Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Kinderarzt nicht ganz zufrieden

Frage: Kinderarzt nicht ganz zufrieden

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Liebe Biggi, heute muß auch ich mal wieder Deine Hilfe in Anspruch nehmen. Erstmal muß ich Dir sagen, daß ich durch Deine guten Ratschläge und hilfreichen Antworten immer weitergestillt habe, auch wenn sich durch mein Umfeld manchmal kleine Zweifel eingestellt haben.Meine Tochter ist ein sehr interessiertes,aufgeschlossenes, neugieriges und glückliches Kind.Ich führe das nicht zuletzt darauf zurück, daß ich immer auf Ihre Bedürfnisse eingegangen bin,immer nach Bedarf gestillt habe und sie vom ersten Tag an im Familienbett übernachten ließ. Ohne Deine moralische Unterstützung hätte ich das vielleicht nicht so gut und lange durchgehalten. Dafür ein RIESENGROSSES Dankeschön von unserer Tochter und unserer ganzen Familie!!!! So, nun zu meinem eigentlichen Problem. Vanessa ist am 19.10. 1 Jahr alt geworden. Sie ernährt sich nach wie vor hauptsächlich von Ihrer heißgeliebten MuMi und ganz wenig von anderen Dingen.Interesse besteht zwar durchaus, aber viel ißt sie eben nicht.Ich akzeptiere das, biete ihr aber immer etwas anderes auch an. Zwingen kann und würde ich sie niemals,(logisch nicht!!). Am Stuhlgang kann man sehen das, das eine oder andere auch drin bleibt. Wir waren nun zur U6 und unser KiA, hat uns darauf hingewiesen das Vanessa eigentlich bis zum ersten Geburtstag ihr Geburtsgewicht ca.verdreifacht haben müsste.Sie hatte ein Geb.gw. von: 4430g und wog jetzt 9920g. Das fand er jetzt noch nicht so besorgniserregend, aber anhand der Wachstums- und Gewichtskurve konnte er nachvollziehen dass sie im ersten halben Jahr rasant zugenommen hat und gewachsen ist und das es danach so ziemlich stagnierte bzw. sehr langsam weiterging. Er sagt man muß das gut beobachten und gegebenenfalls was unternehmen.( was eigentlich?) Mir fiel ein, ich habe zu diesem Thema mal gelesen das dieser Gewichts-und Wachstumsverlauf bei gestillten Kindern durchaus normal ist und das die Tabellen eigentlich für Flaschenkinder ausgelegt sind.Meine Frage: Kannst Du mir einen Tip geben wo genau das geschrieben steht, ich würde das sehr gern entweder ausdrucken oder in Buchform zu meinem KiA mitnehmen, denn schwarz auf weiß ist es ja doch aussagekräftiger,als wenn ich als Laie ihm sage, ich hab da mal was gelesen!! Außerdem würde mich Deine Meinung zu Vanessas Gewichtsverlauf interessieren. Liebe Biggi, es ist wiedermal sehr lang geworden, ich hoffe Du verzeihst mir das. Ganz liebe Grüße Diana.


