Liebe Frau Welter,
meine Tochter ist ein Jahr alt und ich stille sie nach wie vor ganz nach Bedarf. Gerade abends trinkt sie zum "Runterkommen" und Einschlafen gerne. Ich bringe sie demnach ins Bett und mache dies sehr gerne. Beim Stöbern auf dieser Seite habe ich im Forum von Herrn Posth gelesen, dass ihr dies das Loslösen erschwert. Ist das tatsächlich richtig? Und wenn ja, wie ermögliche ich ihr eine sanfte Umgewöhnung? Ich bin bisher davon ausgegangen, dass ich eigentlich nichts falsch mache, wenn ich mein Kind auch nach dem ersten Lebensjahr noch dann stille, wenn es gerne gestillt werden möchte, zumal ich den Eindruck habe, dass es ihr gut tut.
Ganz herzliche Grüße und schon im Voraus vielen Dank!
Mimi46
von
Mimi46
am 03.05.2011, 10:04
Antwort auf:
Stillen zum Einschlafen
Liebe Mimi46,
der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs Fakt. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Die Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde).
Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind.
Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase, aber ihr Kind spürt jetzt ihre Unsicherheit und das ist etwas, was Kinder extrem schlecht vertragen. Kinder brauchen Klarheit und Zweifel sowie Unsicherheit der Eltern verwirren sie und beeinflussen ihr Verhalten, so dass sie z.B. besonders klammern oder eben sehr lange und häufig an der Brust trinken. Das Problem ist nicht das Stillen - das in diesem Alter außerdem noch vollkommen normal ist, denn statistisch gesehen findet ein selbstbestimmtes Abstillen meist irgendwann zwischen dem zweiten und dem vierten Geburtstag statt - sondern der Druck, der von außen auf Ihnen lastet.
Kennen Sie noch andere langzeitstillende Mütter im realen Leben? Ich denke, dass Ihnen der Austausch mit anderen Eltern von langzeitgestillten Kindern sehr gut tun würde. Wenden Sie sich doch einmal an eine Stillberaterin und fragen Sie, ob es eine Kleinkinderstillgruppe in Ihrer Nähe gibt. Ich suche Ihnen gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus, wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben.
LLLiebe Grüße
Biggi Welter
von
Biggi Welter
am 03.05.2011