Guten Morgen,
Ich habe 14 Monate alte Zwillingsmädchen von denen eins eine motorische Entwicklungsverzögerung hat, auch eine Orthesenversorgung steht im Raum.
Im Umgang mit der Zwillingsschwester sowie dem großen Geschwisterkind hat sie eigentlich immer das Nachsehen. Sie sieht ein Spielzeug, will hin, ihre Schwester sieht es und holt es sich natürlich zuerst. Ähnlich läuft es in allen Bereichen. Auch die Große beschäftigt sich mit ihr eher wenig, sondern spielt lieber mit der Schwester, da sie einfach schon mehr mit ihr machen kann.
Nun ist es so, dass sie anfängt zu beißen oder zu kratzen, wenn ihr jemand etwas wegnehmen oder sie wegschubsen will. Natürlich greife ich ein, wenn es ausartet, mir ist klar, dass sie zu klein sind, um so etwas alleine zu lösen, allerdings frage ich mich wie ich es im Umgang mit fremden Kindern handhaben soll. Gestern wollte sie bspw. auf ein Bobbycar klettern, ein anderes Kind kam, drängte sie weg und setzte sich drauf, sie hat daraufhin zugebissen. Es wäre sicher vermeidbar gewesen, denn in der Regel ist mir klar, dass sie so reagiert, allerdings möchte ich auch nicht, dass sie das Gefühl bekommt, dass man alles mit ihr machen kann und sie sich nicht wehren darf.
Und theoretisch würde sie ab Sommer in die Kita gehen in eine Krippengruppe. Wie denken sie darüber? Wie erleben es Kinder in diesem Alter "anders" zu sein? Sollte ich eher versuchen sie noch länger zuhause zu halten?
Vielen Dank für Ihre Arbeit hier!
von
Justme89
am 01.04.2021, 10:23
Antwort auf:
Motorische Entwicklungsverzögerung/ Umgang mit Gleichaltrigen
Guten Tag,
Sie beschreiben da wirklich eine schwierige Situation.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr schwer auszuhalten ist, dass ein so junges Kind von den eigenen (auch noch kleinen) Geschwistern so übervorteilt wird. Ich kann auch nicht einschätzen, ob Ihre Tochter im Kiga gut zurechtkommen wird. Das müssen Sie ausprobieren und da wird es sicher auch auf die Bereitschaft der ErzieherInnen ankommen Ihre Tochter zu unterstützen.
Aber ich bin sicher, dass es für Ihre Tochter notwendig ist, sich mit ihrem Anders sein auseinanderzusetzen (auf Altersniveau). Das hört sich nicht schön an, aber für Ihre Tochter ist es doch von Anfang an eine Tatsache, dass sie anders ist. Sie merkt schon jetzt, dass sie mit den Schwestern bei Manchem nicht mitkommt. Das zu übergehen wäre unrealistisch. Umso wichtiger ist es jedoch, ihr zu zeigen, dass dies nicht zu einer Benachteiligung führen darf. Sie kann vielleicht nicht das Gleiche wie die anderen, aber ihre Bedürfnisse sind genauso zu berücksichtigen. Und das möchten Sie Ihrer Tochter ja auch vermitteln.
Kratzen und Beißen sind bei Kindern dieses Alters keine ungewöhnliche Verteidigungsstrategie. Das muss man nicht gutheißen, aber damit müssen andere Kinder rechnen. Ihre Tochter hat zunächst mal eine Technik gefunden, mit der sie sich behaupten kann. Natürlich muss sie mit zunehmendem Alter lernen sich anders durchzusetzen. Dazu benötigt sie sicher Ihre intensive Unterstützung.
Auch die Schwestern können lernen, mit Ihrer Tochter zu spielen und sich immer mal wieder mit ihr zu beschäftigen. Das können kleine Zeiträume sein, weil sie selber noch zu klein sind, um genügend Geduld und Rücksicht aufzubringen. Aber zu einer Familie gehört, dass keiner das "fünfte Rad am Wagen" ist.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Entscheidungsfindung und hoffe, dass meine Gedanken dazu einen kleinen Beitrag leisten können.
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 02.04.2021