Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Covid19 Impfung in der Stillzeit

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Covid19 Impfung in der Stillzeit

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Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, es heißt, dass man sich in der Stillzeit impfen lassen kann, jedenfalls mit Biontech, und dies sogar günstig sein kann, weil Antikörper durch die Muttermilch über gehen. Meine Kinder sind allerdings bereits 25 Monate alt. Ich stille nur noch in der Nacht. Es wäre also sowieso mal Zeit zum Abstillen. Ich würde meinen Kindern zwar gern Antikörper zukommen lassen, habe aber Angst vor einer schädlichen Wirkung des Impfstoffs. Letztlich liest man ja nur, dass eine Schädigung des gestillten Kinds unwahrscheinlich ist. Ich möchte aber keinerlei Risiko eingehen. Wie schätzen Sie die Situation ein? Vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen


Dr. Wolfgang Paulus

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Schwangere und Stillende waren bei den klinischen Studien im Rahmen der Zulassung der Corona-Impfstoffe ausgeschlossen. Daher lagen diesbezüglich zunächst keine größeren Erfahrungen vor. Die ersten in Deutschland zugelassene Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 basierten auf der Verabreichung von mRNA (BioNTech/Pfizer, Moderna). mRNA ist grundsätzlich sehr instabil. Durch biochemische Modifikationen wurde die Halbwertszeit, die sonst nur Minuten bis Stunden beträgt, verlängert, so dass die mRNA im Impfstoff wohl mehrere Tage wirksam sein kann. Die im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene mRNA wird in Lipid-Nanopartikel gehüllt, damit die mRNA überhaupt in die Körperzellen gelangen kann. Innerhalb der Körperzellen wird die mRNA freigesetzt, um die Produktion viraler Spike-Proteine in Gang zu setzen. Diese Proteine lagern sich an die Zelloberfläche an, wodurch sie eine Antwort des körpereigenen Immunsystems auslösen (Le 2020). Es gibt keinen plausiblen Anhaltspunkt, dass intakte virale Spike-Proteine nach der Impfung über die Muttermilch aus dem mütterlichen Kreislauf auf den Säugling übergehen könnten. Es handelt sich hier nicht um einen Lebendimpfstoff, den man in Schwangerschaft und Stillzeit prinzipiell meiden würde. Vorbehalte für Stillende bestehen grundsätzlich nur bei Lebendimpfstoffen (Anderson 2019). Die verantwortlichen Fachgesellschaften in den USA haben sich eindeutig dafür ausgesprochen, Stillenden den Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entsprechend den allgemeinen Priorisierungskategorien anzubieten und nicht grundsätzlich von der Impfkampagne auszuschließen (ACOG 2020, ABM 2020, SMFM 2020a, Chervenak et al 2021). Bei Messungen 4 bis 48 Stunden nach Impfung (BioNTech n=5, Moderna n=1) konnte in der Muttermilch keine mRNA bei sechs Stillenden nachgewiesen werden (Golan et al 2021). Sollten intakte Nanopartikel aus dem Impfstoff in die Muttermilch gelangen, würden sie spätestens im kindlichen Gastrointestinaltrakt nach oraler Aufnahme zerstört. Internationale Empfehlungen sehen keine Notwendigkeit für die Verzögerung eines Stillbeginns, einer Stillunterbrechung oder des Abstillens nach Impfung (WHO 2020). Inzwischen haben sich die deutschen Fachgesellschaften dieser Position angeschlossen (DGGG 2021). Die Antwort des Immunsystems auf Impfstoffe gegen COVID-19 ähnelt der Reaktion des Organismus bei einer COVID-19-Erkrankung (Walsh et al 2020, Jackson et al 2020). Die Milch geimpfter Mütter enthält demnach Immunglobuline gegen SARS-CoV-2, was auch dem Säugling zugutekäme (Pace et al 2020, Gray et al 2021, Kelly et al 2021). Die COVID-19-Impfung von Stillenden mit mRNA-basierten Impfstoffen weist eine gleichwertige Antikörperbildung und ein ähnlich geringes Nebenwirkungsprofil wie in der Schwangerschaft und bei nicht-schwangeren Frauen auf. Die Immunität ist ausgeprägter als nach einer Erkrankung an COVID-19 (Gray et al 2021). Vor allem bei persönlichen, durch Komorbiditäten oder Exposition bedingten Risiken für einen schweren COVID-19-Verlauf wie vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem sowie Diabetes, Hypertonie und Adipositas überwiegt der potenzielle Nutzen der Impfung die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung deutlich. Es gibt Einzelberichte von schweren oder kritischen COVID-19-Fällen bei Kindern unter 12 Monaten (Dong et al 2020, CDC 2020), auch wenn Säuglinge per se keine höhere Infektionswahrscheinlichkeit aufweisen und Infektionen häufig asymptomatisch oder mild verlaufen (Mithal et al 2020, Raschetti et al 2020). Durch Immunisierung der Mutter kann jedoch das Risiko für eine kindliche Infektion minimiert werden. Durch Impfimmunisierung gebildete Antikörper stellen nach Sezernierung in die Muttermilch einen potenziellen Infektionsschutz des Säuglings dar. Es konnten virusspezifische IgA-, IgM- und IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Muttermilch von Frauen mit aktiver oder durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft nachgewiesen werden (Lebrao et al 2020, Gao et al 2020, Lackey et al 2020). Zusammenfassend halten wir den Einsatz der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 unter Nutzen-Risiko-Abwägung auch in der Stillzeit für vertretbar, insbesondere wenn die Mutter einer entsprechenden Risikogruppe (z. B. eigene Grunderkrankung, Exposition in Krankenversorgung, Altenpflege, Schulen, Kindergärten) angehört (SMFM 2020b). Auch wenn Sie keiner besonderen Risikogruppe angehören, kann ich Ihren Wunsch nach Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gut nachvollziehen. Letztlich ist es ihre persönliche Entscheidung, das Impfangebot anzunehmen. Aber aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen schwerwiegenden Grund, bei einem 25 Monate alten teilweise gestillten Kind die Impfung abzulehnen.


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Ich gehöre keiner Risikogruppe an, möchte mich aber impfen lassen, wenn ich "dran" bin.


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