Biggi Welter

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Liebe Diana, danke für deine lieben Worte, es freut mich, dass Du so glücklich bist mit deinem Kind :-). Ich weiß auch nicht, was dein Arzt unternehmen möchte, denn zwingen wirst Du Vanessa nicht können. Die durchschnittliche Gewichts- und Längenentwicklung verläuft bei einem gestillten Baby etwa wie folgt: Innerhalb von zwei bis drei Wochen erreichen die meisten Säuglinge ihr Geburtsgewicht wieder. Die Gewichtszunahme sollte immer ausgehend von dem niedrigsten Gewicht am dritten oder vierten Lebenstag berechnet werden. Je mehr Gewicht ein Baby verliert, umso länger kann es dauern, bis es sein Geburtsgewicht wieder erreicht. Kranke oder frühgeborene Babys brauchen länger, um ihr Geburtsgewicht wieder zu erlangen als gesunde, voll ausgetragene Babys. Die Gewichtszunahme in den ersten drei bis vier Monaten liegt üblicherweise zwischen 113 und 227 Gramm wöchentlich, was zu einer Verdoppelung des Geburtsgewichtes bis zum Alter von fünf bis sechs Monaten führt. Vom vierten bis sechsten Monat verlangsamt sich die Gewichtszunahme gewöhnlich auf 85 bis 142 Gramm pro Woche, im Alter von sechs Monaten bis zwölf Monaten verringert sie sich auf 42 bis 85 Gramm wöchentlich. Das durchschnittliche Längenwachstum beträgt 2,5 cm pro Monat und die Zunahme des Kopfumfangs etwa 1,27 cm monatlich in den ersten sechs Monaten und im zweiten Lebenshalbjahr etwa halb so viel Das sehr schnelle Wachstum des Babys während der ersten drei Monate verlangsamt sich üblicherweise während des vierten bis zwölften Lebensmonats (Cohen, 1995; Dewey, 1992a). Im Alter von einem Jahr wiegt ein typisches gestilltes Baby im allgemeinen etwa das Zweieinhalbfache seines Geburtsgewichtes, seine Geburtslänge ist um 50 % angewachsen, und sein Kopfumfang hat um 33 % zugenommen. Frag vielleicht einmal im Nebenforum bei Dr. Busse nach, was er zu dem Gewicht sagt. Dein Kind weiß am besten, wann es soweit ist, dass es ergänzend zum Stillen andere Nahrung braucht und will. Lass dich von ihm leiten. Bei einem gesunden voll ausgetragenen Baby ist in aller Regel auch keine Sorge in Hinblick auf die Versorgung mit Nährstoffen nötig. Zu diesem Thema hänge ich dir die Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. Carlos Gonzales, einem spanischen Kinderarztes an. LLLiebe Grüße Biggi Mein Kind will nicht essen Vortrag von Dr. Carlos Gonzales auf der LLL-Europa-Konferenz 2000 in Nottingham zusammengefasst von Denise Both, IBCLC Dr. Carlos Gonzales ist Kinderarzt in Barcelona. In den letzten zwölf Jahren hat er Vorträge bei zahlreichen La Leche Liga-Konferenzen gehalten. Er gründete ACPAM (eine katalanische Stillorganisation), organisiert Stillkurse für medizinisches Fachpersonal in ganz Spanien, übersetzte Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins spanische und ist Mitglied des Medizinischen Beirates von LLLInternational. Dr. Gonzales ist Vater von drei gestillten Kindern. 1999 hat Dr. Gonzales sein Buch „Mi nino no me come" (Mein Kind will nicht essen) veröffentlicht und mit diesem Thema beschäftigte sich auch sein Vortrag in Nottingham. „Mein Kind isst nicht(s)" - das ist einer der Sätze, mit denen Kinderärzte fast täglich in ihrer Praxis konfrontiert werden. Besorgte Mütter berichten entsetzt, wie wenig ihre Kinder essen und schildern mit welchen Tricks sie versuchen, Nahrung in ihr Baby oder Kleinkind hineinzuzwingen. Der Kampf ums Essen spielt sich täglich ab und letztlich gibt es nur Verlierer. Dr. Gonzales erklärte in seinem Vortrag, dass er nun nicht ein Patentrezept liefern mag, mit dem erreicht wird, dass das Kind isst, sondern er will erklären, warum das Kind nicht isst. Zunächst einmal gibt es drei Gründe, warum ein Kind nicht isst: es gibt nichts zu essen, das Kind hat keinen Hunger oder das Kind ist krank. Der erste Grund ist in unserer Gesellschaft meist auszuschließen. Ein gesundes Kind isst in der Regel wenn es hungrig ist, allerdings nicht immer das, was die Mutter möchte und schon gar nicht so viel wie es nach den Vorstellungen der Mutter essen müsste. Verwunderlich ist dabei, dass die Kinder noch nicht verhungert sind, obwohl sie laut Aussage der Mütter „nichts" essen. Gestillte Babys lehnen oft feste Nahrung über einen langen Zeitraum ab, nicht selten bis zum Alter von acht Monaten oder gar einem Jahr. Die Mutter verzweifelt und das Kind leidet, weil ständig versucht wird, es zum Essen zu überreden oder gar zu zwingen. Wie kommt es nun dazu, dass (anscheinend) immer mehr Kinder die Nahrungsaufnahme verweigern? Und ist es notwendig ein Kind zum Essen zu zwingen? Dr. Gonzales vergleicht, wie sich die Empfehlungen, wann das Baby feste Nahrung erhalten beziehungsweise wie lange es ausschliesslich gestillt werden sollte, im Verlaufe der letzten 100 Jahre