Sehr geehrte Frau Henkes, wir machen uns momentan Sorgen um unseren 6-jährigen Sohn. Er ist ein sehr sensibler und kognitiv weit entwickelter Junge. Er hat eine sehr enge Bindung zu uns Eltern, besonders zu mir als Mutter. Im Sommer wurde er eingeschult. Er ist vor 6 Monaten zudem großer Bruder geworden. Er hat sich immer ein Geschwisterchen gewünscht und war während der Schwangerschaft voller Vorfreude. Nach der Geburt hat er sich sehr über seine Schwester gefreut und hat sich ganz normal ihr gegenüber verhalten. Vor ein paar Wochen brach er plötzlich aus dem Nichts in Tränen aus und teilte uns mit, dass er einen ganz fürchterlichen Gedanken in seinem Kopf habe, der ihm schreckliche Angst mache. Er wolle den Gedanken nicht denken, dieser sei aber einfach in seinen Kopf gekommen und er könne nichts gegen diesen Gedanken machen. Der Gedanke war, dass er seiner Schwester weh tun könnte. Er war völlig verzweifelt darüber und voller Angst. Wir haben mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass es ganz normal ist, auch mal aversive Gedanken zu haben und dass es nur Gedanken seien und er nichts machen wird. Die Gedanken treten seitdem immer mal wieder auf, er spricht mit uns darüber, wir versuchen gemeinsam die Gedanken zu bewerten und dann beiseite zu schieben, ablenken etc. Er leidet natürlich unter den Gedanken, sie machen ihm sichtlich Angst. Er sagt dann immer, dass er doch nie einer Fliege etwas zu leide tun könnte. Er scheint annehmen zu können, dass es nur Gedanken sind und nichts passieren wird. Im Alltag zeigt sich im Umgang mit seiner Schwester eine deutliche Reaktionsbildung. Er ist total übertrieben lieb zu ihr im Umgang, spricht von ihr nur in der Superlative (die beste, tollste, süßeste Schwester) und kann nicht an ihr vorbeigehen, ohne sie zu kuscheln, drücken etc. Man merkt aber, dass er dabei angespannt ist, mit den Zähnen knirscht. Sein Verhalten im Umgang mit der Schwester wirkt übertrieben und für einen 6-jährigen nicht authentisch. Wenn wir ihn fragen, ob ihn auch mal was an seiner Schwester ärgert, er auch mal traurig ist, kein Einzelkind mehr zu sein etc, antwortet er auch jeweils immer nur "gewünscht" und wirkt fast entsetzt darüber, dass wir überhaupt auf die Idee kommen, so etwas zu fragen. Er hat wirklich noch nie offen Eifersucht gezeigt. Man merkt ihm aber dennoch an, dass es ihm zu schaffen macht, insbesondere in Bezug zu mir. Letztens hat er geweint und gesagt, dass er auch wieder mein Baby sein möchte, bei mir schlafen möchte wie seine Schwester, wieder an der Brust trinken möchte etc. Wir verbringen ganz viel Zeit mit ihm, unternehmen viel etc., damit er sich nicht zurückgesetzt fühlt. Dies übernimmt vor allem mein Mann, weil ich naturgemäß neben dem Baby momentan einfach nicht mehr so viel Zeit habe, bzw. man das Baby auch noch nicht überall mit hin nehmen kann. Ich versuche aber auch immer, exklusive Zeit nur für ihn zu haben. Können diese Zwangsgedanken und dieses deutlich übertriebene Verhalten im Umgang mit der Schwester Ausdruck von Aversion/Eifersucht/Hass gegenüber der Schwester sein? Wie können wir unserem Sohn am besten helfen? Kann man hier noch etwas abwarten, oder sollte man direkt zu einem Kinderpsychiater/Psychotherapeut gehen? Neben diesen Gedanken in Bezug auf seine Schwester scheinen sich die Zwangsgedanken momentan auf andere Bereiche auszudehnen. Es scheint so, dass vieles von dem, was wir ihm mal erklärt haben, was man aus Sicherheitsgründen nicht machen sollte, sich ihm nun als Gedanke auszwängt, er könnte es machen. Ich nenne ihnen hier ein Beispiel. Wir haben ihm erklärt, wie man sich im Straßenverkehr sicher verhält, dass man auf dem Bürgersteig nicht zu nah an der Fahrbahn geht, nicht schubst, nicht rennt etc. Nun hat er sich ihm der Gedanke aufgezwängt, er könnte eben dies tun und dann unter ein Auto geraten, was ihn sehr ängstigt. Ein anderes Beispiel: Wir hatten durch eine undichte Stelle am Fenster einen kleine Stelle mit Schimmel an der Wand. Wir haben ihm gesagt, dass er bis zur Sanierung nicht dran fassen soll. Ihm zwängte sich dann wiederum der Gedanke auf, er würde daran fassen, was ihn wieder ängstigte etc. Er wirkt insgesamt momentan verunsichert und ängstlich, belastet durch diese Gedanken. Wenn er abgelenkt ist kann er aber auch losgelöst spielen und sagt selbst, dass ihm Ablenkung hilft. Was können Sie uns hier empfehlen? Herzlichen Dank
von maria0302 am 04.01.2024, 12:36