Liebe Frau Welter,
mein Sohn ist jetzt 12 Wochen alt. Nach anfänglichen großen Schwierigkeiten haben wir glücklicherweise ab der 3. Lebenswoche eine gute Stillbeziehung aufbauen können, sodass ich seitdem voll stille. Nun habe ich leider einen schmerzhaften Zahn, der schon einmal behandelt wurde, sich aber nicht richtig beruhigen lässt, sodass wahrscheinlich eine zweite Behandlung, ggf. auch eine Wurzelbehandlung notwendig werden wird. Bei der ersten Behandlung wurde eine Betäubungsspritze mit Articain und Adrenalin gesetzt, nach der Behandlung sollte ich 2 Stunden Stillpause machen, damit die Konservierungsstoffe abgebaut sind und nicht zum Kind gelangen. Ist das denn wirklich notwendig? Muss Milch abgepumpt werden? Ich möchte nicht, dass mein Sohn irgendwie beeinträchtigt wird, ich kann ja aber auch nicht die nächsten Wochen mit Zahnschmerzen herumlaufen. Im Moment versuchen wir es noch mit Ibuprofen, dass der Zahn sich etwas beruhigt. Ich nehme davon 4×400 mg tgl. für 2 Tage um zu schauen, ob das hilft. Ist das ok in der Stillzeit? Es heißt ja bis 1600 mg am Tag geht nichts in die Muttermilch über. Vielen Dank!
von
manma
am 06.08.2021, 04:10
Antwort auf:
Stillpause Zahnarztbehandlung notwendig?
Liebe manma,
eine Zahnarztbehandlung, auch eine Wurzelbehandlung oder die Entfernung eines Weißheitszahnes mit Betäubung usw., verlangt KEINE Stillpause und auch kein Verwerfen der Milch!
Ich zitiere hierzu aus "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" Schaefer, Spielmann, 7. Auflage 2006:
"Lokalanästhetika:
Erfahrungen. Lidocain (z.B. Xylocain®) geht selbst bei intravenöser Behandlung von Herzrhythmusstörungen nur in geringer Menge in die Muttermilch über (siehe Kapitel 4.6). Bei insgesamt 27 Patientinnen, die zur Sectio eine Epiduralanästhesie mit durchschnittlich 183 mg Limain und 82 mg Bupivacain erhalten hatten, wurden nach 2, 6 und 12 Stunden Lokalanästhetika und deren Metabolite im Serum und in der Milch nachgewiesen. Im Mittel fanden sich 860 µg/l Lidocain und 90 µg/l Bupivacain in der Milch sowie 140 µg/l des Metaboliten Pipecolylxylidid (PPX) (Ortega 1999). Die M/P-Quotienten betrugen 0,9, 0,4 und 1,3. Es sind nicht mehr als 1 bis höchstens 4 % der per os ohnehin kaum verfügbaren Wirkstoffe als relative Dosis für ein gestilltes Kind zu erwarten. Die beobachteten Kinder zeigten keine Auffälligkeiten. Bei der Applikation von 3,6 - 7,2 ml Lidocain 2 % ohne Adrenalinzusatz im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Therapie fanden sich für Lidocain und seinen Metaboliten Monoethylglycerinxylidid durchschnittlich nur 73,4 µg/l bzw. 66,1 µg/l in der Milch, toxische Wirkungen beim gestillten Kind wurden für unrealistisch gehalten (Giuliani 2001).
Eine interpleurale Dauerinfusion von Bupivacain (z.B. Carbostesin®), 25 mg/Stunde, führte zu maximal 0,45 µg/ml in der Muttermilch. Im Serum des Säuglings war die Substanz nicht nachweisbar (Nachweisgrenze < 0,1 µg/ml). Toxische Symptome wurden nicht beobachtet (Übersicht in Spigset 1994).
Zu Levobupivacain (Chirocain®), Mepivacain (z.B. Scandicain®), Procain und Ropivacain (Naropin®) liegen keine Daten zur Stillzeit vor. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Substanzen und vor allem solche mit kurzer Halbwertszeit und hoher Plasmaeiweißbindung wie Articain (z.B. Ultracain®) nur sehr geringe Konzentrationen in der Milch erreichen. Der bei Lokalanästhesie übliche Adrenalinzusatz wirkt ohnehin einem Übergang in die Muttermilch entgegen. Prilocain (Xylonest®) wirkt in stärkerem Maße als die anderen Lokalanästhetika als Methämoglobinbildner.
Systematische Untersuchungen zur Anwendung in der Stillzeit fehlen auch für die ausschließlich zur Lokaltherapie eingesetzten Substanzen Benzocain (z.B. Anaesthesin® Creme), Chlorethan (z.B. WariActiv® Aerosol), Oxybuprocain (z. B. Thilorbin® Augentropfen) und Tetracain (z.B. Acoin® Lösung), wobei hier nicht mit einer systemischen Resorption größerer Mengen zu rechnen ist.
Empfehlung für die Praxis: Bei üblicher Anwendung (im Rahmen einer Zahnbehandlung oder anderer Eingriffe) können Lokalanästhetika in der Stillzeit verwendet werden; dies gilt auch für Kombinationen mit Adrenalin. Prilocain sollte gemieden werden, nach dennoch erfolgter Applikation ist jedoch keine Stillpause erforderlich."
Sollten danach Medikamente nötig sein, gibt es auch genug Alternativen, die mit dem Stillen vereinbar sind.
Zum Iboprofen:
„Antiphlogistika“
Erfahrungen. Die Gruppe der Säureantiphlogistika weist aufgrund ihrer Azidität und ihrer hohen Plasmaeiweißbindung (bis 99 %) nur sehr niedrige M/P-Quotienten von deutlich unter 1 auf.
IBUPROFEN hat eine Halbwertszeit von nur zwei Stunden. Bei therapeutischer Gabe von 800 bis 1600 mg/Tag fand man kein Arzneimittel in der Muttermilch. Die Nachweisgrenze wurde in den beiden vorliegenden Untersuchungen mi 1 bzw. 0,5 mg/l angegeben. Über Nebenwirkungen bei gestillten Kindern wurde nicht berichtet.
...
Empfehlung für die Praxis: Unter den nichtsteroidalen Antiphlogistika sind in der Stillzeit die Säureanitphlogistika Ibuprofen und Flurbiprofen Mittel der Wahl. Bei gelegentlicher Einnahme zulässig erscheinen Azapropazon, Diclofenac und Flufenaminsäure."
Bei Fragen zur Vereinbarkeit von Medikamenten und Stillzeit (und natürlich auch Schwangerschaft) kann und sollte sich dein Arzt jederzeit an das Berliner Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie ("Embryotox") wenden, das unter der Telefonnr. 030 450-525700 erreichbar ist, per mail unter mail@embryotox.de, oder online unter www.embryotox.de.
Lieben Gruß und gute Besserung!!
Biggi
von
Biggi Welter
am 06.08.2021