Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillkind 21 Monate - Macht das lange Stillen zu sehr von Mama abhängig?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillkind 21 Monate - Macht das lange Stillen zu sehr von Mama abhängig?

Rani_Mama

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Liebe Biggi und Kristina, ich bin gerade etwas verwirrt und hoffe, durch eure Klarsicht ebenfalls wieder deutlicher zu sehen ;). Mein Sohn ist jetzt 21 Monate alt und an sich ein prächtiger, freundlicher und an der Welt hochinteressierter Kerl. Er wurde bislang noch nach Bedarf gestillt und schläft nachts bei mir bzw. uns im Bett. Bei uns war in den letzten Monaten sehr viel Bewegung (stressiger Umzug, eine weite Auslandsreise zur außereuropäischen Familie meines Mannes, Beginn der Eingewöhnung bei der Tagesmutter etc.etc.) Der Kleine war schon immer ein großer Brustliebhaber und will noch mehrfach tagsüber und auch nachts neben der normalen Kost Stillen. Ich habe das Gefühl, dass er das Stillen als den Inbegriff von Ruhe, Entspannung und Mamahöhle empfindet. Soweit so gut. Nun ist der Kleine allerdings seit gut zwei Wochen sehr anhänglich und geht auch nicht mehr so gerne zu seiner Tagesmutter. (Er geht seit 2 Monaten dreimal die Woche für 3 Stunden, und das eigentlich gerne). Er weint dort, wenn er voraussieht, dass ich bald gehen werde und lässt sich auch nicht mehr von der TaMu beruhigen, wenn er müde ist. Das Feedback der TaMu ist, dass es vielleicht am Stillen liegt und er dadurch noch sehr (zu sehr) auf mich fixiert sei. Die anderen Kinder dort sind teils deutlich jünger, nicht mehr gestillt und mit der Trennung von ihren Eltern offensichtlich "cooler". Auch mein Mann schlägt nun in die selbe Bresche und hat Angst, dass unser Sohn ein "Weichei" wird. Herrje! Das verwirrt mich nun, denn ich dachte eigentlich, dass wir unser Kind gerade dadurch stark machen, dass wir seine Bedürfnisse immer hören und in den allermeisten Fällen auch schnell erfüllen. (Damit meine ich nicht, dass jeder Wunsch nach einem Eis erfüllt wird, sondern eben wirkliche Bedürfnisse). Aktuell fordert er das Stillen so sehr ein (vielleicht ein Ausgleich zu all dem Neuen?), die üblichen Empfehlungen (Ablenken, schmusen, Essen oder Trinken anbieten etc.) mache ich schon, aber wenn er wirklich seine "minu" will, ist er wahnsinnig fokussiert. Was ist hier Ihre Meinung? Sollte ich konsequenter sein? Hindere ich mein Kind durch unsere innige Beziehung daran, sich selbständiger zu entwickeln?


Biggi Welter

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Liebe Rani_Mama, das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby. Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das "Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden. Wie schnell oder langsam das Kind dann seine Fühler ausstreckt und Kontakt zu anderen aufnimmt und dort Bindungen knüpft ist ebenso wie das Laufenlernen oder Sprechen von Kind zu Kind verschieden. Jedes Kind hat da seinen eigenen Zeitplan. Du würdest niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn Du weißt, dass sie dadurch verkümmern oder sogar sterben würde. Genau so wenig können wir an unseren Kinder "ziehen", um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Keine Angst, dein Kind wird weder ein "Muttersöhnchen" noch ein ewig unselbstständiger Mensch, sondern Du legst jetzt den Grundstock für einen in sich ruhenden, selbstbewussten und selbstständigen Menschen. Der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs Fakt. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Die Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde). Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind. Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase, aber dein Kind spürt jetzt deine Unsicherheit und das ist etwas, was Kinder extrem schlecht vertragen. Kinder brauchen Klarheit und Zweifel sowie Unsicherheit der Eltern verwirren sie und beeinflussen ihr Verhalten, so dass sie z.B. besonders klammern oder eben sehr lange und häufig an der Brust trinken. Das Problem ist nicht das Stillen - das in diesem Alter außerdem noch vollkommen normal ist, denn statistisch gesehen findet ein selbstbestimmtes Abstillen meist irgendwann zwischen dem zweiten und dem vierten Geburtstag statt - sondern der Druck, der von außen auf dir lastet. Kennst Du noch andere langzeitstillende Mütter im realen Leben? Ich denke, dass dir der Austausch mit anderen Eltern von langzeitgestillten Kindern sehr gut tun würde. LLLiebe Grüße, Biggi


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