verändert haben. Dann hat er das „Phänomen" der nicht essenden Kinder sowie die Sorge der Mütter, dass Ihre Kinder nicht essen, anhand der diesbezüglich in Kinderpflegebüchern auftretenden Ratschläge beleuchtet und einen erstaunlichen (oder vielleicht doch nicht erstaunlichen) Zusammenhang gefunden: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in spanischen Büchern zur Säuglingspflege eine Zeit von zwölf Monaten mit ausschliesslicher Muttermilchernährung empfohlen. Gleichzeitig findet sich nirgends ein Hinweis in diesen Büchern, wie mit einem Kind zu verfahren sei, das nicht essen will. Je weiter das Jahrhundert fortschreitet, um so jünger sollen die Kinder laut den Empfehlungen der diesbezüglichen Bücher sein und: um so mehr Ratschlage gibt es, was mit einem Kind zu tun sei, das nicht essen will. Wird zu Beginn der dreissiger Jahre noch nur ganz kurz auf dieses Thema eingegangen, so sind 30 Jahre später schon seitenweise Abhandlungen zu finden, was mit einem die Beikost (im Alter von drei bis sechs Monaten) verweigernden Kind zu tun sei und die Seitenzahlen zu diesem Thema werden von Jahr zu Jahr mehr. Wie viel Nahrung braucht ein Kind? Der Nahrungsbedarf eines Kindes hängt ab von seiner Körpergrösse, seiner Aktivität und vom Wachstum des Kindes. Allerdings ist es nicht so, dass das Kind wächst, wenn es isst, sondern umgekehrt, das Kind isst, wenn es wächst. Der Nahrungsbedarf des Kindes lässt sich daher nicht pauschal bestimmen. Am ehesten gelingt dies, wenn das Kind sich in einer Wachstumsphase befindet, dann lässt sich eine Relation zwischen Gewicht des Kindes und erforderlicher Nahrungsmenge herstellen. Ein Kind im Alter zwischen einem und vier Jahren benötigt etwa 1000 bis 1100 kcal pro Tag (das entspricht etwa 102 kcal pro Tag und kg Körpergewicht). Nun gibt Dr. Gonzales an, was ein „nicht essendes Kind" täglich nebenbei zu sich nimmt: 1/2 l Milch (335 kcal), einen Becher Joghurt mit Früchten (141 kcal), einen Schokoriegel (275 kcal) und 150 ml Apfelsaft (85 kcal). Zusammen ergibt das bereits eine Kalorienaufnahme von 836 kcal. Wie soll das Kind dann noch zwei komplette weitere Mahlzeiten essen können, wenn es seinen Kalorienbedarf bereits zu gut 80 Prozent quasi „nebenbei" gedeckt hat? Wie lange kann ein Baby ausschliesslich mit Muttermilch ernährt werden? Die derzeit verbreiteste Empfehlung lautet, dass ein Baby mit sechs Monaten zusätzliche Beikost ergänzend zur Muttermilch benötigt. Nun gibt es aber bekanntermassen viele gestillte Kinder, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Beikost akzeptieren. Dr. Gonzales hat deshalb eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken: Energie: 830 kcal = 1185 ml MM Eiweiss: 9,6 g = 910 ml MM Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen. Ohnehin sind die Empfehlungen dazu, wie viel ein Baby benötigt meist zu hoch. Die Empfehlungen beruhen beispielsweise darauf, dass untersucht wird, welche Mengen gesunde, reif geborene Babys im Durchschnitt essen. Daraus werden Richtwerte berechnet, die sich immer an den Höchstmengen orientieren und zusätzlich noch Sicherheitszuschläge enthalten. Babys benötigen auch weniger Eisen, als meist angegeben wird. Dabei lässt sich beobachten, dass die meisten Kinder instinktiv das essen, was bei einem Mehrbedarf an Eisen sinnvoll ist. Babys sind Skeptiker, wenn sie neue Lebensmittel essen sollen. Dieses Misstrauen ist ein Schutzmechanismus, der das Kind davor bewahren soll, etwas zu essen, was ihm nicht bekommt. Bevorzugt isst ein Baby das, was auch seine Mutter isst, denn dieser Geschmack ist ihm durch die Muttermilch vertraut. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass ein Baby gekochte Karotten ablehnt, wenn die Mutter nie gekochte Karotten isst. Die meisten Babys mögen kein Gemüse, aber sie essen gerne Bananen, Nudeln und Süssigkeiten. Ein Vergleich der Kaloriendichte ergibt, dass Babys Nahrungsmittel mit einer grösseren Kaloriendichte bevorzugen und Muttermilch liefert mehr Kalorien als Gemüse und die meisten Nahrungsmittel, aus denen Mahlzeiten für Babys hergestellt werden. Um die gleiche Menge an Kalorien, wie sie in 100 ml Muttermilch enthalten sind, durch den Verzehr von Karotten aufzunehmen, müsste das Kind fast 400 g gekochte Karotten essen! Daraus lässt sich ein Zusammenhang zwischen Unterernährung und Nicht-Stillen erklären: da der Magen des Babys klein ist, benötigt es hochkalorische Kost. Gemüse kann nicht in so grossen Mengen gegessen werden, wie es notwendig wäre, um das Kind mit genügend Kalorien zu versorgen. Laut Dr. Gonzales weiss das Kind ganz genau, was und wann es essen muss. Deshalb lautete sein Schlusssatz, den er den Zuhörern mit nach Hause gab: Zwingen Sie ein Kind niemals zum Essen. NIEMALS!


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