Hallo Frau Bader!
Meine 5jährige Tochter bakam eine zahnärztliche Behandlung, für die ich 365 Euro selbst zahlen muss, weil sie die Krankenkasse nicht übernimmt. Muss mein Ex-Mann sich an den Kosten beteiligen. Und müsste er sich eigentlich auch an den Kindergartenkosten beteiligen?
Danke!
Mitglied inaktiv - 23.08.2004, 13:28
Antwort auf:
Beteiligung an den Kosten
Hallo,
1. Was ist Sonderbedarf?
In Einzelfällen kann ein besonderer Bedarf der Kinder bestehen, der durch den laufenden Tabellenunterhalt nicht gedeckt ist. Bei diesem Sonderbedarf handelt es sich um einen unregelmäßigen, außerordentlich hohen Bedarf, der überraschend und der Höhe nach nicht einschätzbar war. Typisch für den Sonderbedarf ist, dass er aus dem normalen, laufenden Unterhalt nicht gezahlt werden kann und auch nicht angespart werden kann.
2. Einzelfälle: Sonderbedarf ja oder nein?
Die folgende Auflistung soll einen Überblick über die einzelnen Fallgestaltungen geben. Die Rechtsprechung der Gerichte ist allerdings sehr unterschiedlich.
Arztkosten
wenn notwendig, aber von der Krankenkasse nicht erstattet
Betreuungskosten
ja
Brillenkosten
ja
Familienfeiern
nein
Internatskosten
sehr unterschiedliche Gerichtsentscheidungen, siehe die Anmerkung unten
Kindergartenbeitrag
nein. Die Mutter kann diese Kosten aber bei der Berechnung ihres eigenen Unterhaltsanspruchs von ihrem Einkommen abziehen, wenn sie berufstätig ist
Klassenfahrt
die meisten Gerichte: ja, siehe die Anmerkung unten
Kleidung
nein
Kommunion
sehr unterschiedliche Gerichtsentscheidungen, die meisten Gerichte sagen "nein" (siehe die Anmerkung unten)
Lernmittel
nein
Möbel
nein
Musikausbildung
nein, es sei denn, es liegen gehobene Einkommensverhältnisse vor und die Musikausbildung gehört zum üblichen Lebensstandart der Familie
Musikinstrument
nein
Nachhilfe
ja, wenn unvorhersehbar und nicht über einen längeren Zeitraum
Pivatschule
nein
Prozesskosten
ja
Säuglingserstausstattung
ja
Schüleraustausch
sehr unterschiedliche Gerichtsentscheidungen, siehe die Anmerkung unten
Sport
nein
Umzugskosten
ja
Urlaubskosten
nein
Zahnarztkosten
ja
Anmerkung: In einigen Fällen (z.B. bei Internatskosten, Klassenfahrten, Kommunion, Schüleraustausch) unterscheiden die Gerichte danach, ob der normale, laufende Unterhalt nach einer der unteren Stufen der Düsseldorfer Tabelle (das sind die Stufen 1 bis 5) gezahlt wird, oder nach einer höheren Stufe. Wird der laufende Unterhalt nur nach einer der unteren Stufen gezahlt, ist der Unterhalt also verhältnismäßig gering, dann liegt eher Sonderbedarf vor, als wenn der laufende Unterhalt höher ist.
3. Wie haften beide Elternteile für Sonderbedarf?
Für den Sonderbedarf haften beide Elternteile anteilmäßig (also nicht nur wie beim Tabellenunterhalt der getrennt lebende Elternteil). Das bedeutet, dass sich auch derjenige Elternteil an den Kosten des Sonderbedarfs beteiligen muss, bei dem das Kind lebt - es sei denn, dieser Elternteil hat keinerlei Einkünfte bzw. keine Nettoeinkünfte über 840,- Euro.
Die Kosten werden auf beide Elternteile wie folgt verteilt: Zunächst wird für jeden Elternteil ein Einsatzbetrag ermittelt. Hierzu wird von seinem Einkommen der Selbstbehalt von 840,- Euro abgezogen. Die dann bei beiden Eltern verbleibenden Beträge werden zueinander in Verhältnis gesetzt.
Beispiel (Stand Düsseldorfer Tabelle vom 1.1.2002): der Sonderbedarf beträgt 200,- Euro. Der Vater hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.500,- Euro, die Mutter ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.000,- Euro. Zieht man bei beiden jeweils den Selbstbehalt von 840,- Euro ab, so bleiben beim Vater 660,- Euro übrig, bei der Mutter 160,- Euro. Zusammengerechnet ergeben die beiden Resteinkommen den Betrag von 820,- Euro. Der Vater hat also zu tragen 660/820 x 200,- Euro = 161,- Euro, die Mutter 160/820 x 200,- Euro = 39,- Euro.
4. Weitere Besonderheiten bei der Geltendmachung von Sonderbedarf:
Der Anspruch auf Sonderbedarf muss spätestens innerhalb eines Jahres seit seiner Entstehung geltend gemacht werden, § 1613 Abs. 2 BGB.
Gruß,
NB
von
Nicola Bader, Rechtsanwältin
am 23.08.2004