Frage im Expertenforum Recht an Nicola Bader:

Überstunden & Kind aus der Kita holen

Nicola Bader

 Nicola Bader
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht

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Frage: Überstunden & Kind aus der Kita holen

Jullla

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Liebe Frau Bader, ich arbeite in einer Werbeagentur. Der Workload hier ist sehr hoch, manchmal hat man gar keine Zeit sich einen Kaffee zu machen. Ich habe seit zwei Monaten von Vollzeit auf eine 35h Woche gewechselt. Jedoch mache ich so gut wie immer Überstunden und arbeite nun doch mehr als Vollzeit. Ich muss allerdings meinen Sohn 2 x in der Woche um 16h von der Kita abholen. Manchmal, wenn ich wieder länger arbeiten muss, kommt die Babysitterin. Das klappt aber nicht immer. Kann mein Arbeitgeber verlangen, dass ich trotzdem Überstunden mache an den Tagen? Im Vertrag steht eine Klausel, dass die Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Danke und viele Grüße


Nicola Bader, Rechtsanwältin

Nicola Bader, Rechtsanwältin

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Hallo, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Arbeitszeit wird reduziert, der Lohn auch, die tatsächliche Arbeitszeit aber erhöht. Die Klausel im Vertrag halte ich für unwirksam, lesen Sie mal hier: https://www.kanzlei-hasselbach.de/2019/wann-sind-unbezahlte-ueberstunden-zulaessig/05/ Liebe Grüße NB


Tigerblume

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Da krankt doch irgendwie schon Euer System, wenn Du bei 35 h/Woche regulär mehr als Vollzeit arbeitest und das als selbstverständlich angesehen wird. Was hat Dir die Reduktion dann überhaupt genutzt?


cube

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Es hat seinen Grund, warum ich mit Kind nicht mehr dort arbeite. Überstunden sind je nach (Führungs)-Position tatsächlich in einem gewissen Umfang sozusagen ok. Ich meine auch, dass es dazu (allerdings bezogen auf eine GF-Position) auch mal ein Gerichtsurteil gab, dass Übersunden mit diesem Passus tatsächlich abgedeckt werden können. Grundsätzlich sind regelmäßige Überstunden aber nicht einfach hinzunehmen. Dann wäre ja jeder Vertrag mit einer festgelegten Stundenanzahl überflüssig. Rechtlich wird Frau Bader dir dazu antworten und dir weiter helfen können. Ich kann dir nur aus jahrelanger Erfahrung sagen, dass die Branche sich dahingehend kaum geändert hat und ändern wird und du als Mutter einfach die A-Karte hast. Nach dem Motto "wenn du das nicht gestemmt bekommst, bist du hier halt falsch" bzw. ein Bestehen auf Arbeitszeiten etc negativ ausgelegt wird. Nein, Freunde wirst du dir damit nicht machen . egal, wie sehr du im Recht wärest. Ich muss allerdings auch sagen, dass gerade im Pitch auf großen Etats mit Kampagne im Finishing es einfach dazu gehört. Nicht zuletzt sind ja es auch oft die Kunden, die Deadlines setzen oder eigene Arbeitszeiten als Maßstab anlegen und vom Dienstleister Agentur halt erwarten, dass sich dem angepasst wird. Oder der OnAir-/Live-Termin fix ist und man eben einfach zusehen muss, dass auch alles fertig ist - egal wie. Eins noch: du hast Stunden reduziert, arbeitest jetzt aber mehr als in VZ - kann es sein, dass man deinen Workload gar nicht entsprechend angepasst hat und dich untergehen sehen will?


Jullla

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Vielen Dank für deine Antwort. Ja ich versuche auch aus der Branchr raus zu kommen, langsam kann ich nämlich nicht mehr … Aber heißt das, dass der AG Überstunden anordnen darf, obwohl man sein Kind abholen muss? Mir wurde die 35h Woche genehmigt bin dem Satz „Eigentlich ist das ja nur eine Reglung, mit der du ab und zu mal früher gehen darfst.“ Deswegen, nein. Mein Workload wurde nicht angepasst. :(


Pamo

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Es ist unverschämt, dass du weniger Geld bekommst, aber gleich oder mehr arbeiten musst. Eigentlich machen Arbeitszeitreduzierungen im Rahmen 31-39h keinen Sinn, weil die Aufgaben kaum reduziert werden. Ich würde auf das Gehen um 16h an den beiden festgelegten Tagen bestehen und es einfach tun. Sicher hast du das auch schriftlich? Parallel würde ich eine andere Stelle suchen. Ohne geregelte Arbeitszeit geht's nicht, wenn man keine Ehefrau hat, die das alles ohne Fragen auffängt.


