Elternforum ADHS und ADS

Medikamente ADHS

Medikamente ADHS

AmyBell

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Hallo zusammen, Ich bin hier, weil ich ein wenig Angst habe und gerne von euch erfahren würde, wie es für euch lief. Unsere Tochter, bald 7, hat ADHS. Ich denke, wir haben aufgrund der schulischen Situation den Punkt erreicht, dass es bald Medikamente geben wird. Die Fachärztin ist sehr kompetent, wir vertrauen ihr. Leider höre ich dauernd von unbeteiligten Dritten irgendwelche Horrorgeschichten zu Medikamenten. Der Charakter ändere sich, das Kind würde abgeschaltet werden, bekäme Esstörungen….. Sollte mir egal sein, aber gehört ist gehört und natürlich mache ich mir Gedanken. Wir sind wohl bis November/Dezember noch auf der Warteliste für die Ergotherapie und die Kinderpsychologin. Das Elterncoaching beginnt nächste Woche schon. Wie lief die Einstellung auf Medikamente bei euch? Hat’s geholfen?


aeonflux

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Hallo, mein Sohn wurde medikamentös eingestellt, als er einen sehr hohen Leidensdruck wegen der Schule hatte. Er war älter als dein Kind und somit haben wir gemeinsam entschieden. Seine Leistungen lagen weit unter seinen Möglichkeiten was ihn sehr belastet hat, er eckte in der Schule an und war mit den Reizen völlig überfordert. Er bekam Medikinet Retard. Sein Charakter war unverändert, aber er war ruhiger, bekam was zu Papier in der Schule und hatte Erfolgserlebnisse. Die Lehrer mussten nicht mehr Maßregeln und die Handschrift verbesserte sich. Probleme mit dem Essen gab es tatsächlich. Während der Wirkungszeit, etwa 8 Stunden, gab es keinen Appetit. Oder besser gesagt, essen war nicht möglich. Mein Sohn war schlank aber nicht untergewichtig. Wir haben die Kalorien ausgeglichen durch Versetzung der Mahlzeiten. Morgens möglichst reichhaltig, zeitweise auch immer mal unübliche Sachen, da er kaum Brot isst. Wenn er morgens Reste vom Vortag essen wollte, durfte er das. Oder auch die Schnitzel aus dem Toaster. Sonst Joghurt mit Getreide und Obst oder was auch immer gerade lieb war. Warmes Essen gab es dann nachmittags als die Wirkung nachließ und auch oft später nochmal eine Portion warmes Essen. Über Tag gingen nur Smoothies, damit überhaupt ein paar Kalorien nachkamen und er nicht unterzuckerte. An Gewicht verloren hat er nicht. Nach fast 3 Jahren hat er nun die Medikamente abgesetzt, er weiß heute, was er im Stande ist zu leisten, somit kratzen gelegentlich schlechte Noten nicht am Selbstbewusstsein, er kann es heute einordnen und möchte es ohne versuchen. Er ist jetzt 14 Jahre alt. Was noch sehr unterschiedlich gehandhabt wird, ob die Medis täglich genommen werden oder nur für die Schule. Da wir zuhause keine nennenswerten Probleme hatten, war er von Anfang an nur an Schultagen eingestellt, nie in den Ferien oder an den Wochenenden. Die letzten 6 Monate nahm er Elvanse, der Grund für den Wechsel des Medikamentes war, dass er sich zunehmend gehemmt, teilweise ängstlich fühlte, etwas Falsches zu sagen. Das war aber nicht immer so, sondern kam erst nach über einem Jahr schleichend. Außerdem hatte er mit Medikinet zunehmend Probleme mit dem Rebound-Effekt am Nachmittag. Das ist nicht bei allen Patienten ein Problem. War jetzt irgendwie sehr viel… Falls noch was unklar, frag gerne nach. Alles Gute Aeonflux


desireekk

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Hallo, bei meinem großen wurden die Medikamente mit circa sieben Jahren begonnen, stufenweise eingeführt mit langsame Erhöhung des Wirkstoffgehalts. Am Anfang haben wir noch nichts gemerkt, aber mit circa 10 mg einfache Dosis wurde es bemerkbar, und es hat ihm sehr geholfen. Er sagte mir damals: Mama, jetzt laufen die Bilder in meinem Kopf nicht mehr immer weg und ich kann sie wenigstens in Ruhe anschauen. Wir haben allerdings einige Zeit gebraucht, bis wir das richtige Medikament in der richtigen Dosierung hatten, das hat insgesamt ein Jahr oder länger gebraucht. Mit der Erfahrung des Großen ging es dann beim kleinen, etwas schneller. Der Große hatte unter Medikation definitiv keinen Appetit, beim Kleinen hat es keinen Unterschied gemacht. Mein Großer war bis 15 Jahren ein totaler Zwerg, klein, leicht, etc. Jetzt ist er 182 cm groß, immer noch recht schlank, aber dafür muskulös. Der „Kleine“ ist auch 180 cm und breiter/schwerer als sein Bruder.


