. Jetzt wacht mein Sohn auch wieder vermehrt nachts weinend auf und will dann auch zu mir. Familienbett hat nicht geklappt da er auch nachts das Baby attackiert hat. Mein Mann schläft nun bei meinem Sohn. Hinzu kommt dass die Kita ihm sehr fehlt. Was können wir tun oder verändern? Ist das Verhalten meines Sohnes Anlass zur Sorge oder wird es sich wahrscheinlich wieder legen? Wird es bei den meisten Babys wirklich nach 12 Wochen besser?

von Tanja16932 am 25.01.2021, 08:24



Antwort auf: Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?

Hallo, das ist eine schwierige Situation für alle, in der auch alle immer mal wieder an ihre Grenzen kommen dürfen. Und für Ihren Sohn bedeutet es, den ganzen Tag wenig von dem zu bekommen, was er eigentlich braucht, nämlich KiTa, Freunde, Kontakt zu Ihnen usw.. Der Vater macht aus seiner Sicht sicher viel mit dem Sohn, aber aus der Sicht des Sohnes ist es (zu) wenig. Und die "plärrende" kleine Schwester kriegt alles und gefühlt den ganzen Tag. So ungefähr könnte Ihr Sohn seine Situation beschreiben, das könnte seine "Wahrheit" sein und sie ist genauso wahr, wie andere. Die Überlegung könnte sein, wie Sie in den Alltag Ihres Sohnes highlights einbauen können, besondere Situationen, auf die er sich freuen kann, die Fixpunkte in den Tag setzen. Das kann ein besonderer Kontakt sein, ein Spiel miteinander, eine kurze Fernsehsendung (ja auch das geht in diesen Zeiten) usw.. Und dann ist es wichtig, seine neue und besondere Rolle als großer Bruder mit ihm zu definieren. Das geht besonders gut in gemeinsamen ruhigen Situationen (nicht gerade häufig zur Zeit bei Ihnen) wie z.B. der Einschlafsituation. Da kann er auch Platz bekommen seinen "Ärger" über die Situation loszulassen, ohne dass man dauernd widerspricht und erklärt. Manchmal hilft es schon, wenn Ihr Sohn das Gefühl hat, dass Sie seine schwierige Situation verstehen und nicht wegreden. Es geht als um kleine praktische Veränderungen aber auch darum, über die Problematik der Situation altersgerecht im Kontakt zu sein. Wann sich die Unruhe Ihrer Tochter verändern wird, vermag ich nicht zu sagen aber es scheint eine Häufung der Stabilisierung im zweiten Quartal zu geben. Ich wünsche Ihnen ausreichend Kraft und Gelassenheit diese belastende Phase gemeinsam zu überstehen. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 25.01.2021



Antwort auf: Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?

Hallo Tanja Eine professionelle Antwort zu deinen Fragen kann ich dir nicht geben, lediglich von unseren Erfahrungen berichten. Wir waren in der nahezu gleichen Situation. Dazu kam, dass unsere Kleine zweimal schwer erkrankte und ich für jeweils 10 Tage ins Spital musste - natürlich ohne den Grossen. Die Situation war für alle fast unerträglich - die Kleine am Klammern und Schreien, der grosse Bruder ebenfalls. Ich war nervlich ziemlich am Boden. Mittlerweile (18 Monate später) hat sich alles eingespielt. Die beiden sind ein wunderbares Geschwisterteam und hängen sehr aneinander. Das häufige Schreien wurde bei unserer Tochter mit zunehmender Mobilität und Kommunikation besser (ab ca 8 Monaten) - bis heute ist sie aber ein lautes, rasch aufgebrachtes Kind mit einem intensiven emotionalen Spektrum (tränenreiches Schreien vor Frust, aber auch häufiges Kreischen vor Begeisterung ). Dir möchte ich vor allem raten, jede Hilfe anzunehmen und gut zu dir zu schauen. Gönne dir so viele Pausen wie möglich, damit du nachher wieder mit möglichst viel Gelassenheit und Wohlwollen zwischen den Kindern vermitteln kannst. Für mich war das Tragetuch übrigens eine enorme Hilfe. Die Kleine hat zwar nicht weniger geschrien, aber sie war eng bei mir, wurde "getragen" und ich hatte die Möglichkeit, mit dem Grossen Laufradtouren oder Spielplatzbesuche zu machen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen - auch wenns jetzt wohl nicht gerade dannach aussieht - es wird sich einpendeln und richtig gut werden! (Osteo empfehle ich übrigens für beide Kinder - den kleinen Schreihals und den genervten, enttäuschten grossen Bruder)

von Paco am 25.01.2021, 21:40



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Schreibaby (Fortsetzung vom 19.02.)

