Hallo,
wir haben einen Sohn (3) und eine 8 Wochen alte Tochter, die leider eine Regulationsstörung hat. Sie schreit sehr viel. Uns alle belastet die Situation. Mein Sohn reagiert mittlerweile aggressiv, haut und kratzt seine kleine Schwester. Man muss also immer extrem aufpassen und ihn rechtzeitig stoppen. Wir schimpfen dann nicht sondern erklären kurz dass das verboten ist. Ich umarme ihn dann dabei auch. Er ist sehr eifersüchtig und will immer zu mir. Normale Reaktion, ich weiss. Aber da die kleine sich nur bei mir beruhigt trage ich sie quasi die ganze Zeit am Körper und kann ihm wenig Exklusivzeit bieten. Mein Mann verbringt aber trotz arbeiten sehr viel Zeit mit ihm. Jetzt wacht mein Sohn auch wieder vermehrt nachts weinend auf und will dann auch zu mir. Familienbett hat nicht geklappt da er auch nachts das Baby attackiert hat. Mein Mann schläft nun bei meinem Sohn. Hinzu kommt dass die Kita ihm sehr fehlt.
Was können wir tun oder verändern? Ist das Verhalten meines Sohnes Anlass zur Sorge oder wird es sich wahrscheinlich wieder legen?
Wird es bei den meisten Babys wirklich nach 12 Wochen besser?
von
Tanja16932
am 25.01.2021, 08:24
Antwort auf:
Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?
Hallo,
das ist eine schwierige Situation für alle, in der auch alle immer mal wieder an ihre Grenzen kommen dürfen. Und für Ihren Sohn bedeutet es, den ganzen Tag wenig von dem zu bekommen, was er eigentlich braucht, nämlich KiTa, Freunde, Kontakt zu Ihnen usw.. Der Vater macht aus seiner Sicht sicher viel mit dem Sohn, aber aus der Sicht des Sohnes ist es (zu) wenig. Und die "plärrende" kleine Schwester kriegt alles und gefühlt den ganzen Tag. So ungefähr könnte Ihr Sohn seine Situation beschreiben, das könnte seine "Wahrheit" sein und sie ist genauso wahr, wie andere.
Die Überlegung könnte sein, wie Sie in den Alltag Ihres Sohnes highlights einbauen können, besondere Situationen, auf die er sich freuen kann, die Fixpunkte in den Tag setzen. Das kann ein besonderer Kontakt sein, ein Spiel miteinander, eine kurze Fernsehsendung (ja auch das geht in diesen Zeiten) usw.. Und dann ist es wichtig, seine neue und besondere Rolle als großer Bruder mit ihm zu definieren. Das geht besonders gut in gemeinsamen ruhigen Situationen (nicht gerade häufig zur Zeit bei Ihnen) wie z.B. der Einschlafsituation. Da kann er auch Platz bekommen seinen "Ärger" über die Situation loszulassen, ohne dass man dauernd widerspricht und erklärt. Manchmal hilft es schon, wenn Ihr Sohn das Gefühl hat, dass Sie seine schwierige Situation verstehen und nicht wegreden.
Es geht als um kleine praktische Veränderungen aber auch darum, über die Problematik der Situation altersgerecht im Kontakt zu sein.
Wann sich die Unruhe Ihrer Tochter verändern wird, vermag ich nicht zu sagen aber es scheint eine Häufung der Stabilisierung im zweiten Quartal zu geben.
Ich wünsche Ihnen ausreichend Kraft und Gelassenheit diese belastende Phase gemeinsam zu überstehen.
Dr.Ludger Nohr
von
Dr. med. Ludger Nohr
am 25.01.2021
Antwort auf:
Entthronungstrauma & Schreibaby. Wie können wir unseren Kindern helfen?
Hallo Tanja
Eine professionelle Antwort zu deinen Fragen kann ich dir nicht geben, lediglich von unseren Erfahrungen berichten. Wir waren in der nahezu gleichen Situation. Dazu kam, dass unsere Kleine zweimal schwer erkrankte und ich für jeweils 10 Tage ins Spital musste - natürlich ohne den Grossen. Die Situation war für alle fast unerträglich - die Kleine am Klammern und Schreien, der grosse Bruder ebenfalls. Ich war nervlich ziemlich am Boden.
Mittlerweile (18 Monate später) hat sich alles eingespielt. Die beiden sind ein wunderbares Geschwisterteam und hängen sehr aneinander. Das häufige Schreien wurde bei unserer Tochter mit zunehmender Mobilität und Kommunikation besser (ab ca 8 Monaten) - bis heute ist sie aber ein lautes, rasch aufgebrachtes Kind mit einem intensiven emotionalen Spektrum (tränenreiches Schreien vor Frust, aber auch häufiges Kreischen vor Begeisterung ).
Dir möchte ich vor allem raten, jede Hilfe anzunehmen und gut zu dir zu schauen. Gönne dir so viele Pausen wie möglich, damit du nachher wieder mit möglichst viel Gelassenheit und Wohlwollen zwischen den Kindern vermitteln kannst. Für mich war das Tragetuch übrigens eine enorme Hilfe. Die Kleine hat zwar nicht weniger geschrien, aber sie war eng bei mir, wurde "getragen" und ich hatte die Möglichkeit, mit dem Grossen Laufradtouren oder Spielplatzbesuche zu machen.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen - auch wenns jetzt wohl nicht gerade dannach aussieht - es wird sich einpendeln und richtig gut werden!
(Osteo empfehle ich übrigens für beide Kinder - den kleinen Schreihals und den genervten, enttäuschten grossen Bruder)
von
Paco
am 25.01.2021, 21:40