AmyBell

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Hallo zusammen, danke für die Antworten. Das hat es mir etwas leicher gemacht. Unsere Tochter ist sehr früh diagnostiziert worden und daher sind wir jetzt schon dran. Dosierung und der Entscheid für uns wieder liegt in dem Alter natürlich nur bei den Eltern und Ärzten. Wir waren gestern bei der Kinderpsycholgin für das erste Coaching. Man kennt sich ja durch die Therapie der Angststörung. Sie hatte vor etwas mehr als einem Jahr das Thema ADHS ins Spiel gebracht und seitdem durchliefen wir eine sehr detaillierte Diagnostik. Es hiess, es sei eine leichte Form von ADHS, nur dass eben ihre Hauptsymptome genau dort liegen, wo es in der Schule jetzt nicht funkt: Konzentration und ausdauernd an einer Aufgabe eigenständg Arbeiten. Genau deswegen wurde uns geraten, die Medikamente zu probieren, weil sie ja sonst in dem Zustand weder die Verhaltenstherapie noch die zu erlernenden Strategien der Ergotherapie aufnehmen kann. Die Kinderpsychologin hört leider komplett auf zu arbeiten (2. Schwangerschaft), hat uns aber jetzt ganz oben auf die Liste gesetzt ihrer Nachfolgering, die Mitte Oktober beginnt. Wir bekommen das die ersten Termine, damit wir unsere Tochter zumindest auf der Ebene abfangen können, bevor der Leidensdruck in der Schule zu gross wird. Ich weiss gar nicht, wie wir das abdecken sollen. Nachmittagsunterricht, dann Ergo und Kinderpsychologin oben drauf und "nebenbei" sollen wir noch arbeiten. Essen ist bei uns eh ein Thema und sie ist klein. Daher mache ich mir schon Gedanken, wie das mit dem Essen werden soll, denn so "verantwortlich", dass sie tagsüber Smoothies nimmt für den Blutzucker, ist sie nicht. Danke Euch. Ich melde mich mal mit einem Update.


AmyBell

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Und nochmal ne doofe Frage: Sind das Schmelztabletten, oder Saft, oder kann man die zerstossen? Unsere Tochter ist 6, Tabletten schlucken ist nicht drin.


misses-cat

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Wenn sie über einen Zeitraum von 7/8 Stunden wirken sollen ( Retardkapseln) gibt es nur Kapseln die müssen im ganzen zu sich genommen werden Einzige Alternative nach 4 Stunden eine weitere Tablette die kann man mörsern


Rote_Nelke

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Wir geben die Tabletten (sind fast kapselgroß) immer mit einem Löffel Apfelmus, das klappt super und flutscht (auch im Halbschlaf).


User-1721891580

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Mein Patenkind nimmt Medikamente und seit dem funktioniert es in der Schule wirklich super! Aber ich habe ihn erlebt und er ist wirklich „anders“, was aber nicht unbedingt etwas negatives bedeuten muss. Er ist ruhiger, zieht sich etwas zurück und hat Schlafstörungen. Als wir zusammen unterwegs waren ist mein Kind von links nach rechts gehüpft und mein Patenkind ging ganz ruhig neben uns her. Etwas gruselig, aber es ist eine Frage der Perspektive. Mein Kind bekommt es nicht. Er geht zur ergo und wir versuchen es erst einmal so. Aber ausschließen würde ich es nicht.