Lieber Dr. Posth, vielen Dank für Ihre beruhigenden Worte vom 21. 2. Mein Mann und ich waren uns immer einig, dass man einen panisch schreienden Säugling auf keinen Fall allein lässt, ich habe es dennoch einige Male getan, nicht aus erzieherischen Gründen, sondern um ihn vor mir zu schützen, die Situation brachte mich oft an den Rand meiner nerv...


Schreibaby (Fortsetzung vom 26.02.)

Lieber Dr. Posth, ich habe schon früh begriffen, dass das exzessive Schreiverhalten meines Sohnes vermutlich keine somatischen Ursachen hat und somit verabreiche ich ihm das Omeprazol nicht gegen das Geschrei, sondern weil sich meine KiÄ Sorgen um seine Speiseröhre macht. Halten Sie dies für übertrieben? Hernien wurden radiologisch und sonorgrap...


Vom Schreibaby zum Papajungen

Lieber Dr. Posth, Sie hatten Recht („Warum sollte die Loslösung später kommen?“): Unser Kleiner (seit Samstag kein Baby mehr) lässt sich seit kurzem manchmal nur vom Papa beruhigen, ich darf dann nicht versuchen, ihn zu nehmen. Ebenso wenn der Papa nach Hause kommt, ich muss ihn dann sofort übergeben, sonst gibt’s Theater. Wehe mein Mann geht da...


Nachtrag zu letzter Woche: Vom Schreibaby zum Papajungen

Lieber Dr. Posth, vielen Dank für Ihre tröstenden Worte von letzter Woche. Ich hätte da noch eine Frage: Das "Problem" gibt es morgens, bevor der Papa geht, eigentlich nicht. Erst am frühen Abend, wenn er wieder kommt, dann will der Kleine nur zu ihm, ich darf ihn nicht mehr anfassen. Dann wiederum ist er auch nicht zufrieden, dann will er wiede...


Schlafverhalten (25Wochen altes "Schreibaby")

Hallo Herr Dr. Posth! Wenn ich etwas anderes tue, als meinen Sohn (25W) umherzutragen, schreit er. Mittlerweile spielt er ab und zu. Zu seinem Schlafverhalten. Er hat ein riesen Problem einzuschlafen, seit Geburt nur beim Umhertragen, meist dauerts mehrere Stunden. (Er wiegt jetzt schon 10kg, ich weiss nicht wie lange ich das noch kann). Wie lange...


noch mal anders formuliert. (schlafverhalten 25wochen/"schreibaby")

danke für ihre antwort. ich denke nicht das mein sohn(10kg/72cm)bauchweh hat und deswegen unruhig ist. problematisch ist sein schlafverhalten. was meinen sie, wie lange soll ich ihn umhertragen zum einschlafen, er schläft nie ohne dies ein. (ausser nach dem nächstlichen stillen, zur zeit3,4mal, er bekommt keine beikost). was halten sie vom einschla...


Schreibaby?

Hallo Dr. Posth, erst mal großen Dank für ihre tollen Bücher und das Forum. Unser 2. Kind, 6 Wochen alt schreit seit 2 Wochen viel. Typisch sind natürlich die Abendstunden (da hilft wirklich gar nichts). Mehr verunsichert mich jedoch, dass er auch tagsüber direkt beim oder nach dem Stillen anfängt zu schreien und auch beim tragen auf dem Arm nicht...


Schreibaby

Hallo Herr Posth! Mein Baby,3 monate, hatte eine anstrengende Geburt, dauerte 3std und Nablschnur um Hals,die Hand zum Gruß an der schläfe und eine extreme stauungszyanose.War beim Osteopath als er eine woche alt war,der stelle stauchungen und einen verdrehten halswirbel fest.Mit 3 wochen fing es an,er schrie abends eine halbe std,ließ sich nicht ...


Schreibaby Langzeitfolgen?

Sg.Dr. Sohn 61/2 (ehem.Schreibaby bis 10M, viel getragen, Fambett und gestillt bis 2) kann abends wenn er müde ist nicht abschalten,(bester Erstklässler obwohl der Jüngste, in Schule großes Lob, hilfsbereit,freundlich etc. zu Hause"dreht er auf") Er wird immer noch hektischer,unruhiger, lauter, Frustrationstoleranz sinkt gegen 0, "folgt" kaum mehr...


Nochmals zu ehemaligem Schreibaby

Sg. Dr. Posth! ich frage letzte Woche nach Anregungen, wie ich mit meinem 6-Jährigen Sohn umgehen könne, der abends nicht zur Ruhe kommt und ein ehemaliges Schreibaby ist. Ich fragte, ob es da Zusammenhänge gibt. Danke für die Antwort.(Ich finde nicht, wie ich die ID rausbekomme?) Sie meinten, einfache Strafen bringen nichts, da wurde ich gründli...