Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

7 jähriger erzählt (Lügen) Geschichten

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: 7 jähriger erzählt (Lügen) Geschichten

Sonja9

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Hallo liebe Frau Henkes, Sie haben mir schon einmal einen guten Rat gegeben, vielen Dank dafür. Gerade kann ich die Situation unseres 2. Kindes (7 Jahre) ganz schlecht einschätzen. Wir haben insgesamt 4 Kinder und unser 2. Kind ist immer sehr pflegeleicht und unkompliziert. Er ist ausgleichend und ruhig. Schule läuft gut, er hat Freunde und spielt im Fußballverein. Aus unserer Sicht lief alles optimal. Es gab in der ersten Klasse leider 3 mal einen klassenlehrerwechsel, was sicher für keinen Schüler einfach war. Aber deshalb haben wir auch nicht so viel Rückmeldung von der Schule bekommen, einfach weil ständig der Lehrer wechselte. jetzt rief uns der Klassenlehrer an. Unser Sohn hatte im Gesprächskreis erzählt, er hätte seinen großen Bruder verprügelt, so dass er ins Krankenhaus gemusst hätte. Dabei hat unser Sohn wohl auch ganz inadäquat gelacht, so dass alle Schüler ganz verstört waren. Nichts davon ist wahr. Unser Sohn schlägt nie, ist immer eher sehr ruhig bei uns zu Hause. In der Schule sei er wohl oft aufgedreht und lasse sich schnell von anderen ablenken, spiele den Clown.  Unser Sohn hat Freunde, das Sozialverhalten wäre normal, aber er würde immer wieder überschießend sein und habe dabei auch mal das Lineal seiner Klassenkameradin kaputt gemacht. Unser Sohn berichtete nie über schulische Probleme, ging bislang immer gerne zur Schule. Wir hatten gar keine Ahnung, dass etwas dort nicht gut lief. Der Lehrer wollte wissen, ob er wirklich zu Hause geschlagen habe. Denn offensichtlich hatte er es sehr glaubhaft dargestellt. Und er berichtete von anderen Lügen, die unser Sohn wohl in den letzten Monaten erzählt hat: er wäre vom 10 Meter Turm gesprungen, er habe 10 Tore beim Turnier geschossen (unser Sohn ist nur Verteidiger, er greift auch beim Spiel nie an sondern gibt den Ball ab). Man erkennt ja das Muster dahinter, dass er groß und mächtig sein möchte. Wir bestärken unseren Sohn schon so viel, gehen zu jedem Spiel mit (auch wenn das oft schwer zu organisieren ist) und aus unserer Sicht haben wir alles dafür getan, dass er ausgeglichen und zufrieden ist und mit einem guten Selbstbewusstsein ausgestattet ist. Er ist hier immer sehr bescheiden. Wir loben ihn wirklich viel, aber er hebt dann zum Beispiel auch immer die Leistung seiner Geschwister hervor. Wir können das jetzt gar nicht einschätzen. Machen wir etwas falsch? Warum ist er in der Schule so ganz anders als zu Hause? Was können wir tun? Überall liest man, man muss das Kind mehr beachten und sehen. Aber eigentlich wüsste ich nicht, wie wir das noch steigern können.    Er selber konnte mit uns über das Thema gar nicht reden, hat sofort angefangen zu weinen. Wollte auch Tage später als wir es ganz behutsam angesprochen haben nicht mit uns darüber reden. Ich habe ihm erzählt, dass ich auch schon mal gelogen habe. Und das es erst aufregend war eine so tolle Geschichte zu erzählen, aber dass ich dann gar nicht mehr da raus kam und mir es dann zu peinlich war die Wahrheit zu sagen. Ich hatte gehofft es würde ihm dann einfacher fallen mit mir zu reden, aber er blockt total ab. Das kenne ich alles so gar nicht. Wir haben immer über alles reden können. Was übersehen wir?


Ingrid Henkes

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Guten Tag, ich denke nicht, dass Sie etwas übersehen. Ihr Sohn hat all die positiven Eigenschaften, die Sie an ihm kennen und schätzen. Er hat aber offenbar auch noch - sicher auch unbewusste - Bedürfnisse oder Wünsche entwickelt, die sich in seinem Inneren ganz unabhängig von Ihrer Erziehung entwickelt haben. Er ist der Zweite, d.h. mittendrin bei den Geschistern, nie der Erste, nie der Jüngste. Das sind ja zwei besondere Positionen in der Geschwisterkonstellation, die er nie haben wird. Möglicherweise möchte er in der Schule zeigen, dass er auch jemand Besonderes ist und besondere Qualitäten hat. Daher denkt er sich solche Geschichten aus. Ich würde hier nicht von Lügen sprechen. Es geht eher um Aufmerksamkeit und eine Form der Selbstdarstellung. Sie können mit Ihrem Sohn darüber ins Gespräch kommen, indem Sie die moralische Wertung des Lügens weglassen und stattdessen in seine Fantasien mit einsteigen. Fragen Sie ihn, was er denn für einer wäre, wenn er seinen großen Bruder so verprügeln würde, dass der ins Krankenhaus müsste. Er wäre ja dann zumindest sehr stark, wenn auch nicht so sympathisch. Die anderen hätten eventuell Angst vor ihm. Vielleicht wäre er gerne so stark. So können Sie möglicherweise Bedürfnisse Ihres Sohnes erkennen, die Ihnen bisher nicht bekannt waren (und ihm bewusst vermutlich auch nicht). Darauf können Sie gezielter reagieren und ihm Gelegenheiten ermöglichen, sich z.B. stark zu fühlen, ohne dass er dafür jemanden verprügeln müsste. Dann können Sie auch mit ihm besprechen, was er denn denkt, was die Mitschüler von jemandem halten, der einen anderen krankenhausreif geschlagen hat. Überlegen Sie mit ihm gemeinsam, was er tun kann, um von anderen genügend gemocht zu werden. Angeber sind auf Dauer nicht beliebt. Ich hoffe, dass der Lehrer der Klasse nicht erzählt hat, dass die Geschichten Ihres Sohnes nicht stimmen. Wenn er sich stark genug fühlt, kann er das selber sagen oder aufhören mit den übertriebenen Geschichten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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