Rote_Nelke

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Wir hatten angefangen, als unser Kind eine Woche nach der Einschulung fast täglich heulend aus der Schule kam und von "Angriffen aus dem Nichts!" berichtete. Medikamenteneinstellung fing innerhalb von drei Tagen an und es wurde schlagartig besser. Beliebtes und fröhliches Kind. Wichtig war uns, dass die Klassenlehrerin mit im Boot saß und uns ihren Eindruck im Unterricht schildern konnte. Das Kind war schon immer klein und schmal, hat leider oft keinen Hunger. Dagegen hilft uns der "Kakao" von Fresubin mit 400kcal pro Fläschchen sehr gut. Uns war am Anfang auch nicht ganz wohl, aber es hat sich absolut gelohnt! Grade wenn ihr kein Spiegelmedikament bekommt, ist euer Kind nach ein paar Stunden wieder "clean". Wir müssen jetzt auf ein schwaches Spiegelmedikament wechseln, weil das Gewicht unseres Kindes keine Dosissteigerung der bisherigen Medikamente mehr zulässt. Wie das wird, werden wir in ein paar Wochen merken.


Mucksilia

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Man muss individuell probieren, was passt. Hier gingen Retardkapseln gar nicht, er hat dann in der Grundschule nachgeworfen. In der 3. Klasse war er dann nicht mehr beschulbar und mehrere Monate in der Tagesklinik. Jetzt ist er gerade 14 geworden und nimmt an Schultagen Elvanse (kein Ritalin). Er hat tatsächlich morgens keinen Hunger und isst erst ab Mittag (Mittagsessen noch wenig). Ab nachmittags kommt der Hunger und abends isst er wie ein Scheunendrescher... :-) Er macht zweimal die Woche Kampfsport und ist sehr drahtig und muskulös. Schlank, aber nicht dürr, dabei recht groß (1,75 cm). Und jetzt das positive: es gibt immer mal wieder Rückschläge (Geld von Eltern wegnehmen, Impulshandlungen, Dauergeschwätz), aber es wird deutlich besser und reflektierter. :-)


Paperlapapap

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Hallo, ich denke niemand gibt Leichtfertig seinem Kind Tabletten. In den 80er Jahren gab es nur Ritalin als Medikament und tatsächlich waren die Kinder oft überdosiert und damit „abgeschaltet“ oder es hat gar nicht gewirkt. Dadurch hat sich das Vorurteil gehalten dass man sein Kind „ruhig stellt“. Heutzutage gibt es eine Vielzahl an Medikamenten. Tatsächlich gibt es oft Nebenwirkungen oder es braucht eine Weile um die richtige Tablette und Dosis zu finden. Appetitlosigkeit ist eine sehr häufige Nebenwirkung, muss aber bei deinem Kind nicht zutreffen. Mein Kind kann erst mit Medikamenten sein Potential ausschöpfen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Es kann sich hinsetzen und spielen, ohne ist das nicht möglich! Auch eine Verhaltenstherapie macht so erst Sinn. Wenn ihr eine Ergotherapie anstrebt dann klärt unbedingt ab ob es hier tatsächlich Förderbedarf gibt, meist wird das blind verschrieben und kann die ADHS an sich nicht behandeln.


paluja

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Hallo zusammen, ich, Kinderpsychologin (in den USA) und auf ADHS spezialisiert, schaue manchmal hier ins Forum, weil mich als Deutsche immer auch interessiert, wie die ADHS in Deutschland behandelt wird und welche Aengste und Bedenken die Eltern hier haben. Kurz zu den Medikamenten: Natuerlich muss sehr genau geschaut werden, welche Medikamente wann sinnvoll sind. Aber generell gilt: wenn korrekt indiziert und eingenommen, dann machen die ADHS Meds nicht suechtig und veraendern auch nicht die Persoenlichkeit. Ganz im Gegenteil, die Studien zeigen ganz deutlich, dass medizierte Kinder mit ADHS eine bessere Langzeitprognose haben. Wenn es Nebenwirkungen gibt, wird ein anderer Wirkstoff oder eine andere Dosierung ausprobiert, solange, bis man das Kind gut eingestellt hat. Wichtig ist natuerlich auch, dass man stimulant medication nicht durgehend nehmen muss. Also am Wochenende oder in den Ferien sollte man durchaus pausieren. Gilt natuerlich nicht fuer den Einzelfall, aber oft haben die Eltern hier damit die besten Erfahrungen. Was ich toll finde, ist, dass Ihr Elterncoaching habt! Das ist das absolut Wichtigste!! Toll, dass Euch das angeboten wurde! Also, korrekte Medikation, Hilfe von der Schule, und Elterntraining. Dann kann man mit ADHS sehr gut leben. Wen es interessiert: Vor kurzem wurde ein grosses Consensus Paper von allen wichting ADHS Forschern publiziert, was den Wissenstand sehr genau wiedergibt. Ihr koennt mir eine Nachricht schreiben, und ich kann Euch das paper schicken. Liebe Gruesse,