Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

CU und Medikamente bei Kinderwunsch

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: CU und Medikamente bei Kinderwunsch

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Sehr geehrter Dr. Paulus, ich habe seit 6 Jahren eine Colitis ulcerosa. In dieser Zeit hatte ich 2-3 Schübe und war nun 3 Jahre Beschwerdefrei. Seit 2 Wochen habe ich einen kleinen Schub, der nach Rücksprache mit meiner Gastroentrologin mit 30mg Decortin H sowie Budenofalk und Salofalk (letztere beiden nehme ich auch in der Remmissionsphase in gleichen Anteilen wie zu Schubzeiten 3x1, bzw. 3x2). Mein Mann und ich wünschen uns ein Kind und werden auf Grund einer Gelbkörperschwäche auch mit Utrogest behandelt. Deshalb würde ich gerne von Ihnen wissen, ob ich zum jetztigen Zeitpunkt ohne Bedenken den Kinderwunsch mit der momentanen Medikamentation und -Dosis weiterführen kann oder ob es die Medikamente nicht zulassen und Schädigungen des Fötus zu erwarten sind, wenn ich jetzt schwanger werden würde. Vielen Dank für Ihre Antworten. Bettina Nolte


Dr. Wolfgang Paulus

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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) erfordern oft auch in der Schwangerschaft eine Fortsetzung der Medikation. Bei der Anwendung von 5-Aminosalicylsäure (in Form von Mesalazin bzw. Olsalazin) in der Schwangerschaft beobachtete man keinen Anstieg von Missbildungen bzw. keine Fetotoxizität. Wegen der Prostaglandinsynthesehemmung durch Salicylate sollten im letzten Schwangerschaftsdrittel diese Präparate nur in moderater Dosis verwendet werden. Eine Dosierung bis 2 g Mesalazin erscheint jedoch vertretbar. Es liegen Berichte über den erfolgreichen Einsatz von Mesalazin während der gesamten Schwangerschaft vor (Habel et al 1993; Bell & Habal 1997; Diav-Citrin 1998; Trallori et al 1994). 165 Patientinnen unter Medikation mit Mesalazin während der Schwangerschaft (davon 146 Expositionen im I.Trimenon) wiesen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe keine Unterschiede im Schwangerschaftsausgang auf (Bell & Habal 1997). Bei 18 Neugeborenen traten nach Dauerexposition (mittlere Dosis: 1,7 g/d) mit Mesalazin in der Schwangerschaft keine Anomalien auf (Habel et al 1993). Untersuchungen an Nagetieren zeigten eine Häufung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltbildungen unter Behandlung mit Glukokortikoiden. Einige Studien postulierten auch beim Menschen einen Zusammenhang zwischen mütterlicher Glukokortikoidtherapie und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltbildungen (Rodriguez-Pinilla & Martinez-Frias 1998; Robert et al 1994; Carmichael & Shaw 1999). Eine Metaanalyse berücksichtigte 123.175 Schwangere unter oraler Glukokortikoidtherapie im ersten Schwangerschaftsdrittel. Dabei zeigte sich ein leichter Anstieg von Gesichtsspaltbildungen (Park-Wyllie et al 2000). Eine neue kontrollierte Kohortenstudie mit 311 Schwangeren unter oraler Glukokortikoidtherapie ergab keine Zunahme angeborener Anomalien (Gur et al 2004). Das erhöhte Risiko für ein niedrigeres Geburtsgewicht und Aborte unter systemischer Glukokortikoidtherapie lässt sich auch häufig durch die zugrundeliegenden Erkrankungen der Mutter erklären (Park-Wyllie et al 2000). Bei zahlreichen Erkrankungen wie Kollagenosen, chronisch entzündlichen Darmkrankheiten, Asthma bronchiale, Autoimmunprozessen ist eine Fortsetzung der Therapie mit Glukokortikoiden auch in der Schwangerschaft erforderlich. Wegen eines geringeren Übergangs über die Plazenta sind dabei Prednisolon (z. B. Decortin® H) und Prednison (z. B. Predni-Tablinen®) den halogenierten Glukokortikoiden vorzuziehen (Anfangsdosis: 0,5 bis 2 mg/kg; Erhaltungsdosis: 0,3 bis 0,5 mg/kg). Bei einer kürzeren Behandlung über mehrere Tage dürfen auch höhere Dosen verwendet werden, z. B. beim Schub einer Multiplen Sklerose (500 bis 1000 mg Prednisolon pro Tag über 3 bis 5 Tage). Ziel der Therapiestrategie sollte die Behandlung der Mutter mit einer ausreichenden Steroidmenge bei möglichst geringer Steroidbelastung für den Feten sein. Hierbei kann man sich die Wirkung der Plazenta-11b-Hydroxydehydrogenase zunutze machen. Dieses Enzym deaktiviert Prednisolon, so dass nach Gabe von Prednisolon sich im Nabelschnurblut nur etwa 1/8–1/10 der Konzentration im mütterlichen Blut nachweisen lassen. Da orale Spaltbildungen im unbelasteten Kollektiv nur bei 1 von 1000 Neugeborenen auftreten, schlägt sich ein ca. dreifacher Anstieg unter systemischer Glukokortikoidtherapie nur sehr moderat auf die gesamte Fehlbildungsrate von 3 bis 5% nieder. Die Gaumenbildung ist bis zur 12.SSW abgeschlossen, so dass bei einer späteren Exposition nicht mit einer Fehlbildung zu rechnen ist. Bei längerfristiger Glukokortikoidmedikation der Mutter in einem früheren Gestationsalter wäre eine sonographische Feindiagnostik um die 20.SSW zum Ausschluss einer oralen Spaltbildung anzuraten (Oren et al 2004). Grundsätzlich wäre es sinnvoll, mit der Realisierung des Kinderwunsches bis zur nächsten Remissionsphase zu warten. Eine Prednisolon-Tagesdosis von 1,25 mg wäre z. B. unproblematisch in Bezug auf eine Schwangerschaft. Budesonid ist ein lokal stark wirksames nichthalogeniertes Glukokortikoid mit antientzündlichen, antiallergischen und antiödematösen Eigenschaften. Aufgrund des ausgeprägten First-pass-Metabolismus (Abbau während der ersten Leberpassage) liegt die allgemeine Bioverfügbarkeit von Budesonid nach oraler Gabe lediglich bei 9 bis 12 %. Eine Anwendung wäre daher auch in der Schwangerschaft vertretbar.


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