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Einschlafstillen immer problematisch?

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Einschlafstillen immer problematisch?

JulianeMaria

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Liebe Biggi! ich habe ein gerade 3 Monate gewordenes Baby und ein Kleinkind von 3 Jahren. Das Baby schlief die ersten Monate bis zu 7/8 Stunden am Stück durch, nun wacht es abends schreiend auf, nachdem ich eine kurze Zeit aus dem Zimmer bin. Ich denke, er schafft es nicht in den Tiefschlaf. Ich beruhige ihn -er drängt auf Stillen aber ich schaffe es derzeit (noch?) tränenlos auch mit Bauch rütteln ihn zu schlafen zu bringen. Wenn ich aus dem Raum gehe um noch kurz etwas im Haushalt zu erledigen, wacht er gleich wieder auf. Dann bleibe ich frustriert bei ihm liegen.... Nehme an, der Grund des Aufwachens ist das Einschlafstillen oder? Im weiteren Verlauf der Nacht ist der Bub bislang noch anders zu beruhigen als mit Stillen und wacht noch nicht oft auf. Mir bleibt wegen "drohendem Chaos" und weil es sich eingeschlichen hat, nichts anderes übrig, als abends Einschlafstillen zu praktizieren, um mein Kleinkind nebenbei in Ruhe ins Traumland zu bringen, indem ich Geschichten vorlese, (Baby schläft nebenbei an der Brust ein). Wie herauszulesen ist, fürchte ich mich vor drohendem stündlichem und noch öfterem Stillen müssen, da ich das mit zwei Kindern nicht mehr schaffen würde. Die Große war lange Zeit ein "Dauerstiller" und ist immer noch relativ anhänglich in der Nacht. Es wäre wirklich nicht zu schaffen, wenn der Kleine sich auch ständig melden würde. Kann ich das Einschlafstillen (beim Zubett bringen) weiterhin praktizieren ohne das mir das Baby bald ständig aufwachen wird und legt sich das derzeitige Erwachen kurz nach dem Zubettbringen wieder? Als "Vorbeugung" gebe ich in der Nacht konsequent nicht nach, wenn er nach dem Trinken an der Brust nuckelnd einschlafen will. Er akzeptiert bislang, wenn auch manchmal mit leichtem Widerstand. Aufwachen tut er derzeit nur 1-2 mal zum Stillen. Oder kommts wirklich auf das erste Einschlafen drauf an? Hoffe, die Frage ist zu verstehen, konnts nicht kürzer fassen...


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Liebe JulianeMaria, Du machst sicher NICHTS falsch, sei stolz darauf, dass Du deinem Kind diese Nähe und Liebe so schenken kannst! NEIN, das Kind kann nicht „verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: „Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit dir herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, lässt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen") Auch ich war damals verunsichert und wurde als Glucke und sonstwas bezeichnet ;-). Heute sind meine Kinder meine größten Stützen und ich weiß, dass Achtsamkeit nichts mit Verwöhnen zu tun hat. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass niemand fragt „Wann muss das Kind selbstständig atmen lernen" oder „Wann muss das Kind frei laufen können"? Beim ersteren geht jeder davon aus, dass dies eine Fähigkeit ist, die ein gesundes Kind selbstverständlich beherrscht und bei zweiten wird eine große Zeitspanne von vorneherein als normal angenommen. Nur beim Stillen, da wird dem Kind nicht die Kompetenz zugestanden, dass es auch diese Fähigkeit selbst und in dem für es passenden Tempo entwickeln wird. Da wird immer wieder behauptet, dass die Eltern das Kind entsprechend „trainieren" müssen. Wenn es DICH also nicht stört, dann schenke deinem Kind diese Zeit. Wie traurig ist es doch, dass wir unseren Menschenkindern kaum noch die natürliche Zeit gönnen, die sie zum gesunden Gedeihen brauchen. Es gibt keinen Grund, dass Du etwas daran ändern musst, dass Du dein Baby nach Bedarf stillst und auch in den Schlaf stillst, es sei denn DICH persönlich stört etwas daran. Auch die immer wieder geäußerten Argumente, das Baby würde auf diese Weise verwöhnt oder es würde so nie lernen alleine einzuschlafen bzw. nie wieder aus dem Elternbett ausziehen, sind nicht stichhaltig. Babys in diesem Alter können noch nicht verwöhnt werden und Kinder, die sich den Platz im Elternbett nicht erkämpfen oder ertrotzen mussten, ziehen von selbst aus dem Elternbett aus, sobald sie reif genug dafür sind. Im Gegensatz dazu wollen viele Kinder, die als Babys alleine schlafen mussten noch lange ins Elternbett, weil ihr Bedürfnis (noch) nicht gestillt wurde. Sobald ein Baby die nötige Reife hat, lernt es alleine (ein)zuschlafen und wird auch längere Schlafphasen haben. Dein Kind wird von ganz alleine lernen, alleine einzuschlafen, ohne Druck und ohne Brüllen. Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat noch nie einem Baby geschadet. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Ganz liebe Grüße Biggi


JulianeMaria

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Liebe Biggi, vielen Dank. Von Bernadette Stäbler hab ich noch gar nie gehört. Klasse! Ich bin eigentlich ganz bei Dir aber wenn mein Kleiner nun beginnt immer häufiger aufzuwachen und stillen zu wollen, schaffe ich das nicht. War beim ersten Kind schon nicht immer leicht und nun habe ich zwei Kinder nachts zu versorgen. Ich möchte es nicht soweit kommen lassen. Ich bräuchte jetzt schon mehr Schlaf, da der Alltag mit zwei Kindern sehr sehr anstrengend ist. Führt Einschlafstillen am Abend immer zum häufigen Erwachen in der Nacht? Was kann ich tun, wenn der Kleine erwacht, nachdem er erst gerade an der Brust einschlief? Manchmal nach 5 Minuten, oder auch nach 50 Minuten. Er ist erst 3 Monate, ich will ihn auch nicht überfordern. Ganz liebe Grüße zurück


Biggi Welter

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Liebe JulianeMaria, in diesem Alter würde ich wirklich nach Bedarf stillen und nicht mit irgendwelchen Tricks arbeiten, die noch nicht funktionieren können. Dein Baby ist noch so klein und es braucht deine Nähe einfach noch so sehr. Sicherlich kannst Du es herumtragen oder sonstwas, aber das wäre nicht weniger Stress für Dich…. Biggi


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