Frage im Expertenforum Beziehungsprobleme an Leonie Traub:

Überreagiert? Und Kleinigkeiten

Leonie Traub

 Leonie Traub
Psychologin

zur Vita

Frage: Überreagiert? Und Kleinigkeiten

juli-88

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Hallo, ich lebe mit meinem Mann seit fast 15 Jahren zusammen. Wir haben zwei Kinder (9 und fast 14 Jahre) und eigentlich läuft es bei uns in der Partnerschaft sehr gut. Dadurch das wir so schnell Eltern geworden sind, gab es damals wenig Raum uns richtig kennenzulernen. Aber wir haben immer zusammen gehalten und sind diesen Weg gemeinsam gegangen. Nur aktuell gibt es zwei Sachen die mich stören. Letztens war ein etwas größeres Problem, da er an einem freien Tag mein Bücherregal mit Büchern umgeräumt hat und auch einige andere Sachen von mir verräumt hat. Er hat darin kein Problem gesehen. Für ihn war es okay und keine große Sache. Ich habe mich darüber sehr aufgeregt, da ich mich wie ein Kind gefühlt habe. Ich wurde als Kind von meinen Eltern viel für meine Ordnung kritisiert und nun komm ich nach Hause, sehe das und war sehr wütend, dass mir sogar die Tränen kamen. Er hat mein Problem überhaupt nicht verstanden. Er meinte es nur gut. Aber fast 15 Jahre war er nicht an diesem Schrank und nun räumt er da rum. Für mich haben meine Bücher und meine anderen Sachen, die für ihn keine Bedeutung haben, doch eine sehr große Bedeutung. Habe ich wirklich überreagiert? Dann haben wir noch ein anderes Problem. Und zwar rege ich mich zur Zeit stark über Kleinigkeiten bei ihm auf. Er macht zum Beispiel seit einigen Monaten keine Schubladen mehr zu, schmeißt seine Sachen auf mein Bett, putzt nur halbherzig die Küche, usw. Am Anfang habe ich es noch mit Humor genommen, dann habe ich es ernster gesagt, dass mich das stört und nun bin ich mit meinem Latein am Ende. Besonders diese offenen Schubladen stören mich. Er sagt, er sieht das nicht und denkt da nicht dran. Was kann ich tun, damit ich das gelassener sehe, denn laufend könnte ich mich aufregen, wenn in der Küche, im Wohnzimmer, im Bad oder im Schlafzimmer die Schubladen offen sind. Oder seine Sachen wieder auf meinem Bett liegen. Gibt es einen Tipp um gelassener zu werden? Vielen Dank für eine Antwort. LG, Juli


Leonie Traub

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Liebe Juli,    vielen Dank für deine Frage und dass du deiner Frustration Raum gibst.    Es ist toll, dass du dein Handeln und deine Gefühle so gut reflektieren und ausdrücken kannst. Du schreibst, dass eure Partnerschaft sehr gut läuft. Das ist schön zu lesen und klingt nach einer guten Basis. Du beschreibst aber auch, dass seit ein paar Monaten oder Wochen die Unordnung deines Mannes dich stark frustriert. Das ist sehr verständlich. Es ist genauso die Verantwortung deines Mannes, sich um den Haushalt zu kümmern. Persönliche Grenzen und Bedürfnisse zu erkennen und die mit dem Partner zu kommunizieren, ist sehr wichtig. Diesen Schritt hast du sehr gut gemacht. Es liegt in der Verantwortung deines Mannes deine Bedürfnisse ernst zu nehmen und deine Grenzen anzuerkennen. Aussagen wie “er sehe es nicht” klingen nach einer Abschiebung dieser Verantwortung. Viele Frauen berichten von ähnlichen Äußerungen ihrer Partner, um sich der Verantwortung für die Sorgearbeit (teilweise) zu entziehen.    Manchmal sehen wir in Konflikten nur das Offensichtliche oder das Akute, so wie du die Unordnung deines Mannes derzeit. In vielen Fällen liegen unserer Frustration, Wut oder Traurigkeit, die durch die Situation entstanden sind, andere verletzte Gefühle oder Bedürfnisse zugrunde. Oft wissen wir zunächst auch nicht, was die Ursache ist. Fühle vielleicht noch einmal in dich hinein und frage dich, warum dich die Unordnung nun mehr frustriert als in den 15 Jahren zuvor. Was kann auslösend gewesen sein?   Vielleicht ist es für dich hilfreich, dir eine Liste mit Themen zu erstellen, die dich verärgern und bespreche diese in einer ruhigen Atmosphäre mit deinem Partner. Hierfür kannst du dich mit ihm verabreden, auch regelmäßig. So können wichtige Dinge, die du besprechen möchtest, den angemessenen Raum finden, zum Beispiel alle 14 Tage am Donnerstagabend auf der Couch. Dann ist klar, dass ihr in diesem abgesteckten rahmen offen über eure Gefühle und eure Kommunikation sprechen könnt.  Sollten diese Themen allein nicht besprechbar sein, dann gibt es anonyme und kostenfreie Angebote für Familien- und Paarberatungen. Hier kannst du nach bundesweiten Einrichtungen suchen: https://www.dajeb.de/beratungsfuehrer-online/beratung-in-ihrer-naehe/.  Wenn du merkst, dass vielleicht andere Bedürfnisse dahinterstecken, dann gib dir Zeit. Das Erkennen und Besprechen von Bedürfnissen oder Verletzungen ist ein Prozess. Dein Frust über die Situation kann sich aber legen.   Hoffentlich ist das für dich ermutigend, um nochmal genauer auf deine Bedürfnisse zu achten und diese mit deinem Partner zu besprechen.   Dir alles Gute!   Leonie und Xenia 


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