cube

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sehr viel Geld verdienst - Nein. Nicht, wenn diese täglich bzw. regelmäßig stillschweigend eingefordert werden. Überstunden dürfen nur angeordnet werden, wenn dies die betriebliche Situation kurzfristig zwingend erfordert. Darüber hinaus müssen diese dann auch wirklich angeordnet werden, einem Mitarbeiter zugeordnet werden )können) und dann eben auch entsprechend vergütet bzw. inFreizeit abgegolten werden Grundsätzliche arbeitsrechtliche Gesetze wie max. Stundenzahl etc, Mindestlohn dürfen ebenfalls nicht einfach unterwandert werden oder mit einem solchen Passus ausgehebelt werden. 10-20% Überstunden auf Basis der vertraglich vereinbarten Stundenzahl sind monatlich noch ok - darüber hinaus nicht. Dann würde sich die Frage stellen, ob der AG entweder den AN überfordert hinsichtlich seiner Fähigkeiten oder aber eben mit unbezahlten Stunden (bei zB zu wenigen Mitarbeitern) kalkuliert, um Kosten zu sparen. Also ja, du hast ein Recht darauf, die getroffenen Vereinbarungen auch einfordern zu dürfen. Aber: du schreibst ja, man will dir eigentlich gar nicht entgegen kommen. "Ab und zu mal früher gehen" ... Nein, du hast einen Vertrag über von/bis Arbeitszeit und es ist keine Nettigkeit des AG, dass du dich darauf auch ab und zu mal verlassen kannst. Umgekehrt würde ein Schuh daraus: grundsätzlich arbeitest du von/bis und ab und zu kann aber auch mal Mehrarbeit anfallen. Dein AG will das aber gar nicht. Ich denke, du arbeitest in der Klassik bzw. klassischen Agentur? Wenn du digital up to date bist oder dich in die Abläufe einarbeiten kannst, wechsle in eine Digital-Agentur. Über Corona hat sich die Arbeitsweise fast zu 100% auf HO geändert. Es ist total üblich geworden, von zu Hause aus zu arbeiten und ein Kind im Hintergrund zu haben. "Sorry Leute - wie angekündigt bin ich mal ne Stunde raus, muss mein Kind abholen/mit dem Hund Gassi usw" ist normal (egal ob die Creative bist oder auf Berater/PM-Seite). Mein Mann ist UX/UI-Designer und seit Corona war er so selten mal irgendwo vor Ort (mal ein Kick-off hier und da) - dass kann man an einer Hand abzählen. Alles online. Meetings mit Share-Screen etc sind der normale Alltag geworden. Einige Agenturen und auch Kunden haben schon ihre Büros dezimiert, weil eh alle HO arbeiten. Zum Teil sind die MA´s für 3 Monate auf Mallorca oder sonst wo und schalten sich von da zu - alles egal, hauptsache die Arbeit ist ready zum Termin. Ich bleibe leider dabei - man will dir gar nicht entgegenkommen und im Zweifel wird man dir kündigen mit Begründungen wie "Sie sehen ja selbst, dass sie damit überfordert sind" oä. Die Branche ist innerhalb der "klassischen" Agenturen noch im vorigen Jahrhundert und Mütter sind einfach 2. Wahl. Da kannst du Recht haben wie du lustig bist - es interessiert keinen. Ich habe nach der EZ sogar mal eine Absage von einer Agentur bekommen, die explizit gerne Mütter bevorzugt einstellen wollte - Begründung: "ach, ein KiGa-Kind... wir haben eher an jemanden gedacht, dessen Kind schon alt genug ist, auch mal ein paar Stunden alleine zu bleiben. Sie kennen das ja, Überstunden und so" ... Danke dafür... Ich liebe den Job nach wie vor - aber einfach unrealistisch, wenn nicht zufällig Oma, Opa & Papa immer Zeit haben.


Pünktchen_ohne_Anton

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Die rechtliche Einordnung ist glaube ich ganz einfach: Darf er nicht. Du hast reduziert, bekommst ja deshalb auch weniger Geld (!) und es ist mehr als rechtens, wenn du an zwei Tagen deinen Sohn abholen gehst. Über das rein rechtliche hinaus hat Cube mit ihrer Branchenexpertise sehr ausführlich geantwortet. Meine Agenturzeiten sind lange vorbei. Ich dachte, es wäre etwas besser geworden. Ich selbst bin Beraterin und kämpfe mitunter an ähnlichen Baustellen. Nicht nur die FKs fordern ein, es sind auch so viele Mitarbeiter, die in diesem System "aufgewachsen" sind. Da ist es normal, dass man immer noch 1-2 Std. an die normale Arbeitszeit dranhängt. Mitarbeiter mit Kindern, die einfach nicht mehr arbeiten können (irgendwann muss man ja auch noch mal schlafen, die Kita schließt halt u. ä.) passen hier einfach nicht rein. Das hat mir so im O-Ton ein Partner meines Unternehmens tatsächlich mal gesagt. Ich bin immer noch da - vielleicht aus Trotz, weil mir der Job meistens Spaß macht, manchmal weiß ich es selbst nicht ;). In einem "normalen" Unternehmen würde ich mehr verdienen, hatte auch schon Angebote. Aber irgendwie möchte ich nicht aufgeben. Es sollte überall möglich sein mit Kindern als Vater oder Mutter zu arbeiten, ohne sich total aufreiben zu müssen.


romankowitz

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Den größten Stress in den Agenturen hatte ich mit den Kollegen und Kolleginnen. Hier habe ich mir nur blöde Sprüche angehört. Entweder hatten die Männer die braven Mütterchen zu Hause oder die anderen hatten Kindermädchen. Klar gibt es Jobs, die Vollzeit bedingen, aber so wichtig war ich nie. Und ja, wenn man seine Rechte nicht durchsetzen kann, ist es Zeit zu gehen. Wenn das viele machen würden, würde ein Wandel stattfinden. Aber auch den muss man sich leisten können. Viel Durchhaltevermögen und eine gute Lösung wünsche ich Dir.


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